Funkelsee – Der Ruf der wilden Pferde (Band 4). Ina Krabbe

Funkelsee – Der Ruf der wilden Pferde (Band 4) - Ina Krabbe


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Kalles Befehl hin die Speisekammer hatte sauber machen müssen – vielleicht war es ja doch nicht so schlecht, dass er da war, dann musste sie wenigstens nicht sämtliche fiesen Arbeiten alleine erledigen, bis nächste Woche die Küchenhilfen kamen. Warum musste ihre Mutter auch schon vor der Eröffnung Gäste aufnehmen, wo noch gar keine anderen Mitarbeiter hier waren?! Erst heute diese eingebildete Kuh und morgen sollte noch ein Ehepaar mit zwei Pferden anreisen.

      Beim Abendessen hatte Rebekka ihrer Tochter noch mal ans Herz gelegt, dass sie besonders freundlich zu Señora Horapez sein sollte. Ausgerechnet zu der! Aber die Miete, die die Señora für die Pferdeinsel zahlte, war wohl eine beachtliche Summe und dafür hatte Gesine der Dame im Gegenzug absolute Ruhe und Abgeschiedenheit auf der Insel garantiert. Wie oft ihre Mutter ihr das im letzten Monat eingetrichtert hatte, konnte Malu schon nicht mehr zählen. Es musste also wirklich um eine Menge Geld gehen!

      Leider war CharlyBee nicht im Chat und Lea ging nicht ran, als sie versuchte anzurufen. (Was war nur los? Lea war doch IMMER am Handy!) Malu war megafroh, dass Lea die nächsten zwei Wochen bei ihr wohnen würde. Schnell schrieb sie ihr noch eine Nachricht: Bin so happy, wenn du morgen hier bist. Alle sind dooooof!!!

      Bevor sie ins Bett ging, riss Malu das Fenster weit auf. In der Nacht würde es ja hoffentlich etwas abkühlen.

      Als sie schon fast eingeschlafen war, riss sie eine vertraute Musik aus ihrem Dämmerzustand. HEY GIRL, LET ME KNOW. Lea.

      Malu tastete nach ihrem Handy und wischte zu den Nachrichten.

      Lea:

      War bis eben noch mit Mama bei Tante Gerda, du weißt ja, absolutes Handyverbot!! Hab alles gepackt. Freu mich!!! Die Ferien werden der Hammer - ich habe DIE Idee. Alles Weitere morgen. See you

      Malu:

      Bin super gespannt!!! Schlaf gut und bis morgen!!

      Lächelnd legte Malu das Handy zurück und drehte sich zur Seite. Typisch Lea. Was mochte ihre Freundin wieder für verrückte Pläne haben? Kurz darauf war sie schon eingeschlafen.

      Als Malu hochschreckte, war es draußen noch dunkel. Ihr T-Shirt klebte an der Haut. Was hatte sie geweckt? Sie lauschte. Leises Grillengezirpe drang durch das offene Fenster, aber davon war sie wohl kaum aufgewacht. Vielleicht hatte sie schlecht geträumt. Schnell zog sie sich ein trockenes T-Shirt an und legte sich wieder hin.

      Es war immer noch unerträglich heiß im Zimmer. Ihre Hoffnung, dass die Luft sich in der Nacht abkühlte, hatte sich nicht erfüllt. Malu zog gerade das dünne Laken über die Schultern (ganz ohne konnte sie trotz Hitze nicht schlafen), als sie ein langgezogenes, schauderhaftes Heulen hörte. Kalt lief es ihr den Rücken herunter. Was zum Teufel war das?

      3. Kapitel

      Stocksteif saß Malu im Bett und lauschte. Und dann hörte sie es wieder – eine Mischung aus Quietschen und Heulen, wie von einem gequälten Tier, weit entfernt, aber doch klar und deutlich. Malu sprang aus dem Bett, mit drei Schritten war sie am Fenster und versuchte auszumachen, woher diese grauenhaften Schreie kamen. Ob etwas mit den Pfer­den war? Wie ein dickes Tau legte sich die Angst um ihre Brust. Doch im nächsten Moment war ihr klar, dass die Geräusche von viel weiter weg kamen, dass sie über den See zu ihr herübergetragen wurden. Die Schreie kamen von der Pferde­insel!

      Malus erster Gedanke war, zu ihrer Mutter zu rennen, aber dann fiel ihr ein, dass Rebekka im Moment gänzlich andere Prioritäten hatte. Edgar! Ihr Bruder hatte die Schreie bestimmt auch gehört.

      Schon stürzte sie auf den Flur und die Treppe hoch in das Zimmer ihres Bruders. Hier war es noch stickiger als bei ihr. Unsanft rüttelte sie Edgar an der Schulter.

      »Wach auf! Los, komm schon!«

      Mühsam öffnete ihr Bruder die Augen und starrte Malu an, als sei sie ein Geist. Aber als sie ihm hastig von den schrecklichen Geräuschen auf der Insel erzählte, war Edgar sofort hellwach und gemeinsam lauschten sie in die Nacht.

      Nichts!

      Die Minuten zogen sich wie Kaugummi.

      Stille. Selbst die Grillen waren hier oben kaum zu hören.

      Schließlich gähnte Edgar laut. »Du hast wahrscheinlich schlecht geträumt, Schwesterchen«, sagte er und ließ sich wieder ins Bett fallen.

      Malu schlang die Arme um ihren Körper. Sie schauderte, als sie an die gruseligen Geräusche dachte. Nein, das hatte sie sich ganz bestimmt nicht eingebildet!

      Edgar war schon wieder im Halbschlaf, als sie leise seine Tür schloss und zurück in ihr Zimmer ging. Aber Malu blieb wach, ihre Gedanken kreisten immerzu um die Frage, was es mit diesem Kreischen auf sich hatte. Hoffentlich war mit den Pferden auf der Insel alles in Ordnung. Sollte sie der Horapez morgen davon erzählen? Andererseits hatte sie doch zwei Angestellte auf der Insel, die sich um die Pfer­de­­herde kümmerten. Die mussten das Heulen ja auch ge­­hört haben. Was aber, wenn die selber etwas damit zu tun hat­­ten? Schließlich fiel Malu doch noch in einen unruhigen Schlaf.

      Der Wecker klingelte am Sonntagmorgen schon um sieben Uhr, denn Malu hatte heute Vormittag Dienst am Empfangstresen. Mühsam quälte sie sich aus dem Bett. Sie fühlte sich nicht gerade ausgeruht, sondern vielmehr als wäre sie einen Marathon gelaufen. Sofort fielen ihr diese schrecklichen Schreie von der Insel wieder ein. Wirklich gruselig! Sie verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis nach Papilopulus, Schneechen und den anderen zu sehen.

      Wenn sie sich beeilte, konnte sie vielleicht noch einen kleinen Abstecher zu ihren Pferden machen, bevor sie die Empfangsdame spielen musste. In Windeseile putzte sie sich die Zähne, zog Jeans und T-Shirt über und flitzte die Treppe herunter.

      Als sie in ihre Wohnküche kam und den kritischen Blick ihrer Mutter sah, war klar, dass irgendetwas nicht stimmte.

      »Du weißt schon, dass du heute Morgen den Empfang übernehmen sollst, oder?«, fragte ihre Mutter. »Ich muss ja gleich weg.« Rebekka hätte die Gäste lieber selbst begrüßt, aber sie hatte Gesine versprochen, sie auf eine Beerdigung zu be­­glei­­ten. So mussten Malu und Edgar heute Vormittag alleine zurecht­kommen.

      »Woher sollte ich das wissen, du hast es mir ja erst zwan­­zig­­­mal gesagt.« Malu griff nach einem Brötchen und schnitt es auf.

      »Aber doch nicht so!« Ihre Mutter betrachtete missbilligend Malus Outfit.

      »Was ist denn an Jeans und T-Shirt auszusetzen? Ich laufe doch immer so rum«, sagte Malu mit einem leicht ge­nervten Unterton. »Oder hast du vielleicht auch noch eine Uniform für mich?!«

      »Keine schlechte Idee«, überlegte Rebekka. »Aber fürs Erste reicht eine saubere Hose und eine Bluse. Die findest du bestimmt noch irgendwo in deinem Schrank.«

      Malu nickte ergeben und biss in ihr Brötchen.

      »Hast du auch diese schrecklichen Geräusche heute Nacht von der Insel gehört?«, fragte sie.

      »Was für Geräusche?« Rebekka schüttelte den Kopf.

      In diesem Moment kam Edgar in die Küche. »Malu hat schlecht geträumt«, sagte er und plumpste vor ihr auf den Stuhl.

      »Kein Wunder bei der Hitze.« Rebekka öffnete die Spül­maschine und begann das saubere Geschirr auszuräumen. »Es hat sich ja kaum abgekühlt heute Nacht.«

      Malu merkte, wie sich ein dicker, heißer Klumpen Wut in ihrem Magen bildete. »Ich habe nicht geträumt! Es war echt gruselig.


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