Eine Leiche zum Tee - Mord in der Bibliothek. Alexandra Fischer-Hunold

Eine Leiche zum Tee - Mord in der Bibliothek - Alexandra Fischer-Hunold


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Poppy das eigentlich für besonders cool, wenn sie mit gespreizten Fingern die Worte in ihre Bestandteile zerpflückte? Poppy war schön wie ein Filmstar und genauso führte sie sich auch auf. Wie in einer Haarshampoo-Werbung schleuderte sie ihre langen schwarzen Pferdehaare in einer gekonnten Bewegung über die Schulter, bevor sie ihre großen Scheinwerferaugen auf mich richtete und kicherte: »Wenn unsere Amy hier weiter so im Dreck anderer Leute wühlt wie die Trüf-fel-schwei-ne, dann wird sie noch zu einer richtigen Be-rühmt-heit werden und wer weiß … vielleicht wird sie dann auch eines Tages bei einer Ehemaligenwoche ihre tri-um-pha-le Rück-kehr an die Bilton feiern und als le-ben-dig gewordene Miss Marple ihren Ruhm genießen. Darauf wetten würde ich allerdings nicht! Schließlich findet ein blindes Huhn sel-ten mehrmals ein Korn.«

      Das war wieder mal so typisch Poppy! Als Tante Clarissa und ich anfingen, im Fall Rubinia Redcliff zu ermitteln, war das von meiner Seite aus alles andere als freiwillig und mir ging es bestimmt nicht um Ruhm. Ganz im Gegenteil! Ich hätte alles dafür gegeben, hätte ich mich da fein raushalten können. Es gab aber nun mal Gründe, hauptsächlich einen namens Finn. Seinetwegen habe ich mich da eingemischt und nicht, weil ich zur Dorfberühmtheit von Ashford-on-Sea aufsteigen wollte. Doch genau das war passiert.

      Okay, ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich nicht stolz bin und dass ich es mittlerweile nicht cool finde, wenn die Leute mich für eine jugendliche Version von Miss Marple halten. (Oh Gott, ich bin doch wohl keine Schrulle, oder? Das muss ich Willow fragen!) Aber ich brauche das nicht. Ganz im Gegensatz zu Poppy, die gerne im Rampenlicht steht. Hübsch und wahnsinnig gut in der Schule, wie sie ist. All das bin ich leider so gar nicht. Trotzdem hat sie mich als Konkurrenz eingestuft und weil die Detektivarbeit das einzige Feld ist, auf dem sie mich nicht schlagen kann, hat sie beschlossen, wo sie es nur kann, sich darüber lustig zu machen. Und Willow fällt für Poppy ganz offensichtlich unter die Kategorie Sippenhaftung.

      Aber nicht nur Poppy fieberte der Ehemaligenwoche entgegen, die ganze Schule war erfüllt von einer flirrenden Aufregung wie die Luft über schwarzem Asphalt im Hochsommer. Und das lag an den Ehemaligen, die dieses Jahr die Schule besuchen würden, um uns von ihrer Arbeit zu erzählen, Vorträge zu halten oder Workshops zu veranstalten. Einer von ihnen war Luke Portland, ein superbekannter Abgeordneter des Unterhauses, dem man große Chancen auf das Amt des Umweltministers voraussagte. Zumindest behauptete Tante Clarissa das.

      Die Jungs waren alle total scharf auf die Vorträge von Reginald Travers. »Der Typ ist Finanzberater und hat Millionen mit Aktiengeschäften gemacht. Nicht nur für seine Kunden, sondern auch für sich«, erklärte mir Julian Rush aus unserer Klasse mit tellergroßen Augen. »Mann, wenn ich von dem lernen könnte, wie das geht …!«

      Aber das absolute Highlight waren die berühmte Krimiautorin Olivia Hartcastle und ihre Freundin und Regisseurin Maud Wilkins und das Theaterstück, das sie mit einigen Schülern einstudieren würden. Seitdem Tante Clarissa davon wusste, hatte sie vor Aufregung kein Auge mehr zugetan. Olivia Hartcastle kam bei ihr gleich hinter Agatha Christie und P. D. James. Jeden Tag seufzte sie mindestens einmal sehnsüchtig in meine Richtung: »Wie ich dich beneide!«

      Das rief sie mir auch an diesem Donnerstagmorgen hinterher, als ich mich auf mein Rad schwang, um Willow zu treffen und mit ihr zur Schule zu fahren.

      »Heute Abend erzähle ich dir alles, Tante Clarissa. Haarklein! Versprochen!«, rief ich zurück, bevor ich mit Percy im Fahrradkorb um die Ecke von Meredith Dickinsons Buchhandlung flitzte. Natürlich war das Mitbringen von Tieren an der Bilton normalerweise strengstens verboten. Doch weil Percy die Rolle des Detektivspürhundes übernehmen würde, chauffierte ich ihn, während sich seine Ohren im Fahrwind aufrichteten, zu seinem ersten Engagement.

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      Obwohl Willow, Percy und ich pünktlich in den Theatersaal der Schule trudelten, waren die ersten Reihen schon voll besetzt und die anderen füllten sich schnell. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, hatten sich Poppy und ihre nervige, ältere Schwester Virginia die besten Plätze in der ersten Reihe gesichert.

      »Hey, weitergehen!«, beschwerte sich ein Mädchen hinter mir, um mich dann einfach zur Seite zu schieben. Sie konnte nicht anders, denn von hinten quetschte sich ein nicht enden wollender Strom von Schülerinnen und Schülern durch die offen stehende Flügeltür.

      »Los, komm, wir hocken uns schnell hier hin, bevor alles besetzt ist!« Willow zeigte auf zwei freie Plätze in der Mitte des Saals.

      »Die können doch unmöglich alle bei dem Theaterstück mitmachen«, wunderte ich mich, während ich auf den mit rotem Samt bezogenen Klappsitz neben Willow glitt. Percy kroch anstandslos darunter und rollte sich zusammen, um noch ein Ründchen zu schlafen.

      »Nö, aber die sind alle neugierig«, brummelte Willow und tauchte zu ihrem Rucksack ab. Aus der Flut ihrer braunen Lockenpracht drang ein gedämpftes: »Wo ist denn nur der Müsliriegel? Ich habe ihn doch eingepackt!«

      Manchmal kommt Willow mir vor wie die Hobbits mit ihren fünftausend Mahlzeiten am Tag. Willow muss genauso häufig essen und am besten immer was Süßes. Ob Kuchen, Törtchen, Pralinen, Kekse, Müsliriegel oder dampfender Kakao. Manchmal behauptet Willow lachend, dass sie nur wegen des Little Treasures mit mir befreundet sei. Wie schon erwähnt, ist das Little Treasures Tante Clarissas kleiner Tearoom, in dem es auch meine Kuchen- und Tortenkreationen zu kaufen gibt, und natürlich bekommt Willow bei uns einen Freundschaftsrabatt von hundert Prozent. Aber auch wenn Willow jedes Kuchenstück bezahlen müsste, sie würde uns treu bleiben. Denn – und das soll jetzt nicht unbescheiden klingen – unsere Törtchen und Kuchen sind so yummy, dass sie locker mit den Edeltearooms in London mithalten könnten.

      »Auch mal abbeißen?« Willow pustete sich eine gelockte Haarsträhne aus dem Gesicht und hielt mir den Müsliriegel mit der dicken Schokoladenschicht unter die Nase.

      »Nee, danke«, schüttelte ich den Kopf. »Wie kannst du um diese Uhrzeit schon was Süßes essen?« Dass ich mich darüber noch wunderte!

      Willow zuckte mit den Schultern, biss herzhaft in den Müsliriegel und zitierte glückselig: »Chocolate doesn’t ask silly questions. Chocolate understands!«

      Plötzlich brummte es aus meiner Manteltasche. Schnell zog ich mein Handy hervor.

      »Finn?«, schmatzte Willow mit einem blitzschnellen Blick auf mein Display. »Ich fass es nicht! Hast du den Idioten nicht blockiert?« Kurz entschlossen nahm Willow mir das Handy aus der Hand und drückte den Anruf einfach weg. »So, erledigt! Was denkt der eigentlich, wer er ist? Erst bricht er dir das Herz und dann ruft er auch noch mitten in der Unterrichtszeit an? Pffft!«

      Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich das Telefon zurücknahm und wieder in meine Tasche schob. Ich hätte ja schon gerne gewusst, was er gewollt hatte.

      »Lass das!«, zischelte Willow mir von der Seite zu.

      »Was denn?«, schnauzte ich ertappt zurück.

      »Na, diesen verklärt sehnsuchtsvollen Ich-werde-ihn-für-immer-lieben-Blick! Du musst ihn vergessen, auch wenn es schwerfällt.« Aufmunternd stupste sie mich in die Seite. »Hey, auch andere Mütter haben nette Söhne!«

      Ich zwang mich zu einem Lächeln. Ach, Finn, wärst du doch nur hier!

      Ein Räuspern von der Bühne veranlasste uns, nach vorne zu blicken. Es kam von unserem Schuldirektor Mr Richard Plunkett, der Ruhe gebietend die Hände hob und diejenigen, die immer noch quatschten, mit strengem Blick zum Schweigen brachte. Als es endlich so leise war, dass Willow sich nicht mehr traute, das knisternde Stanniolpapier zu berühren, räusperte sich Mr Plunkett ein letztes Mal. »Guten Morgen, ihr Lieben! Ich will gar nicht lange um den heißen Brei herumreden. Wir alle wissen, warum wir heute Morgen hier sind. Nämlich, um unsere diesjährige Ehemaligenwoche mit der Theaterproduktion zu starten. Einen furioseren Start könnte ich mir gar nicht vorstellen, als jetzt die berühmte Krimi-, Film- und Theaterautorin Olivia Hartcastle und die nicht minder berühmte Regisseurin Maud Wilkins ganz herzlich in unserer und ihrer Schule begrüßen zu dürfen!«

      Mr


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