Eine Leiche zum Tee - Mord in der Bibliothek. Alexandra Fischer-Hunold

Eine Leiche zum Tee - Mord in der Bibliothek - Alexandra Fischer-Hunold


Скачать книгу
für guten Kuchen!«

      »Ja, hat sie«, strahlte ich stolz. »Und zwar den besten weit und breit. Er heißt Little Treasures. Die Harbour Road runter und bei der Buchhandlung rechts um die Ecke. Meine Tante kann umwerfend backen. Und ich bin auch nicht ganz so schlecht darin«, setzte ich etwas leiser hinzu.

      »Mir läuft das Wasser im Mund zusammen!«, jubelte Maud.

      »Morgen bringe ich euch einen ganzen Korb voll Scones, Kuchen und Törtchen mit und eine Kanne richtig guten Tee«, versprach ich und spürte, wie meine Wangen vor Aufregung glühten.

      Maud rieb sich begeistert die Hände. »Ich freue mich jetzt schon! Aber für Olivia packst du besser Truthahn- oder Gurkensandwiches ein. Sie ist nicht so für Süßes. Zu viele Kalorien, die sie dann beim Joggen wieder abtrainieren muss!«

      Bei der Erwähnung von Olivias Namen fiel mir der Brief in meiner Manteltasche wieder ein. »Der hier ist für Olivia gekommen«, sagte ich und kramte ihn hervor. »Der Pförtner hat ihn mir gegeben. Scheint dringend zu sein. Weißt du, wo sie ist?«

      »Sie ist mal kurz zur Toilette«, antwortete Maud und pflückte mir den Brief aus der Hand. »Ich gebe ihn ihr später.«

image

      Percy hasst Tierarztbesuche. Ob bei unserem brummigen Tierarzt in St Austell oder seit Neuestem bei Willows Vater. Dabei war der schon bei unserem ersten Besuch, als Percy sich eine Scherbe in die Pfote getreten hatte, superlieb und ganz vorsichtig mit Percy umgegangen. Ich glaube, Percy hat Angst vor Spritzen. Sobald er checkt, wo die Reise hingeht, stemmt er alle vier Pfoten in den Boden, macht sich steif wie ein Brett und zieht in die entgegengesetzte Richtung. Aber wenn die jährliche Impfung fällig ist, führt nun mal kein Weg an der Tierarztpraxis vorbei. Auch wenn Percy mich anschließend hasst und vergisst, mit wie viel Parmesanwürfelchen ich ihn im Wartezimmer bestochen habe.

      Den halben Nachmittag hockten wir bereits in der brechend vollen Praxis von Willows Vater. Der Parmesan war mir längst ausgegangen und Percy hatte sich unter meinen Stuhl verkrochen. Gerade drohte ich an Langeweile zu sterben, als die Tür gegen die Wand schepperte und fünf hechelnde Hunde unsere Dorfmalerin Dorothy Pax ins Wartezimmer zogen.

      »Ihr Lieben, nicht so ungestüm, bitte!«, trällerte sie tapfer, bevor sie sich ächzend auf den freien Stuhl neben mir plumpsen ließ.

      »Ach, Amy«, stöhnte sie und zerrte sich den Schal vom Hals. »Ich befürchte, das wird mir bald alles zu anstrengend.«

      »Das kann ich mir nicht vorstellen!«, erwiderte ich und schüttelte entschieden den Kopf. Dorothy meinte ihre Hunde. Aber eine Dorothy Pax ohne Hunde? Nein, die würde es niemals geben. Früher war sie Kunstlehrerin an der Ashford Primary School gewesen. Dort hatten sie und Tante Clarissa sich vor unendlich vielen Jahren kennengelernt. Seither waren sie unzertrennlich. Was für Tante Clarissa das Little Treasures ist, das sind für Dorothy ihre Hunde. Sie rettet sie aus Tötungsstationen in Spanien oder Griechenland, bringt sie nach Ashfordon-Sea, umsorgt sie eine Weile und vermittelt sie dann an liebevolle Menschen.

      Wären wir nicht im Vorraum zur Hundehölle gewesen, hätte Percy sich jetzt von ihr tüchtig durchkraulen lassen. Aber unter den gegebenen Umständen blieb er lieber in Deckung und stupste sie nur einmal kurz zur Begrüßung mit der Nase an.

      »Ich bin völlig erledigt«, setzte Dorothy mit hängenden Schultern an und zog sich die orangefarbene Mütze von ihrem immer grauer werdenden Haar. »Seit fast einer Woche machen mir meine Hunde die Nächte zur Hölle … du glaubst es nicht. Sie veranstalten einen derartigen Radau. Den hättet ihr eigentlich bis zu euch hören müssen.«

      Ich nickte. Hatten wir.

      »Ach, herrjeh. Ich hatte es befürchtet. Es tut mir so was von leid. Aber die Gespenster sind schuld. Sie haben meine armen Hunde völlig wahnsinnig gemacht.«

      »Gespenster?«, fragte ich und zog ungläubig die Augenbrauen hoch. Unter uns … Dorothy kann ziemlich schräg sein und für das schlechte Benehmen ihrer Hunde führt sie manchmal sehr seltsame Erklärungen an.

      »Ja. Genau. Um die Hunde zu beruhigen, bin ich mit ihnen ausgiebigst spazieren gegangen. Und da habe ich sie gesehen.« Dorothy beugte sich zu mir vor. »Du kannst es mir glauben. Tanzende Lichter und schwebende Gespenster. Oben an der alten Kirchenruine im Wald.« Sie fasste sich an die Brust. »Mich hat beinahe der Schlag getroffen!« Nachdenklich setzte sie hinzu: »Eines ist allerdings komisch. Von der Geisterstunde scheinen sie nichts zu halten. Sie kommen und gehen, wann sie wollen. Hauptsache, es ist dunkel.«

      Mit einem kräftigen Windstoß flog in diesem Moment die Tür wieder krachend auf und Meredith Dickinson betrat, in Jacke, Schal und Mütze gehüllt, einen Stoß Bücher unter dem Arm, das Wartezimmer.

      »’tschuldigung!«, rief sie und sperrte den Wind schnell hinter sich aus. »Mir ist die Klinke aus der Hand gerutscht.«

      »Kein Problem, Meredith«, winkte Dorothy großzügig ab. »Meine Hunde und ich haben eben ein viel schlimmeres Getöse veranstaltet.«

      Den Namen Meredith Dickinson habe ich ja schon erwähnt. Ihr gehört die kleine Buchhandlung auf der Ecke, schräg gegenüber vom Little Treasures. Genau wie Tante Clarissa ist sie ein großer Krimifan. Den Werken von Daphne du Maurier, die ganz in der Nähe von Ashford gelebt hat, widmet sie normalerweise ein ganzes Schaufenster. Auch wegen der Touristen, die nur wegen Daphne in unsere Gegend kommen. Seit ein paar Tagen müssen Daphnes Bücher allerdings etwas zusammenrücken, um denen von Olivia Hartcastle Platz zu machen.

      »Sag mal, Meredith, du schläfst doch unter dem Dach. Kannst du von dort die alte Kirchenruine sehen? Sind dir auch die Gespenster aufgefallen?« Erwartungsvoll blinzelte Dorothy ihre Freundin an.

      »Gespenster?«, rief da eine Frau mit einem Katzenkorb auf dem Schoß, bevor Meredith auch nur den Mund geöffnet hatte. »Oben im Wald? Haben Sie die auch bemerkt? Ich dachte schon, ich spinne! Überaus seltsam das Ganze, nicht wahr?«

      »Finde ich nicht«, murmelte Meredith vom Annahmeschalter zu uns herüber. »Hier kommen die bestellten Bücher. Kann ich auch die für Frau Dr. Harris bei Ihnen abgeben oder muss ich extra nach oben in die Praxis steigen?«

      Nur ganz kurz zu Erklärung: Willows Vater ist wie gesagt Tierarzt, ihre Stiefmutter ist Hausärztin. Beide Praxen liegen im selben Haus, nur auf unterschiedlichen Etagen. Und ganz oben wohnt die Familie.

      »Sie können alle Bücher bei mir lassen«, bot die nette Sprechstundenhilfe an und quittierte den Empfang der Bücher auf einem Zettel.

      »Wieso findest du das nicht seltsam?«, bohrte Dorothy nach, als Meredith den Zettel zusammenfaltete und wieder auf den Ausgang zuging.

      »Weil es nicht das erste Mal ist, dass es da oben spukt«, erwiderte sie und schob ihre randlose Brille die Nase rauf. »Vor ungefähr vierzig Jahren sind an der Kirche schon mal Gespenster umgegangen. Sie sind genauso plötzlich verschwunden, wie sie aufgetaucht sind. Wenn deine Gespenster ebenfalls Kettenhemden und so eine Art Kittel getragen haben, dann sind die von damals wohl wiederauferstanden.«

      »Nein, nein.« Dorothy schüttelte entschieden den Kopf. »Die waren weiß und wallend, und zwar von oben bis unten.«

      Das klang in meinen Ohren irgendwie verdächtig nach Bettlaken und Schülerstreichen.

      Meredith lächelte gutmütig. »Sollen sie ruhig spuken. Solange sie mich nicht beim Schlafen stören, denn das übernehmen ja schon deine Hunde.«

      »Hunde sind sehr sensible Wesen …«, feuerte Dorothy eingeschnappt zurück. Auf ihre Hunde ließ sie nichts kommen. »Deshalb sind sie auch für alles Übernatürliche wie zum Beispiel Gespenster sehr empfänglich!«

      »Ach, Dorothy, das war doch nicht böse gemeint«, lenkte Meredith schnell ein. »Alles gut. Es gibt ja Oropax.«

      »Percy?« Willows Vater steckte seinen Kopf aus dem Behandlungszimmer.

      »Okay,


Скачать книгу