Gespräch unter zwei Augen. Werner Schneyder

Gespräch unter zwei Augen - Werner Schneyder


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du deinen Tormann.

      Bitte, ich habe – nein, es ist sinnlos. Wir reden über Sammy. Als er Chef der Lach- und Schießgesellschaft wurde und dadurch sehr wohlhabend, realisierte er einen Traum, wie ich ihn als Halbwüchsiger auch hatte.

      Einen eigenen Fußball-Klub.

      Ja. Er gründete den »FC Schmiere« mit der Idee, eine Kombination von fußballkundigen Kabarettisten oder anderen bekannten Bühnenstars mit ausgedienten Spitzenfußballern zu organisieren.

      Um sich in deren Mitte, sowohl als auch, zu sonnen.

      Nicht nur. Die Fußballer, von denen der eine oder der andere ganz sicher auch Geld bekam, hatten die Aufgabe, sich bis in den Strafraum durchzuspielen, den Sammy freizustellen, ihm den Ball einschussgerecht hinzurollen und ihn in jedem Spiel zum erfolgreichsten Torschützen zu machen. Er schoss immer, mit Abstand, die meisten Tore, im Grunde alle.

      Das fand niemand absurd?

      Nein. Wie ich dazu stieß, war das schon über Jahre eingeführt. Sammy stellte die Mannschaft immer mit Rundruf zusammen und immer stark genug, um zu siegen. Und jedes Mal sagte er Stunden vor einem Match: »Ich muss langsam weg. Ich habe heute ein schweres Spiel.«

      Dieser Selbstbetrug hat dir imponiert.

      Kolossal.

      Du hast eine Erzählung geschrieben, »Das tausendste Tor«.

      Nach einem seiner letzten Spiele. Als schon Todkranker. Das Buch erschien erst nach seinem Tod.

      Du hast oft mit ihm gespielt.

      Oft. Jedenfalls immer, wenn ein eben abgetretener Keeper von 1860 München keine Zeit oder keine Lust hatte. Drei, vier Mal haben sie mich dann auch im Sturm spielen lassen.

      Du hast den Unwillen Sammys erweckt.

      Ein Mal. Da waren wir auf dem Land. Stargastspiel bei einer Sportplatzeröffnung. Der Zufall wollte es, dass ich ziemlich zu Beginn zwei Mal so günstig an den Ball kam, dass ich zwei Tore machte. Da kam ein Alt-Internationaler zu mir und sagte leise: »Hör auf, der Sammy ist schon sauer.«

      Du hattest die Spielregeln vergessen.

      Ich sage dir, ich habe mit Gerd Müller und anderen leicht gealterten Topstars spielen können. Das nimmt dem Tormann in mir keiner weg.

      Das will ja keiner. Nur mit den Jahren wird der Stellenwert …

      Das größte war ein Match im Grünwalder-Stadion, da spielten drei deutsche Weltmeister von 1954 mit: Horst Eckel, Karl Mai, Herbert Erhardt. Und da kommt eine Bogenlampe Richtung Strafraum, dreht sich ein Weltmeister um und sagt: »Den macht mein Tormann.«

      Du strahlst, als ob’s heute wäre.

      »Mein Tormann.« Da soll man nicht strahlen?

      Also in der Hinsicht bist du ein hoffnungsloser Fall.

      Siehst du’s endlich ein? Noch eine ganz wichtige Geschichte. So zwischen 40 und 50 – ich hatte meinen Hauptwohnsitz noch in Salzburg – hab ich drei Mal im Tor des ORF gegen die Salzburger Festspiele gespielt.

      Plácido Domingo zum Beispiel.

      Der war leidenschaftlicher Fußballer. Er konnte es nicht. Aber er war selig. Ich werde nie vergessen, wie er sich ungeniert in der Kabine vor allen das Mieder geschnürt hat, damit die Kugel unter der Dress ein bisschen geformter war.

      Der wusste, was er dem weiblichen Publikum schuldet.

      In einem Spiel hatten sich auch die Festspiele verstärkt. Unter anderem mit dem deutschen Ex-Nationaltormann Sepp Maier. Der wollte, wie alle abgetretenen Torleute, im Sturm spielen.

      Nicht nur das. Er wollte auch unbedingt ein Tor schießen.

      Und ich wollte das verhindern und hatte ein paar gute Szenen. Da kam er zu mir und sagte: »Sag einmal, warum kannst du denn das?« Ich habe wahrheitsgemäß geantwortet: »Das konnte ich schon mit zwölf.« Er sah mich an und sagte: »Ja, das kann man nur, wenn man’s mit zwölf schon kann.«

      Komm zum Ende.

      Das waren die drei Spiele in Salzburg gegen die Festspiele. Immer vor vollem Haus. Im ersten war ich wirklich sehr gut. Meine Frau hat das bestätigt, aber einschränkend gesagt: »Du stehst schon ein bissl schwer auf.« Im zweiten haben mir ein paar sehr gute Opernleute sechs Stück eingeschenkt. Da hab ich mir gedacht: So kann man nicht aufhören.

      Mit 51 bist du noch einmal ins Tor. Völlig untrainiert.

      Das hat sich gerächt. Beim ersten Werfen nach links fiel ich ungeschickt auf das linke Knie. Ein Stich.

      Es war dir sofort klar: Das war’s.

      Ich humpelte vom Platz. Der Austauschtormann lief aufs Feld. Ich ging in die Kabine. Duschte mich. Nahm dann meinen Kunstledersack, ordnete die Schuhe, die Strümpfe, die Schienbeinschoner, meine drei Dressen – je nach benötigter Farbe besaß ich eine in meiner nicht oft vorhandenen Größe 8 –, zog den Verschluss zu, ging zum Manager des gastgebenden Klubs und sagte: »Hast du einen langen Jugendtormann?« Er sagte: »Ja.« Ich übergab ihm ohne Kommentar meinen Sack, verließ das Stadion und spürte, wie die Tränen herunterrannen.

      Siehst du, bei aller Toleranz, das hätte ich der Schilderung erspart.

      Du wolltest ja auch bestreiten, dass ich ein Tormann war.

      Du projizierst dich ja heute noch, wenn du Fußball im Fernsehen siehst – und wann tust du das nicht? – in die Tormannposition.

      Und denke mir in der ersten Zehntelsekunde, wenn ein Tor fällt: Den hätte ich in meiner besten Zeit gehalten. In der zweiten Zehntelsekunde weiß ich dann: Ich hätte ihn nicht einmal gesehen.

      Ein Hauch von Wahrheitsliebe.

      Gespräch über das Singen

      Du singst gern.

      Immer schon. Schon als kleines Kind. Eigene Texte, die nach afrikanischen Urlauten klangen.

      Hast du dich je gefragt, warum du so gern singst?

      Nein. So aus dem Hut sage ich: Der Mensch empfindet Töne und Melodien als angenehm und freut sich, wenn er in der Lage ist, sie mit nichts als seinem Körper zu produzieren.

      So nach dem verheerenden Motto, wonach jeder Mensch ein Künstler ist.

      Wenn er falsch singt, nicht.

      Du hast auch falsch gesungen.

      Nie. Ich hab in den Schlagerjahren nicht sehr sauber intoniert. Ich hab unserem zu tief oder gar nicht gestimmten Flügel die Schuld gegeben.

      Ich weiß nicht, ob diese Ausrede haltbar ist.

      Ich intoniere seit Jahrzehnten sauber.

      Dir hat einmal eine Kollegin mit absolutem Gehör gesagt, dass das nicht so ist.

      Von dem Tag an bin ich allen mit mir arbeitenden Musikern auf die Nerven gegangen, weil ich ständig, bei Proben oder Aufnahmen, gefragt habe, ob alles gut intoniert war.

      Die haben oft gar nicht begriffen, warum du fragst.

      Eben. Es stand gar nicht zur Diskussion. Ein amerikanischer Super-Jazzer, der in München Komposition studierte, hat mich für immer befreit. Er hat mich auf wiederholte Anfragen von mir angebrüllt: »Du kannst gar nicht falsch singen. So musikalisch bist du nicht.«

      Das ist natürlich unwiderlegbar. Du hast immer eine Gesangstimme gehabt. Heute natürlich den Tenor nicht mehr.

      Ich kann ihn immer noch imitieren.

      Warum war dir das immer so wichtig, deine Stimme herzuzeigen? Bei deinem Vater fandest du das lächerlich. Beschämend.

      Weil er nie den Versuch unternommen hat, eine professionelle Perfektion herzustellen, durch Lernen, Üben. Ich habe, was ich gemacht habe, gekonnt. Das hat mich später zu einem Freund der Musiker gemacht. Die haben es geschätzt, wenn sich ein Kabarettist musikalisch


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