Eine Leiche zum Tee - Mord in der Bibliothek. Alexandra Fischer-Hunold

Eine Leiche zum Tee - Mord in der Bibliothek - Alexandra Fischer-Hunold


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      »Willow ist dann also unsere Souffleuse. Und du …« Ihr Blick schwenkte zu mir.

      »Amy Fern. Ich bin der Hund.« Ich bin der Hund? Was war denn in mich gefahren? Das amüsierte Gelächter hatte ich echt verdient. Aber nicht das hämische Gegacker von Poppy, Lucinda und Virginia, das ich nur allzu deutlich heraushören konnte.

      »Ich meine … Also, ich bin natürlich nicht der Hund. Ich habe ihn nur mitgebracht. Denn Mr Plunkett hat gesagt, dass ein Spürhund für den Detektiv benötigt wird, und er meinte, Percy könnte das übernehmen. Percy ist nämlich schlau und sehr gelehrig.«

      Kaum hatte Percy seinen Namen gehört, kroch er unter meinem Stuhl hervor und wünschte, präsentiert zu werden. Also stand ich auf und ging mit ihm zur Bühne. Hinter mir hörte ich, wie Willow das Stanniolpapier zusammendrückte.

      »Oh, mein Gott, ist der süß!«, riefen Maud und Olivia wie aus einem Mund.

      »Ein Irish Terrier, nicht wahr?«

      »Aber das sieht man doch, Maud! Und was für ein schöner!« Wenn ich die beiden nicht schon von Anfang an so nett gefunden hätte, spätestens jetzt wäre ich von ihnen begeistert gewesen.

      »Das ist mein Percy.«

      »Ein Hund aus Gold. Außen wie innen, oder so ähnlich hat es doch der Abenteuerautor Jack London formuliert«, kramte Maud aus ihrem Gedächtnis hervor.

      »Und der musste es wissen. Er hatte schließlich eine Menge unterschiedlicher Hunde«, ergänzte Olivia.

      Irgendwie waren die beiden wie ein altes Ehepaar.

      »Ja, Percy, dann sollten wir dich jetzt mit deinem Bühnenherrchen bekannt machen.« Olivia schaute sich suchend um und winkte einen Jungen aus der Gruppe der Schauspieler heraus. »Damian oder besser Mr Isaac Davenport, der berühmteste Detektiv Londons.«

      Damian war ausgerechnet der Junge, den Willow mir vorhin gezeigt hatte. Ob ich wollte oder nicht, ich musste schon zugeben, dass der ziemlich süß aussah. Er ging vor Percy in die Knie und streckte ihm die Hand entgegen, damit Percy sie beschnuppern konnte. »Na, Percy, wir beide rocken das hier, oder?«

      Anstelle einer Antwort schleckte Percy ihm die Finger ab und das bedeutete in Percys Sprache: »Ich mag dich. Läuft!«

      »Toller Hund, Amy!«, nickte Damian mir anerkennend zu.

      Poppys Mund stand vor Neid so weit offen wie die Einfahrt zu einer Tiefgarage.

      »Prima, dann wollen wir mal! Erster Akt. Erste Szene. Die Schauspieler bleiben auf der Bühne, bitte. Der Rest … runter mit euch«, rief Maud und klatschte in die Hände.

      Wie sich herausstellte, spielte Poppy die Assistentin von Damian. Sie war gewissermaßen sein weiblicher Watson und bildete sich natürlich eine Menge darauf ein. Immerhin hatte sie damit eine der Hauptrollen ergattert.

      Ich muss gestehen, es tat mir gar nicht leid, dass ihr großer Auftritt durch die Leute vom Bühnenbau verzögert wurde. Die hatten nämlich eine Überraschung für Maud und Olivia vorbereitet. Die deckenhohe Bücherwand, die im Stück ein wichtiger Bestandteil von Lord Willsboroughs Bibliothek sein würde, war schon fertig. Hinter dem Vorhang wartete sie darauf, von Angus mit einem feierlichen »Tatatataaaa!« enthüllt zu werden.

      Natürlich war die Wand aus Spanplatten zusammengezimmert und das edle Holzregal war genauso aufgemalt wie die vielen, vielen Buchrücken, aber es sah wahnsinnig echt aus. Wirklich echt waren sogar die altmodischen Leuchter, die links und rechts und in der Mitte des aufgemalten Regals angeschraubt worden waren. In ihnen steckten künstliche Kerzen mit spitzen Glühbirnen, die gespenstisch flackerten. Jetzt rollte Greg noch einen Orientteppich davor aus und schob einen Ohrensessel aus weinrotem Leder dazu. Als krönender Abschluss fehlte nur noch das kleine Beistelltischchen, das Angus hinter dem Vorhang hervorzauberte und neben dem Sessel platzierte.

      »Fantastisch!«, rief Olivia und legte sich die gefalteten Hände gegen die Lippen. »Kinder, das ist ja profimäßig!!! Wow! Genau so hatte ich es mir vorgestellt.«

      »Und spätestens am Sonntag ist auch der Kamin mit allem Drum und Dran fertig«, verkündete Greg. Der Stolz stand ihm und den anderen vom Bühnenbau buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Und das völlig zurecht. Diese Bibliothek konnte sich sehen lassen!

      »Dann sollten wir jetzt aber wirklich loslegen. Nicht dass die Kulisse für unsere Mordszene fertig ist und die Schauspieler gar nicht wissen, was sie zu tun haben«, entschied Maud.

      »Oh, ja, ich bitte darum, zügig ermordet zu werden, und mit Rücksicht auf meine Knie möchte ich auch nicht häufiger als nötig zu Boden sinken müssen.« Als Olivia unsere überraschten Gesichter sah, erklärte sie: »Falls ihr es noch nicht wisst, ich spiele die Florence und damit die Leiche. Mein Leben lang habe ich mir gewünscht, auch mal das Mordopfer in einem meiner Filme oder Stücke zu geben, und jetzt mache ich es einfach wahr.«

      »Tja, Anthony!« Mit gespielt mitleidig hochgezogenen Augenbrauen betrachtete Maud einen Jungen aus der elf, der ziemlich überrascht aus der Wäsche guckte. »Du hast die Ehre, die berühmte Krimiautorin Olivia Hartcastle ins Jenseits zu befördern.«

      Stundenlang hätte ich Maud, Olivia und den anderen bei der Arbeit zugucken können. Wie Maud zum Beispiel mit kleinen überkreuz angebrachten Klebebandstreifen die genauen Positionen der Schauspieler auf der Bühne markierte. Oder wie Olivia, obwohl Maud lachend meinte, das sei ja wohl ihr Job, Poppy erklärte, wie sie es anstellen musste, laut und deutlich in Richtung Publikum zu sprechen und es trotzdem so aussehen zu lassen, als ob sie Damian, und zwar nur Damian, etwas zuflüsterte. Oder welche unterschiedlichen Stimmungen die Beleuchter durch die Einstellung der Schweinwerfer erreichen konnten. Alles irre interessant!

      Wir hatten kaum angefangen, da war es schon Zeit zum Mittagessen.

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      »Betty O’Donald?« Maud war von ihrem Stuhl aufgesprungen und hatte den Mittagstisch umrundet, um eine elegant gekleidete, zierliche Frau herzlich in die Arme zu schließen. »Meine Güte, Betty! Du hast dich ja total verändert. Wo sind die Stachelhaare, das Hundehalsband und die ganze schwarze Schminke hin?«

      »Der Punklook macht sich nicht so gut in der Richterrobe«, antwortete diese Betty fröhlich mit zartem Stimmchen und strich sich eine blonde Haarsträhne hinter das Ohr. »Irgendwann wird doch jeder mal erwachsen.«

      »Die ist Richterin?«, wisperte mir Willow ungläubig und vielleicht ein Fützelchen zu laut von der Seite ins Ohr. Ich hob überfragt die Schultern.

      Peinlicherweise hatte sie Willows Bemerkung wohl doch mitangehört, warum sonst hätte sie jetzt in unsere Richtung hinzusetzen sollen: »Beurteile niemals ein Buch nach seinem Deckel. Jugendstrafrecht.«

      Jetzt war ich beeindruckt, und das nicht nur von ihrer plötzlich Respekt gebietenden Stimme.

      Olivia schob ihren Stuhl zurück und schüttelte grinsend den Kopf. »Hattest du früher nicht auch eine Ratte? … Doch hattest du!«, fiel ihr wieder ein. »Wie hieß sie noch gleich?«

      »Kleopatra«, kicherte Betty. »An was du dich alles erinnerst! Die hatte ich doch nur zwei Tage lang. Bis unsere Hausmutter mich erwischt und die Ratte ins Tierheim gebracht hat.«

      »Stimmt! Genau«, pflichtete Maud lachend bei. Einen kurzen Moment versanken die drei in ihren Erinnerungen, dann brach Betty das Schweigen.

      »Ich habe mich riesig über euren Anruf gefreut. Nur traurig, dass erst so etwas Schlimmes passieren musste.«

      Etwas Schlimmes? Ich schaute von meinem indischen Curry auf. Olivia und Maud nickten stumm.

      »Reginald und Luke kommen am Montag«, sagte Olivia mit Grabesstimme.

      »Das ist gut«, brummte Betty.

      Es entstand eine lange, unangenehme Pause.

      Dieser Luke … das musste Luke Portland


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