Funkelsee – Der Ruf der wilden Pferde (Band 4). Ina Krabbe

Funkelsee – Der Ruf der wilden Pferde (Band 4) - Ina Krabbe


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      »Du hast eben keinen Blick für so was«, sagte Lea und steckte ihr Handy wieder ein. Dann sah sie ihre Freundin erwartungsvoll an.

      »Nun sag schon«, lachte Malu. »Du kannst es sowieso nicht länger für dich behalten.«

      »Ok, wenn du es unbedingt wissen willst.« Lea warf ihre Zöpfe nach hinten. »Ich bin nächste Woche zu einem Casting eingeladen für ... halt dich fest«, sie holte tief Luft, »eine Rolle in – Zusammen für alle Zeiten!«

      Malu guckte ihre Freundin ungläubig an. »Du bist was?«

      »Genauer gesagt, habe ich das Casting gewonnen beim Gewinnspiel von der Müslipackung, aber egal. Ich werde die Rolle auf jeden Fall bekommen, es gibt nur zehn Be­­werberinnen. Und dass Danni Morilla hier bei euch wohnt, das ist doch wohl ein Zeichen, oder?«

      »Was genau musst du denn bei diesem Casting machen?«

      Lea verzog das Gesicht. »Das ist der klitzekleine Haken an der Sache. Die Folge soll ja auf dem Gestüt spielen ...« Sie senkte die Stimme. »Ich bin sicher, dass Danni auch deswegen hier ist. Sie will sich ganz in Ruhe hier umgucken, um sich auf ihre Rolle vorzubereiten. Die hat bestimmt noch nie was mit Pferden zu tun gehabt.«

      »Und wen sollst du bei dem Casting spielen?«

      »Pferdepflegerin oder Stallmädchen, so was in der Art«, quetschte Lea hervor.

      Malu grinste nur.

      »Ich hab schon am Telefon damit angegeben, dass ich öfter bei euch ausgeholfen habe.«

      Malu grinste weiter. »Stimmt ja auch ... wenn auch nicht immer ganz freiwillig.«

      »Na ja, du musst mir eben ein bisschen helfen. Ich muss die Rolle einfach haben! Schauspielerin, das ist echt mein absoluter Traumberuf.«

      »Seit wann?«, lachte Malu und bekam prompt das Stuhl­­­kissen an den Kopf.

      »Als Freundin musst du meine Wünsche und Träume ernst nehmen«, sagte Lea hoheitsvoll.

      »Tu ich ja.« Malu wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augenwinkeln.

      »Du musst mit mir üben. Am Freitag ist das Casting.«

      »In fünf Tagen schon?« Malu stöhnte. Ob das reichen würde, um aus Lea eine pferdeverrückte Schauspielerin zu machen?

      Während Lea in der Wohnung blieb, um ihren Text auswendig zu lernen, holte Malu Schneechen von der Weide. Darauf hatte sie sich schon den ganzen Vormittag gefreut: Sie wollte auf die andere Seite des Sees reiten, vielleicht konnte sie von dort mit dem Fernglas einen Blick auf die Araberherde werfen. Das konnte ihr ja wohl keiner verbieten!

      Edgar hatte leider keine Zeit, er war noch damit beschäftigt die Ställe der drei Gastpferde auszumisten. Malu hatte aber das Gefühl, dass der eigentliche Grund war, dass er so viel Zeit wie möglich in der Nähe der schwarzen Araberstute verbringen wollte. Egal, dann würde sie eben alleine reiten.

      Sie band Schneechen am Sattelplatz auf dem Schlosshof fest und holte die Putzsachen.

      »Du bist echt ein Ferkel«, schimpfte sie liebevoll mit der Schimmelstute, die voller Dreck war. Sie war eine ganze Zeit mit Striegeln beschäftigt, bis Schneechen wieder einigermaßen sauber war. Dann cremte sie noch die leere Augenhöhle mit Dr. Wellhorns Spezialsalbe ein.

      »Was is’n mit der passiert?«

      Malu drehte sich um. Hinter ihr stand Vincent, auf eine Mistgabel gestützt, der Schneechen fasziniert betrachtete.

      »Sie hatte einen Unfall«, erklärte Malu knapp, dabei wusste sie selbst nicht genau, wie die Stute ihr Auge verloren hatte. Sie musste schmunzeln, als sie an ihr erstes Zusammentreffen mit Schneechen dachte. Damals hatte sie die Schimmelstute für ein Geisterpferd gehalten, so gruselig hatte sie im Nebel ausgesehen. Edgar zog sie heute noch damit auf.

      Ein Pfiff gellte über den Platz, sodass alle drei herumfuhren. Kalle.

      »Haste nix zu tun, Vinc?«, rief er.

      Sein Sohn schnaufte unwillig und schlurfte dann zum Stall hinüber. Jeder Schritt verkündete seinen Widerwillen. Malu fragte sich, womit sein Vater ihn wohl gezwungen hatte, diesen Ferienjob zu übernehmen. Freiwillig war der unter Garantie nicht hier!

      Gerade bog Malu in die Tür zur Sattelkammer, als sie fast mit Lenka zusammengestoßen wäre. Ihre Großcousine machte einen gehetzten Eindruck und sah Malu hilfesuchend an (ein sehr ungewohnter Anblick!). Doch gerade diese Stallgasse weckte unangenehme Erinnerungen in Malu, hier war sie das erste Mal mit Lenka aneinandergera­ten. Sie wollte ihr Papilopulus wegnehmen und hatte den armen Wallach sogar mit der Peitsche geschlagen. Malu wurde immer noch ganz heiß, wenn sie daran dachte! Nein, das konnte sie ihr nicht verzeihen, auch wenn Lea und Edgar der Meinung waren, dass Lenka sich geändert hatte.

      Arno von Funkelfeld, Lenkas Vater, stürmte hinter seiner Tochter aus der Sattelkammer und stoppte vor den beiden Mädchen.

      »Oh, hallo Malu«, keuchte er und an seine Tochter gewandt fuhr er fort: »Jetzt hör doch mal zu, Lenka. Du musst heute Nachmittag hier sein, schießlich ist es –«

      »Ich hab Malu aber versprochen, mit ihr auszureiten«, unterbrach Lenka ihren Vater. Wieder dieser flehende Blick, den Lenka ihr zuwarf. In Malu kämpften die unterschiedlichsten Gefühle, aber schließlich merkte sie, wie sie lang­sam nickte. (Die Neugier hatte gesiegt!)

      »Wir müssen auch noch was Dringendes erledigen«, sagte Lenka jetzt bestimmter. »Wenn ich wieder da bin, komme ich sofort nach Hause.«

      Ihr Vater seufzte und nickte dann widerstrebend. »Ok, aber beeilt euch.«

      »Wenn ich Glück hab, ist sie dann schon weg«, murmelte Lenka, aber so, dass ihr Vater es nicht mehr hören konnte. Der war schon auf dem Weg zum alten Portiershaus, in dem er mit seiner Tochter seit einiger Zeit wohnte. Lenkas Mutter kannte Malu gar nicht, die war vor über einem Jahr nach Spanien gezogen. Letzten Herbst war Lenka für ein paar Wochen dort gewesen, aber scheinbar hatten sich die beiden nicht sonderlich gut verstanden. Ihre Großcousine war zurück nach Schloss Funkelfeld gekommen (nicht gerade ein Anlass zur Freude!) und seitdem war sie nicht mehr ganz so zickig, das musste sogar Malu zugeben.

      »Ich frag Edgar, ob ich Rocko nehmen darf.« Lenka flitzte in den Stall zurück, bevor Malu noch etwas sagen konnte.

      Jetzt erst wurde ihr klar, was sie sich mit ihrem Nicken eingebrockt hatte: Lenka würde mit auf den Ausritt kommen. (Wie doof war sie eigentlich?!)

      Missmutig holte Malu Sattel und Zaumzeug und ging damit zu Schneechen zurück. Sie könnte ja einfach schon mal losreiten, aber das kam ihr dann doch zu gemein vor. Also hockte sie sich auf den Zaun und streichelte Schnee­chen, während sie warteten.

      Wenig später hielt Lenka auf Rocko neben der Schimmel­stute. »Wohin reiten wir denn?«

      »Ich dachte, du wüsstest das, schließlich haben wir doch was Dringendes zu erledigen«, grinste Malu, während sie aufsaß. (Oh Gott, sie hatte wirklich ihre Cousine angegrinst!)

      Lenka grinste zurück. »Stimmt, hab aber ganz vergessen, was es war.«

      Malu tastete noch mal nach dem Fernglas in der kleinen Satteltasche. Alles da, auch eine Flasche Wasser war mit dabei. Die würde sie auf jeden Fall brauchen, es war schon jetzt unerträglich heiß, obwohl es noch nicht mal Mittag war.

      »Los geht’s.« Malu gab Schneechen das Zeichen zum Aufbruch. Sie überlegte, ob sie Lenka fragen sollte, warum sie gerade unbedingt weg von zuhause wollte. Hatte Arno vielleicht eine neue Freundin, die Lenka nicht mochte? Aber irgendwie konnte sie sich nicht dazu überwinden, sie hatte mit Lenka noch nie über etwas Persönliches gesprochen. Vielleicht würde sie es ja beim Ausritt von selbst erzählen.

      Die Mädchen überquerten die Schlossbrücke und bogen ein Stück weiter in den Waldweg ein, der um den Funkelsee herumführte. Diesen Weg kannte Schneechen nur allzu gut, denn hier ging es zu ihrem ehemaligen Zuhause, dem Hof vom alten Stumpe. Von dort war die Insel nicht weit entfernt und wenn Malu Glück


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