Gespräch unter zwei Augen. Werner Schneyder

Gespräch unter zwei Augen - Werner Schneyder


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Kabarettist so viel singst.

      Es haben nicht alle es nicht toll gefunden. Wenn du bedenkst, dass ich »Che gelida manina« oder »Dies Bildnis ist bezaubernd schön« gesungen habe …

      … eine kleine Terz tiefer …

      Ja und? Ich habe die Arie des Coppelius missbraucht, ich habe Chopin, Schubert, Rachmaninoff und Mozart austextiert und gesungen und auf der anderen Seite Chick Coreas »Blue Rondo A La Turk« mit zwei verschiedenen Texten. Das verdanke ich der Zeit, in der ich mir alle diese Farben beigebracht habe.

      Mit den Schlagern der Hitparade. Mit Lehár-Schnulzen. Da waren dir die Texte nicht peinlich?

      In der Pubertät? Da hab ich mir die Frage nach Sinn und Niveau nicht gestellt.

      Da ging’s nur um Narzissmus.

      Unsinn. Um Balzverhalten.

      Das überschneidet sich ja.

      Bestreite ich nicht.

      Du reduzierst das Singen also auf Erotik.

      Was heißt »reduzieren«? Singen ist Erotik. Umfassend.

      Meinst du die »Matthäus-Passion«?

      Sei nicht so blöd. Ich meine die Eigenart der Stimmen.

      Du willst sagen: Es gibt erotische und unerotische Stimmen.

      Nach Meinung der Hörenden. Nicht objektiv. Ich sage dir ein Beispiel. Ich habe zwei Lieblingstenöre. Den jungen Giuseppe Di Stefano und Fritz Wunderlich.

      Den gab’s nur jung.

      Leider. Die zwei hab ich einer Freundin vorgespielt, weil die hartnäckig erklärt hat, Operngesang nicht zu mögen.

      Du kannst dir das Missionieren auf diesem Gebiet nicht abgewöhnen.

      Nein. Ich hab sie »E lucevan le stelle« und die Lenski-Arie aus »Eugen Onegin« hören lassen.

      Letztere singt der Wunderlich, dass einem der Atem stillsteht.

      Was glaubst du, was die junge Frau mir gesagt hat? Sie findet den Di Stefano toll, den Wunderlich erträgt sie nicht. Begründung: Der Di Stefano hat Eier, der Wunderlich keine.

      Und du hast diese Frau für intelligent gehalten?

      Das tue ich nach wie vor.

      Wie kommt sie auf die Idee, dass der Wunderlich keine Eier hat? Hatte.

      Das ist doch nicht physiologisch gemeint. Sie meint das Timbre. Das eine vermittelt ihr Virilität, das andere nicht.

      Der Di Stefano hätte also bei ihr Chancen gehabt, der Wunderlich nicht.

      Solange sie nur gesungen haben, jedenfalls.

      Jetzt weiß ich, was du meinst. Andere Frauen hören die Eier bei Wunderlich.

      Weil es beim Singen eben um Erotik geht.

      Es geht auch um den Musikgeschmack des Singenden. Du wolltest einmal Schlagersänger werden.

      Mit 16. Da träumt man sich eben hinter ein Standmikro vor einer Big Band.

      Du hast dir, wie du nur konntest, die erbärmlichsten Schlagersendungen angehört.

      Ich konnte alle Hits auswendig.

      Mnemotechnisch warst du ziemlich gut.

      Heute noch. Einen Text auf Musik brauche ich nur zwei Mal zu hören.

      Text. Du hast einmal beim Unterhaltungschef vom ORF, Radio Klagenfurt, vorgesungen: »Das machen nur die Beine von Dolores«.

      War ein sehr bekannter Schlager.

      Einer, in dem sich dann Señores auf Matadores reimt. In dieser Zeit konntest du schon Kästner-Gedichte auswendig. Wie ging das zusammen?

      Ich wollte singen. Für einen Operettentenor war ich zu jung.

      Richtig. »Liebste, glaube an mich, denn ich lie-iebe nur dich« und andere Lehár-Schnulzen hätte man dir noch nicht abgenommen.

      Was mich noch nicht daran gehindert hat, sie zu singen, wenn meine das Klavierspiel seriös erlernende ältere Schwester dieses Repertoire rauf und runter spielte. Statt Schubert.

      Du hast auch Besuchen deiner Eltern vorgesungen.

      Auf Aufforderung.

      Der du gerne nachgekommen bist.

      Eigentlich habe ich mich geniert. Aber ich wollte entdeckt werden.

      Von wem?

      Vom Besuch.

      Du hast das Klavierspiel deiner Schwester erwähnt. Du hast es ja auch einmal zu lernen begonnen.

      Eineinhalb Jahre. Ein Desaster. Aus Scham über meine Leistung bin ich dem Unterricht eines Tages ferngeblieben.

      Aber nachdem du zwei, drei Jahre dem Instrument abgeschworen hattest, bist du so kurz vor der Tanzschulzeit wieder den Tasten nähergekommen.

      Denen eines ruinierten Flügels.

      Er hatte die Differenzen zwischen Eiseskälte und brüllender Hitze bei der Nutzung des Wohnzimmers nicht überstanden.

      Nein. Die Tastatur schon. Der Stimmboden nicht.

      Was den Vater nicht daran gehindert hat, immer wieder zu erklären, es handle sich hier noch um eine »Wiener Mechanik«, und die wäre in der Klangqualität allem überlegen.

      Es muss grausam geklungen haben, aber ich begann mir in C-Dur …

      … die du dann unmusikalischerweise jahrelang ausschließlich verwendet hast …

      … leider wahr – Schlager zusammenzustoppeln. »Unter der roten Laterne von St. Pauli« war der erste.

      Wenige Harmonien.

      Wenn man falsch spielt nur vier.

      Du hast dazu gesungen.

      Das war ja der Sinn der Sache. Ich spiele Klavier, singe dazu, und daneben steht ein daher von mir hingerissenes Mädchen.

      Das hat sich damals noch nicht realisieren lassen.

      Nein. Ich spielte auch falsche Harmonien, hörte das aber. Suchte Rat bei besseren Klavierspielern. Nach Jahren – ich springe jetzt voraus – habe ich dann die C-Dur verlassen und mir die Harmoniesymbole der U-Musik zu eigen gemacht und versucht, sie in die Finger zu kriegen.

      Da entstand eine gewisse Fertigkeit. Das ist nicht zu bestreiten.

      Ja, ich spiele heute noch so, dass nur Kenner merken: Klavierspielen kann er nicht wirklich. Die schönste und treffendste Beurteilung meines Klavierspiels stammt von einem lieben serbischen Gitarristen, der, wenn ich nach Mitternacht zu klimpern begann, seine Gitarre auch wieder auspackte. Und wie wir da einmal so vergnügt swingten, beugte er sich über meine Schulter und sagte: »Was du machst, mit deinen zehn Daumen.«

      Das war Anerkennung.

      Auf der Basis von Laienhaftigkeit.

      Du bist aber oft gefragt worden, warum du dich auf der Bühne nicht selbst begleitest.

      Und da habe ich die arroganteste aller möglichen Antworten gegeben: Für mein Singen spiele ich nicht gut genug.

      Also Singen. Es gab einen Tenor und einen Schlagersänger.

      Der Tenor ließ mehrfach aufhorchen. Kurze Zeit unterrichtete uns – ich glaube in der Siebenten – eine Opern- und Konzertsängerin in Musik und ließ uns singen.

      Die hattest du aus dem Stadttheater gekannt.

      Ja, sie war ein Alt, wirklich hässlich, sang aber sehr gut. Ich schmetterte bei »Wenn die bunten Fahnen wehen« …

      … du wagst es, dich daran zu erinnern …

      … ich hätte es auch leugnen können. Also, ich schmetterte eine Oberstimme, und die Kammersängerin sagte nachher: Da schau her, ein Tenor.


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