Überleben nicht erwünscht. Karin Bulland
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Karin Bulland
Überleben nicht erwünscht
Meine Geschichte
Die hier geschilderten Ereignisse sind meine persönliche Geschichte, wie ich sie erlebt habe. Zum Schutz der beteiligten Personen wurden die Namen geändert.
© 2016 Brunnen Verlag Gießen
Umschlagfoto: Brück & Sohn Kunstverlag Meißen
Umschlaggestaltung: Jonathan Maul
Satz: DTP Brunnen
ISBN E-Book 978-3-7655-7470-2
Ich widme dieses Buch meiner Tochter Jacqueline, die als Kind schlimme Demütigungen in mehreren Kinderheimen und der Kinderpsychiatrie erleben musste.
Und den Opfern des politischen Missbrauchs der Psychiatrie in der DDR, denen ich weit mehr Verständnis und Hilfe in unserem wiedervereinten freien und demokratischen Deutschland wünsche.
Inhalt
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm
Wie ein Augenblick mein Leben veränderte
Schritt für Schritt in ein neues Leben
Mein erster Lobpreisgottesdienst
Segen empfangen und weitergeben
Versöhnung und Berufung in Jerusalem
„Der kleine Adler verlässt das Nest“
Meine Eltern
Die Jahre nach 1945 waren eine schwere Zeit für meine Familie. Meine Eltern lebten in Thüringen. Dieses Gebiet war nach Ende des Krieges von den Sowjetrussen besetzt worden. Es gab Lebensmittelkarten und längst nicht immer genug zu essen.
Meine Eltern heirateten im Dezember 1949, also wenige Wochen nach der Gründung der DDR. Schon die Umstände der Hochzeit waren äußerst schwierig. Die Eltern meines Vaters waren Kommunisten. Der Vater meiner Mutter war ein Anhänger des Hitlerregimes gewesen, dazu Zellenleiter und Aufseher in einem Zwangsarbeitslager des KZ Buchenwald. Beide Familien bewohnten während des Krieges und danach bis zu ihrem Tod Einfamilienhäuser in einer Siedlung, für deren Bau die Hitler-Regierung sehr günstige Kredite vergeben hatte. Genauer: Die Familien meiner Eltern wohnten Zaun an Zaun! Die Eltern meines Vaters sagten zu ihrem Sohn: „Wenn du dieses Nazimädchen heiratest, betrittst du unser Haus nie wieder.“ Der Vater meiner Mutter sagte: „Den Kommunistenhund erschlage ich, wenn der in mein Haus kommt.“ Das war für meine Eltern hart, sehr hart. Wie sehr müssen sie sich geliebt haben, dass sie trotz dieser widrigen Umstände heirateten!
1950 wurde mein Bruder Peter geboren, elf Monate später mein Bruder Rolf. Da wohnten meine Eltern direkt neben dem ehemaligen Zwangsarbeitslager von Buchenwald. In diesem Lager arbeiteten während des Krieges etwa 1.000 Häftlinge des KZ Buchenwald. Es war eine Munitionsfabrik. Auf dem Grundstück des Lagers hatte man Mehrfamilienhäuser gebaut, in denen die Aufseher wohnten. Die Offiziere wohnten ganz in der Nähe in einer Siedlung mit Einfamilienhäusern aus der Zeit des Dritten Reiches.
Mein Vater entlud nach Ende des Krieges seit der Stationierung der Russen für die Sowjetarmee Waggons bei der Bahn, die unter anderem Lebensmittel wie Fisch enthielten. Was machte ein Vater, der für seine Familie nichts zu essen hatte? Mein Vater steckte einen Fisch in die Hosentasche, die andere Woche noch einmal – und wurde erwischt, 1953, um den 17. Juni herum, als die Menschen in der DDR in Massen auf die Straßen gingen, um gegen die politischen Umstände zu protestieren. Damals war der Protest noch erfolglos, viele wurden verhaftet, verurteilt und für lange Jahre ins Zuchthaus gesperrt. Meinen Vater verurteilten die Russen zu drei Jahren Zuchthaus – wegen „fortwährender Transportberaubung“, wie es in seiner Stasiakte heißt. Dazu mussten meine Eltern 5.000 Reichsmark Strafe bezahlen. Aus den Erzählungen meines Vaters weiß ich, dass er zwei Fische genommen hatte, um seiner Frau und seinen zwei Kindern etwas zu essen mitzubringen.
Wir waren für viele Jahre eine total verarmte Familie.
So hat