Funkelsee – Der Ruf der wilden Pferde (Band 4). Ina Krabbe

Funkelsee – Der Ruf der wilden Pferde (Band 4) - Ina Krabbe


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      Malu sprang hinter ihrem Bruder die Treppe herunter, als die Stimme ihrer Mutter sie aufhielt. »Malu, bist du das?«

      »Nein, der Hausgeist«, flötete sie und versuchte schnell durch die Haustür zu entwischen.

      Edgar war schon fast draußen und winkte ihr grinsend zu, als Rebekka aus der Küche kam. »Schatz, geh doch bitte mal in die Schlossküche rüber und hol mir zwei Gläser Himbeermarmelade für den Kuchen.«

      Malu verzog das Gesicht. »Ich wollte jetzt eigentlich die Pferde füttern.«

      Ihre Mutter stemmte die Hände in die Seiten. »Du kannst mir ruhig ein bisschen helfen! Was soll ich denn noch alles tun –«

      »Vergiss es«, knurrte Malu. »Ich hol sie ja schon.«

      Rebekka verschwand murrend in der Küche und Malu ging ebenso murrend durch die Haustür. Wütend stapfte sie über den Schlosshof, dass die Kiesel nur so zur Seite spritzten. Der schön renovierten Schlossfassade schenkte sie keinen Blick. Kannte sie ja schon. Seit das Baugerüst ver­­schwunden war, strahlte der Putz in Altrosa, die weißen Umrandungen der Fenster leuchteten majestätisch und das Türmchen hatte neue Stuckverzierungen erhalten. Auch die Nebengebäude hatten einen neuen Anstrich, neue Wasserleitungen und neue Heizungen bekommen. Es war eigentlich alles toll! Aber Malu vermisste das alte Schloss Funkelfeld. Ihr Schloss, ihr Zuhause! Das hier war jetzt ein schickes Hotel und in zwei Wochen würde es hier von Besuchern wimmeln. (Es gab zwar nur 10 Gästezimmer, aber trotzdem!)

      Ihre Mutter war wegen der bevorstehenden Eröffnung so angespannt und nervös, dass man kein vernünftiges Wort mehr mit ihr wechseln konnte. Wütend trat Malu gegen einen dicken Kieselstein. Wie zum Beispiel die Sache mit dem Camp. CharlyBee hatte ihr im Chat von diesem Feriencamp erzählt, wo man eine Woche in einem Hilfs­­projekt für alte und misshandelte Pferde mitarbeiten konnte. Sie war sofort Feuer und Flamme gewesen. Da sie mit ihrer Mutter ja sowieso nicht in Urlaub fahren würde (wahrscheinlich NIE mehr!), hätte sie ihr doch eine Woche in dem Camp gönnen können. Nein, das geht nicht! Malu, ich brauche doch deine Hilfe. Wir haben so viel zu tun. Wie kommst du nur auf so eine Idee. Außerdem haben wir doch genug eigene Pferde hier, um die du dich kümmern musst. Und dann ging die Diskussion um den Chatroom wieder los.

      Malu seufzte. Vielleicht würde es ja besser werden, wenn der Hotelbetrieb erst mal ans Laufen gekommen war. Zu­mindest würde ihre beste Freundin Lea morgen für zwei Wochen bei ihr einziehen. Das waren wenigstens erfreuliche Aussichten! Mit Lea war irgendwie alles lustiger, ihre Freundin hatte eigentlich immer gute Laune und kam auf die verrücktesten Ideen.

      Sie lief die breite Treppe zum Hauptgebäude hoch und tätschelte den steinernen Löwen, die die Seiten flankierten, gewohnheitsmäßig die Köpfe. Auch sie hatten von der Renovierung profitiert und ihre Nasen, Mähnen und Ohren zurückbekommen.

      Die riesige Holztür quietschte auch nicht mehr, als sie sie jetzt aufzog. Nicht mal das! Malu lief über den schwarz-weißen Schachbrettboden durch die riesige Halle zur Küche. Ein langer Holztresen säumte jetzt die rechte Seite, an dem die Gäste in Empfang genommen werden sollten. Dahinter führte ein Gang weiter zu den Haushalts- und Sozialräumen für die neuen Mitarbeiter.

      Malu zog eine weiße Schiebetür zur Seite und trat in den neu gestalteten Küchenraum. Die blauweiß gemusterten Wand­­fliesen erinnerten an vergangene Zeiten, die Elek­tro­geräte und blank polierten Edelstahlflächen dagegen waren hypermodern. Rebekka liebte diesen Kontrast.

      Dem allen schenkte Malu keinerlei Beachtung, sie ging schnurstracks zur Speisekammer, die sich im hinteren Teil an die Küche anschloss. In mehreren Reihen stan­­den dort stählerne Regale, in denen alles Mögliche la­gerte, was man in einer Küche so gebrauchen konnte: Kon­ser­ven­­dosen, Mehlpackungen, Kekse, Kaffee- und Tee­dosen, Reis, Nudeln, Gewürze, aber auch Schüsseln und Töpfe in allen Größen und Formen. Vor dem Regal mit den Mar­me­ladengläsern stutzte Malu. Was war das? Vor ihren Füßen lag eine mit Glassplittern verzierte rotgelbe Pampe. Ein Stück weiter waren Tüten mit Mehl und Zucker umgerissen und hatten die grauen Fliesen weiß gepudert. So eine Sauerei! Was war hier passiert? Malu seufzte erneut. Das würde die Laune ihrer Mutter nicht verbessern, so viel war klar. Sie entschied sich, lieber Gesine Bescheid zu sagen, ihre Großtante war bei solchen Sachen wesentlich entspannter. Aber die war gerade zum Einkaufen in der Stadt und stand in der Umkleidekabine, als Malu sie erreichte. Und leider hatte sie nicht vor, in Unterwäsche zur Schlossküche zu eilen. Also blieb Malu nichts anderes übrig, als doch ihre Mutter über das Chaos zu informieren.

      Keine Minute später stürmte Rebekka an Malu vorbei, die auf der Edelstahlarbeitsplatte saß und die Beine baumeln ließ.

      »Auch das noch! ... Das darf nicht wahr sein!«, murmelte sie.

      »Was meinst du?«, fragte Malu und sprang von der Arbeits­fläche.

      »Ratten!«, flüsterte ihre Mutter. »Was soll das sonst sein.« Sie drehte sich um und fuhr sich durch ihre ohnehin schon abstehenden braunen Locken. »Wir haben Ratten im Schloss! Wenn das bekannt wird, dann können wir die ganze Eröffnung vergessen!«

      Malu betrachtete die Abstellkammer mit leichtem Ekel. Da würde sie erst mal keinen Schritt mehr reinsetzen!

      »Das muss Kalle sich gleich angucken.« Mit einem Ruck zog Rebekka die Tür zur Speisekammer zu.

      Kalle war die neue Geheimwaffe von Schloss Funkelfeld. Malu grinste. Er war als einziger Bauarbeiter noch vor Ort, um die letzten Kleinigkeiten der Renovierung zu erledigen. Aber nicht nur das, Kalle half immer, wo er konnte. Er hatte einfach das Herz auf dem rechten Fleck, wie Gesine sagte. Und da die Hoteleröffnung immer näher rückte und es ständig neue Dinge gab, die unbedingt noch getan werden mussten, hatte Kalle eine kleine Wohnung über dem Pferdestall bezogen. Immer wenn Not am Mann war, wurde er gerufen. So wie jetzt.

      Malu sah ihrer Mutter hinterher, die sich die Haare raufend aus der Küche verschwand. Warum nur musste sie gerade an ein zerrupftes Huhn denken?

      Sie beschloss, dass das Rattenproblem bei Kalle gut aufgehoben war, und verschwand in Richtung Pferdewiese.

      Kaum hatte Malu den Weg durch den alten Schlosspark eingeschlagen (wenigstens der war verwildert wie eh und je!), ging es ihr schlagartig besser. Mit schnellen Schritten umrundete sie das Schloss, zwängte sich an einem alten Holunderbusch vorbei und kletterte über den Holzzaun, der die hintere Pferdewiese umschloss. Es gab natürlich noch einen besser begehbaren Weg zur Weide, über den Schlossplatz und rechts am Gebäude vorbei, aber Malu nahm lieber die Abkürzung.

      Als sie auf der Wiese stand, hielt sie kurz inne. Sie konnte sich gar nicht sattsehen an diesem Bild: Schneechen, Alibaba und Lapislazuli grasten gemütlich auf der gegenüberliegenden Seite. Mit etwas Abstand folgten die Ponys Zimt und Vanille, die in ihrem Pferdeleben schon viel durchgemacht hatten. Aber seit letztem Herbst hatten sie hier ihr Zuhause und jetzt ging es ihnen richtig gut.

      Auf der Wiese dahinter galoppierte Flash ausgelassen am Zaun entlang. Es sah aus, als ob er vor den Stuten ein bisschen angeben wollte. Als Hengst musste er getrennt von den anderen Pferden stehen und nachts brachte Edgar ihn in den Stall. Seit dem Frühjahr war er jetzt auf Schloss Funkelfeld und war lange nicht mehr so misstrauisch und unberechenbar wie am Anfang. Ihr Bruder gab sich wirklich alle Mühe mit ihm, aber es war immer noch nicht daran zu denken, dass er ihn reiten konnte.

      Von den gelben Isländern Ping und Pong konnte Malu nur die Hinterteile sehen, die aus dem Stall ragten. Wahrscheinlich machten sie sich gerade über irgendeine Leckerei her. Papilopulus stand davor mit hängendem Kopf und döste vor sich hin.

      Malu pfiff leise, als sie zum neuen Offenstall herüberging. Sofort zuckten Papilopulus’ Ohren und er hob erwartungsvoll den Kopf. So stand er da, bis Malu neben ihn trat. Sanft strich sie ihm über den knochigen Nasenrücken und kramte ein Leckerchen aus der Tasche. »Du faule Socke«, murmelte sie liebevoll. »Du kannst mir ruhig mal ein paar Schritte entgegengehen.«

      Der dunkelbraune Wallach schnaubte und drückte seine Schnauze auf der Suche nach weiteren Delikatessen in Malus T-Shirt.

      »Da kannst du lange schnuppern,


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