Er ging voraus nach Lhasa. Nicholas Mailänder

Er ging voraus nach Lhasa - Nicholas Mailänder


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– ebenfalls den Erwerb zweier Naturfreundehäuser angeboten. Sowohl aus „rechtlichen als auch aus wirtschaftlichen Erwägungen“ lehnte der Beirat der Sektion das amtliche Ersuchen jedoch „vorerst“ ab.24

      Aufgrund ihres Engagements beim Aufbau der nationalsozialistischen Herrschaftsstrukturen konnten weder Paul Bauer noch seine Getreuen die Zeit für einen weiteren Versuch an einem Achttausender erübrigen. Dagegen wussten ihre Konkurrenten um Willy Merkl und Willo Welzenbach den neuen Wind im Land geschickt für ihre bergsteigerischen Zwecke zu nutzen.

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      Abschied von Alfred Drexel auf dem Münchner Hauptbahnhof – für immer.

      Von den sieben Sherpas und fünf „Sahibs“, die sich am 6. Juli 1934 im Lager 8 in die Startlöcher für den Gipfelsturm begeben hatten, überlebten nur Aschenbrenner, Schneider und der Sherpa Ang Tshering den fürchterlichen Wettersturz. Der Sherpa Gay-Lay hätte sich vielleicht retten können, zog es aber vor, bei seinem Bara-Sahib Willy Merkl auszuharren. Dem Expeditionsmitglied Fritz Bechtold blieb nichts anderes übrig, als die Überlebenden der gescheiterten Expedition in die Heimat zurückzuführen. Die drei am Nordgrat des Nanga Parbat verstorbenen Bergsteiger – Opfer einer Kombination von fehlerhafter Expeditionsplanung und Wetterpech – wurden von der Presse in Deutschland zu Nationalhelden hochstilisiert, die zur Ehre des Vaterlands gefallen seien.

      Es kann als Politikum gewertet werden, dass Paul Bauer als leitender Funktionär des für den Bergsport zuständigen Fachamtes gegenüber seinem obersten Dienstherrn heftige Kritik an der desaströsen Nanga-Parbat-Expedition übte. Die Vorwürfe richteten sich allerdings nicht gegen die unglückselige Strategie des unfähigen Expeditionsleiters Willy Merkl, sondern gegen Mitglieder der Expedition, die nicht verantwortlich waren für die Katastrophe:

      „Es ist nun hier noch hinzuzufügen, daß ich gegen die NPE [Nanga Parbat-Expedition] von vorne herein schwerwiegende sachliche Bedenken hatte. Zwischen Welzenbach und mir haben seit langem im AAVM sachliche Meinungsverschiedenheiten bestanden. Welzenbach war der Mann, dem in erster Linie der alpine Erfolg etwas galt, während mir der Weg und die Art und Weise des Bergsteigens mehr zu sein dünken. Welzenbach war der Mann, der Rekorde anstrebte, der Mann, der sich als Bergsteigerkanone fühlte und diese Position systematisch angestrebt und ausgebaut hat. Demgegenüber vertrat ich eine ganz andere Anschauung und diese Anschauung ist im AAVM, dem wir beide angehörten, der Welzenbach’schen Art des Bergsteigens gegenüber siegreich geblieben. Dazu kommt noch, dass ich von jeher als alter Soldat mich fühlte, im AAVM konsequent einen nationalen und nationalsozialistischen Kurs verfolgte. Für uns war Adolf Hitler bereits 1923 der Mann, den wir nicht antasten ließen. Welzenbach hingegen gehörte der Bayer. Volkspartei an und stand mit einigen wenigen seiner Art in Opposition dagegen, die zwar mit ihren eigentlichen Gründen nie herausrückte, da sie im AAVM keinen Boden gefunden hätte, die aber auch zielsicher und verbissen war, wie unsere Einstellung. […]

      Auch Willy Merkl, Erwin Schneider und der mit ihm befreundete württembergische Spitzenbergsteiger Hermann Hoerlin bleiben in Paul Bauers Schreiben an den mächtigsten Mann im deutschen Sport nicht unerwähnt:

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      Willi Bernard, Erwin Schneider und Peter Aschenbrenner am Nanga Parbat (v. l. n. r.).

      Wenige Tage später setzte eine Kampagne gegen Erwin Schneider ein: Zugesagte Gelder für die Finanzierung einer für 1935 geplanten Expedition zum Nanga Parbat wurden zurückgezogen. Der Alpenverein, den der Tiroler bereits für seine Pläne gewonnen hatte, erhielt die Aufforderung, gegen Schneider und Aschenbrenner ein Ehrengerichtsverfahren einzuleiten. Bauer unterstellte den beiden, sie hätten ihre Expeditionskameraden im Stich gelassen. Die vom Ersten Vorsitzenden Raimund von Klebelsberg durchgeführte Untersuchung entkräftete alle gegen die beiden erhobenen Vorwürfe. Aber Paul Bauers Einschreiten hatte Schneiders Vorbereitungen


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