Er ging voraus nach Lhasa. Nicholas Mailänder
Ihre Zugehörigkeit und Bindung an den D.Oe.A.V. besteht daneben unverändert weiter. […]
Der Aufbau der Fachschaft muss bis Ende November des Jahres abgeschlossen werden, die Sektion wird deshalb ersucht, den beiliegenden Fragebogen bis spätestens 25. November 1933 ausgefüllt an die Geschäftsstelle des DBWV München, Sendlingerstrasse 42, einzusenden.
Mit Berg-Heil! | und Heil Hitler! |
Paul Dinkelacker | Paul Bauer |
Vorsitzender des Verwal- | Führer des Deutschen Berg- |
tungsausschusses des | steiger- und Wanderver- |
D.u.Oe.A.V. | bandes.“5 |
Immerhin: Auf Grund der Zwischenstaatlichkeit des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins und um den Hüttenbesitz in Österreich nicht zu gefährden – war dem Alpenverein als einzigem deutschen Sportverband die Eigengesetzlichkeit zugestanden worden; Eingriffe in das Gesamtgefüge unterblieben vorerst – bis 1938.
Allerdings wurden wichtige Positionen im Alpenverein nach und nach durch linientreue Nationalsozialisten besetzt. Dafür dürfte nicht zuletzt auch Paul Bauer gesorgt haben. So war es bestimmt kein Zufall, dass der Münchner Eugen Allwein im September 1933 in den DAV-Hauptausschuss gewählt wurde. Turnusgemäß übersiedelte in diesem Jahr die Verwaltung des Alpenvereins von Innsbruck nach Stuttgart.6 Paul Bauer stand in keinem guten Verhältnis zu dem schwäbischen Verwaltungsausschuss, zu dessen Mitgliedern auch ausgewiesene Demokraten wie Hermann Hoerlin zählten. Allwein konnte darüber wachen, dass sich die Schwaben nicht allzu weit von der Linie des DBWV entfernten. Zusammen mit Allwein gehörten auch die Bauer-Vertrauten Lutz Pistor und Karl Wien zur Zeit der NS-Herrschaft dem Hauptausschuss des DuÖAV an und vertraten die Interessen ihres „Hauptmanns“ im zweithöchsten Entscheidungsgremium des Alpenvereins.
Auch andere Mitglieder des Freundeskreises von Paul Bauer wirkten bei der Gleichschaltung des deutschen Bergsteigens mit. So veröffentlichte Wilhelm Fendt in den Mitteilungen der Gruppe Bergsteigen7 des DBWV den umfangreichen Beitrag „Dietarbeit8 in den Bergsteigervereinen“, in dem sich der ehemalige Freikorpskämpfer dafür starkmachte, „das völkische Erziehungswesen in der deutschen Bergsteigerbewegung planvoll zur Durchführung zu bringen“.9 Zur Erfüllung dieser Aufgabe sei in jeder bergsteigerischen Gruppierung ein sogenannter Dietwart – eine Art nationalsozialistischer Politkommissar – zu bestellen.
Paul Bauer war bis 1938 der ranghöchste nationalsozialistische Sportfunktionär.
Die leitenden Prinzipien der weltanschaulichen Schulung seien – so Fendt – „Rassenreinheit“, „Volkseinheit“ und „Geistesfreiheit“. Der Autor sah es als die „erste und heiligste Pflicht“ der Bergsteigervereine an, „[…] alle und jedes Mittel zu suchen und anzuwenden, um der Vermischung des deutschen Volkes mit fremdstämmigem Blut Einhalt zu gebieten“. Besonders eindringlich glaubte Fendt hier vor den Juden warnen zu müssen: „Wir ließen uns von der Gleichheit der Hautfarbe über die Fremdstämmigkeit hinwegtäuschen und viele Volksgenossen haben sich mit unserem Gastvolk vermischt und haben einen zersetzenden Zeitgeist in das deutsche Volk hineingetragen. […]“10 Zur Herstellung von „Volkseinheit“ hätten die Dietwarte „[…] die zur Zeit besonders dringliche große Aufgabe, die Verbundenheit mit den deutschen Bergsteigern und Bergfreunden in Oesterreich zu pflegen und Verständnis für ihren Kampf und ihr Schicksal zu verbreiten“.11 Die „Geistesfreiheit“ der Deutschen sah Fendt einer besonders heimtückischen Gefahr ausgesetzt: „Hier müssen wir uns darüber klar werden, dass die Beeinflussung der Presse und Publizistik, von Theater und Film durch Judentum und Freimaurerei zu einer planvollen Aushöhlung und Irreführung arteigenen Wesens und einem weltbürgerlichen Phantom geführt hat. […]“12 Es dürfte nicht am mangelnden Glauben des Nationalsozialisten Wilhelm Fendt13 an die Bedeutung seiner Mission gelegen haben, dass das Dietwesen im Alpenverein kaum Fuß fassen und sich schon gar nicht durchsetzen konnte.
Ein weiterer überzeugter Nationalsozialist aus den Reihen des AAVM war der Kantsch-Veteran Karl „Kai“ von Kraus. Heinz Tillmann berichtete, dass ihn politische Unbotmäßigkeiten in seinem Umfeld zur Drohung veranlassten, „Ich bring“ Sie (oder dich) nach Dachau!“14 Kraus war Generalarzt des Roten Kreuzes. Als er in dieser Eigenschaft einmal mit einem schweren Wagen à la Maybach beim AAVM vorfuhr, soll er von seinen Kameraden schallend ausgelacht worden sein.15 Eine der berühmten Kneipzeitungen des AAVM enthält folgenden auf „Kai“ von Kraus gemünzten Spottvers:
„Politik ist jetzt sei Leibspeis,
Rabiat wird er ganz geschwind,
Und er droht dir gleich mit Dachau,
Wenn er was nicht schicklich find.“16
Auch der zu verbandspolitischen und anderweitigen Ehren gelangte Eugen Allwein bekam sein Fett ab: „Leidgeprüft und als ein Wissender meistert er jetzt die Welt: Unser Alisi, V. in der S.H. des DÖAV, Mitglied im VWA und M. des AAVM, zugleich J.J.A. und D. in der Gem. Haidh., H.V.B. des RBL.“17 Es ist bemerkenswert, dass Paul Bauer, einst regelmäßig beißendem Spott ausgesetzt, nach 1933 geschont wurde.
Hinweise auf Peter Aufschnaiter sucht man in den AAVM-Kneipzeitungen zwischen 1933 und 1935 vergeblich. Laut dem 1933 veröffentlichten Jahresbericht des AAVM lebte Aufschnaiter im Herbst des Jahres in München.18 Am 22. April 1933 war der Diplomlandwirt in St. Johann in Tirol der NSDAP beigetreten und wurde unter der Mitgliedsnummer 1605636 geführt.19 Ein Foto aus dieser Zeit zeigt ihn, einer damals in Süddeutschland und Österreich weit verbreiteten Mode entsprechend, mit kleinem Schnauzbart und Rechtsscheitel. Während seine besten Freunde in wichtigen Positionen am Aufbau des „Dritten Reiches“ mitwirkten, zog sich Peter Aufschnaiter in den Jahren 1933 bis 1935 aus unbekannten Gründen in die Heimatgemeinde seiner Mutter, St. Johann in Tirol, zurück.
Vor allem dem politisch zuverlässigen und hocheffizienten Paul Bauer wurden von den neuen Machthabern anspruchsvolle Aufgaben anvertraut. Nachdem alle deutschen Alpenvereinssektionen dem Deutschen Bergsteiger- und Wanderverband bis Ende 1933 beigetreten waren, machte sich Verbandsführer Bauer an die Eingliederung der Mitglieder des traditionell sozialdemokratischen Touristenvereins „Die Naturfreunde“ in das neu entstandene Zwangssystem des deutschen Sports. Zwar hatte die TVDN-Reichsleitung unter Xaver Steinberger versucht, den Arbeiterverein als gleichgeschalteten Verband zu erhalten, obwohl seine Tätigkeit kurz nach der Machtübernahme verboten und das Vereinsvermögen eingezogen worden war. Als eine gründliche Ausforschung der TVDN-Ortsgruppen durch die Gestapo ergeben hatte, dass sich die Basis der Naturfreunde wesentlich weniger anpassungsfähig zeigte als die Vorstandsetage, wurde der Verband am 28. Februar 1934 offiziell aufgelöst. Seine Mitglieder kamen zum Teil in Alpenvereinssektionen unter, meist aber in lokalen Wandervereinen, die den Genossen eher die Freiheit ließen, ihr Naturerleben gemäß den althergebrachten Naturfreunde-Traditionen zu gestalten.20
Um die „Abwicklung“ ihres Verbandsvermögens zu bewerkstelligen, wurde Notar Bauer am 28. April 1934 zum Reichstreuhänder für den Touristenverein „Die Naturfreunde“ ernannt. Der DuÖAV-Hauptverein hatte deutlich gemacht, dass er mit dieser Angelegenheit nichts zu tun haben wollte, und beschränkte sich auf die Empfehlung an seine Sektionen, den Eintritt ehemaliger Naturfreunde so weit wie möglich zu erleichtern.21 Unter den Münchner Alpenvereinssektionen zeigte nur die Sektion Hochland für den Immobilienbestand der Naturfreunde Interesse: Im Sommer 1934 übernahm sie „pachtweise“ die Wimbachgrieshütte. Die meisten Naturfreundehäuser wurden dem Jugendherbergswerk übertragen, andere als Schulungsstätten