Funkelsee – Der Ruf der wilden Pferde (Band 4). Ina Krabbe

Funkelsee – Der Ruf der wilden Pferde (Band 4) - Ina Krabbe


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Gefallen damit tat, wenn sie ihr Pferd weiter vor sich herjagte und hatte den Motor abgestellt. Jetzt zog sie Kopftuch und Sonnenbrille ab, strich sich ihre schwarzen Haare aus dem Gesicht und nahm dem Mann auf dem Beifahrersitz das Halfter aus der Hand.

      Malu ließ Schneechen anhalten und beobachtete die Frau, während sie aus dem Auto stieg. Sie war vielleicht etwas jünger als ihre Mutter und machte einen sportlichen, aber trotzdem ziemlich eleganten Eindruck. Der karamellfarbene Hosenanzug saß wie angegossen und die goldenen Ohrringe glänzten mit den Nieten an ihren schwarzen Stiefeln um die Wette. Zielstrebig ging sie auf das nervöse Pferd zu. Ob die wirklich glaubte, dass sie das Tier so einfangen konnte?

      Die Frau schien daran allerdings keinerlei Zweifel zu haben und wusste anscheinend genau, was zu tun war. Sie senkte den Kopf und redete beruhigend auf den Rappen ein, während sie sich ihm seitlich näherte. So schaffte sie es, nah genug an das Pferd heranzukommen. Sekunden später hatte sie ihm das Halfter übergestreift und klopfte dem Tier auf den Hals. Dann warf sie dem Mann im Auto einen triumphierenden Blick zu.

      Malu war hin- und hergerissen zwischen Bewunderung und Ablehnung. Für Edgar schien das keine Frage zu sein. Er trabte auf Rocko heran und seine Augen funkelten vor Begeisterung.

      »Wahnsinn, wie Sie das gemacht haben. Und was für ein wunderschönes Pferd!« Er konnte seine Augen gar nicht von der schwarzen Schönheit lassen. »Gehört das Ihnen?«

      »Oh ja.« Sie drehte sich zum Wagen und schnippte mit den Fingern. »Pedro, bring Dahab zurück.« Dann wandte sie sich wieder Edgar zu. »Danke, dass du ihr den Weg ver­sperrt hast. Nicht auszudenken, wenn sie auf die Straße ge­­raten wäre.«

      Wie um ihre Worte zu unterstreichen, raste ein Lastwagen mit viel zu hoher Geschwindigkeit an ihnen vorbei.

      »Keine Ursache. Hab ich doch gern gemacht.« Edgar sprang vom Pferd. »Ich bin übrigens Edgar von Funkelfeld.«

      »Ah, der junge Schlossherr höchstpersönlich.« Die Frau lächelte und hielt ihm geziert ihre Hand entgegen. »Alba Sofia Horapez. Ich logiere für eine Woche im Reithotel. Und die Araberstute hier heißt Dahab, das bedeutet auf Arabisch Gold.«

      »Ein passender Name«, säuselte Edgar.

      Malu verdrehte die Augen. Sie hatte sich ganz klar dafür entschieden, die Frau nicht leiden zu können, auch wenn die sich noch so gut mit Pferden auskannte. Und wenn ihr Bruder so weitermachte, dann konnte er ihr auch gestohlen bleiben. Ich bin übrigens Edgar von Funkelfeld – Pah, offiziell hieß ihr Bruder immer noch Edgar Buchheim, denn er hatte sich gar nicht umbenannt, nachdem er he­­raus­­gefunden hatte, dass er ein echter Funkelfeld war. Noch dazu war es ihre Idee gewesen, der Stute den Weg ab­­­zu­­schneiden!

      Aber jetzt wusste sie wenigstens, mit wem sie es zu tun hatte. Das war also die Besitzerin der wertvollen Araber­herde, die den Sommer auf der Pferdeinsel verbringen sollte. Wenn die Tiere nur halb so edel aussahen wie diese Dahab, war das bestimmt ein prachtvoller Anblick!

      Der junge Mann hatte das Pferd übernommen und führte die Araberstute, die sich anscheinend in ihr Schicksal gefügt hatte, hinter sich her zum Schloss zurück.

      Malu wendete Schneechen und trat ebenfalls den Rück­weg an. Das konnte ja heiter werden – der erste Gast im Reithotel Funkelfeld und dann gleich so eine eingebildete Tussi. (Hoffentlich war das kein Zeichen!)

      Malu hatte Schneechen gerade die Trense abgenommen, als Edgar mit Rocko am Offenstall eintraf.

      »Was für ein Wahnsinnspferd!« Mit einem Satz sprang er ab. »Was würde ich dafür geben, wenn ich so eins hätte.«

      »Halt dir die Ohren zu, Rocko«, sagte Malu an den Schimmel gewandt.

      Edgar lachte und gab Rocko einen Klaps aufs Hinterteil, als Zeichen dafür, dass er gehen konnte. »Nichts für ungut, mein Alter.«

      »Wusstest du, dass heute schon jemand anreist?«, fragte Malu ihren Bruder.

      »Nö.« Edgar wusch das Mundstück im Wassereimer aus und hängte die Trense zurück an den Haken. »Aber so einen edlen Gast beherbergen wir doch gerne, oder?« Grinsend verschwand er Richtung Schloss.

      Malu hoffte nur, dass er von dem Pferd gesprochen hatte und nicht von dieser überkandidelten Tante.

      Als sie kurze Zeit später auf den Schlossplatz kam, hievte Edgar gerade zwei riesige Koffer aus dem roten Cabrio. Dahinter stand ein ebenso roter Pferdeanhänger mit herun­tergelassener Klappe. Darin war wohl die edle Dahab transportiert worden. Das Pferd hatte Pedro inzwischen in den Stall gebracht, der den Gastpferden zur Verfügung stand.

      Alba Sofia Horapez stand neben dem Auto und war mit Gesine und Rebekka in ein Gespräch vertieft. Malu verspürte nicht die geringste Lust sich dazuzugesellen. Am besten würde sie heimlich in ihr Zimmer verschwinden und nachsehen, ob CharlyBee online war. Da konnte sie direkt die ganze Geschichte mit der schwarzen Araberstute und der komischen Besitzerin zum Besten geben. Oder sie würde mal hören, was Lea machte, aber der brauchte sie mit ihren Pferdegeschichten gar nicht erst zu kommen. Auch wenn sie wirklich allerbeste Freundinnen waren, wenn es um Pferde ging, konnten sie nicht unterschiedlicher sein. Während es für Malu nichts Schöneres gab, waren Lea diese riesigen, sabbelnden Tiere einfach nicht geheuer. Einzig Vanille, das kleine weiße Pony, hatte sie (Wenn das bei Lea und Pferden überhaupt ging!) ins Herz geschlossen.

      Das war mit CharlyBee einfach anders, die war genauso pferdeverrückt wie Malu und mit ihr konnte sie sich stundenlang über nichts anderes unterhalten. (Jedenfalls so lange, bis Rebekka den Laptop einkassierte )

      Aber Malu kam gar nicht bis zur Haustür, denn auf halber Strecke traf sie auf Kalle. An seiner Seite stiefelte ein schlaksiger Junge, ungefähr im gleichen Alter wie Edgar. Die Hände hatte er in den Hosentaschen seiner schlabbrigen grauen Jogginghose vergraben und ein verwaschenes grünes T-Shirt, das mal einen Aufdruck besessen hatte, den man aber nicht mehr entziffern konnte, hing an ihm herunter. Seine halblangen schwarzen Haare fielen ihm so ins Gesicht, dass Malu sich fragte, ob er überhaupt sehen konnte, wohin er ging.

      »He, Malu. Schön, dat ick dir treffe. Det is der Vincent.« Kalle deutete auf den Jungen neben sich, der aber weder Anstalten machte zu grüßen noch Malu überhaupt anzugucken. Verdrossen starrte er auf die Kieselsteine, mit denen der Schlossplatz ausgelegt war.

      »Er is jestern Abend anjekommen und hat schon mal ’nen bisschen Stallluft jeschnuppert, wa Vinc.« Er klopfte seinem Sohn auf die Schulter. Immer noch keine Regung.

      Kalles Sohn Vincent sollte während der Sommerferien im Reitstall arbeiten, denn mit den Pferden der Gäste würde es einiges mehr zu tun geben.

      Malu musterte den Jungen skeptisch. Der sah nicht gerade danach aus, als ob er sich freuen würde, seine Ferien mit Stallarbeit zu verbringen. Irgendwie hatte sie sich Kalles Sohn ganz anders vorgestellt. Kalle selbst war offen, nett und eigentlich immer gut drauf, außerdem aß er gerne und das sah man auch. Vincent schien das komplette Gegenteil von seinem Vater zu sein. Na ja, sie würde hoffentlich nicht allzu viel mit ihm zu tun haben. Sollte Edgar sich um den unfreundlichen Kerl kümmern. Oder ihre Mutter, die hatte ja auch zugestimmt, dass Vincent den Ferienjob bekam, ohne ihn mal einen Tag lang Probe arbeiten zu lassen. Selber schuld.

      Malu wollte sich gerade verdrücken, da schob Kalle sie zur Schlosstreppe weiter. »Rebekka meint, et jibt in der Küche ’nen Problemchen wegen Ratten«, erklärte er auf dem Weg. »Det wolln wir uns ma ankiecke, wa.«

      Malu nickte seufzend und führte Kalle in die Speise­kammer hinter der Küche, Vincent folgte ihnen mit ein paar Metern Abstand. Es hatte sich noch niemand erbarmt und die rote Glassplitterpampe weggewischt. Das würde natür­­lich an ihr hängen bleiben!

      Kalle inspizierte die Abstellbretter, lugte unter die Regale und in die hintersten Ecken. Aber nirgendwo in dem kleinen Raum gab es Spuren von Ratten, weder angefressene Tüten noch Köttel auf dem Boden.

      »Det war wohl doch eher der Schlossjeist, wa«, grinste Kalle. »Keene Ratte weit und breit.«

      Rebekka würde erleichtert sein, dachte Malu. Eine Sorge weniger.

      Malu


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