GRAHAMS WIDERSTAND (Survivor 3). A.R. Shaw

GRAHAMS WIDERSTAND (Survivor 3) - A.R. Shaw


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traurige Geschichte. Sie wiederholte sich wieder und wieder im ganzen Land. Er wartete geradezu darauf, dass er sich selbst ebenfalls das unvermeidliche Virus einfing. Er hätte es durchaus begrüßt und war sogar in ein paar lokale Bars gegangen, nachdem er sich mit der Arbeit auf der Ranch fast umgebracht hatte, in der Erwartung, das verdammte Ding mit nach Hause zu nehmen. Aber das Virus hatte sich einfach nicht in ihm festgesetzt. Eines Tages war er mit Schnupfen aufgewacht und hatte gedacht: Okay, jetzt geht es los. Aber ein paar Tage später war er so fit wie zuvor. Mit der Zeit stellte er fest, dass er … nun ja, irgendwie enttäuscht war.

      Dutch half seinen Nachbarn und kümmerte sich um ihr Vieh, so gut er konnte. Doch dann starben sie einer nach dem anderen, und eines Tages fiel ihm auf, dass er der Einzige war, der sich noch durch die Stadt bewegte. Er klapperte daraufhin die Viehställe und Weiden der verstorbenen Bauern ab und ließ das gesamte Vieh frei … alle Rinder, Pferde, Esel, Schweine, Schafe, Ziegen und Hühner. Er öffnete einfach die Tore und Gatter und sah zu, wie sie davonliefen. Zunächst zögerten die Tiere, aber dann zerstreuten sie sich schnell. Jetzt waren sie endlich frei und konnten zusammen mit den Maultierhirschen und umherstreunenden Elchherden auf Futtersuche gehen. Schließlich würde sich niemand mehr um sie kümmern, also sah er es als seine Pflicht an, sie gehen zu lassen, bevor sie elendig in ihren Ställen verhungerten. Zumindest hatten sie so anstelle des sicheren Hungertodes die Chance, sich an die wilde Seite des Lebens anzupassen.

      Irgendwann hatte er dann begonnen, den Funk abzuhören. Lange Zeit hatte sich nichts getan, bis es vor ein paar Monaten schließlich losgegangen war. Das Funksignal, das ihm als Erstes aufgefallen war, war über das Hochfrequenzband gesendet worden. Es war eine Übertragung in Morsezeichen gewesen. Das Signal kam noch immer regelmäßig aus dem Nordosten des Bundesstaates Washington herein. Zuerst hatte er es für ein automatisches Signal gehalten, eine Art Funk-Leuchtfeuer, denn die Nachricht wiederholte sich immer wieder, und es war deshalb gut möglich, dass einfach nur niemand mehr übrig war, um es auszuschalten. Dutch war ein bisschen aus der Übung, doch nach einer Weile hatte er es geschafft, die Nachricht zu entziffern. Es war ein Schock für ihn gewesen, als er begriffen hatte, dass es dort draußen noch mehr Überlebende wie ihn gab.

      Er wollte sofort Kontakt aufnehmen, doch dann zögerte er. Jemandem da draußen einfach so zu vertrauen war für ihn keine Option. Also wartete er und ließ sich diese Möglichkeit für einen späteren Zeitpunkt offen. Doch dann begann Dutch plötzlich, Übertragungen ganz anderer Art aufzufangen. Die damit einhergehende allmählich einsickernde Erkenntnis zog ihm den Boden unter den Füßen weg. Er war alles andere als begeistert über die neue Entdeckung. Die Nachricht wurde nämlich in einer Sprache gesendet, die er bislang nur in fernen, vom Krieg zerrissenen Ländern gehört hatte. Ländern, in denen versteckte Bomben lauerten und sogar Frauen und Kinder verdächtig waren, weil auch sie dazu benutzt wurden, dich zu töten.

      Nach ein paar Tagen erhöhter Aktivität hatten die losen Punkte schließlich mehr und mehr Sinn ergeben. War das Ganze etwa ein geplanter Angriff gewesen? Es gab keine andere Schlussfolgerung, die sich noch anbot. Die Verschwörungstheoretiker hatten also tatsächlich die ganze Zeit über recht gehabt. Anfangs war es nur ein Verdacht gewesen, dass es sich hierbei um ein waffenfähiges Virus handelte, doch jetzt war er sich sicher, dass dieser Verdacht auf der Wahrheit beruhte.

      Dutch sprach selten laut auf seiner einsamen Ranch, es sei denn, er sagte etwas zu seinen beiden Hunden, doch als ihm allmählich bewusst wurde, was die Übertragungen bedeuteten, die er die ganze Zeit mitgehört hatte, sagte er in den leeren Raum hinein: »Ihr habt euch wohl nicht getraut, Mann gegen Mann gegen uns zu kämpfen … ihr gottverdammten Feiglinge.«

      Einige Wochen lang verfolgte er die Funksprüche und erkannte dadurch, dass sich die schlimmste seiner Befürchtungen bestätigt hatte: Hier lief gerade eine Invasion der Vereinigten Staaten. Sie hatten bereits mehrere Teams losgeschickt, um die Großstädte zu sichern. Verdammt, sie mussten also schon im Land gewesen sein, bevor die Viruserkrankung überhaupt ausgebrochen war. Schläfer, die sich im Schatten versteckt hatten. Dutch wurde klar, dass sie eine Art Impfstoff haben mussten, denn sonst wären sie dieses Risiko nicht eingegangen.

      Ein paar Wochen später bewegte sich der Feind dann in der Dunkelheit der Nacht nördlich an ihm vorbei. Sie benutzten die Interstate Highways und fuhren in langen, lärmenden Konvois. Alle Gemeinschaften von Überlebenden wurden auf ihrem Weg unbarmherzig abgeschlachtet. Mit einem seiner Pferde unternahm er etliche Aufklärungsausritte und beobachtete sie aus sicherer Entfernung, bevor er den Plan entwarf, sie zu umgehen und die Gruppe im Norden vor ihnen zu warnen. Er durfte es auf keinen Fall riskieren, dass sie einen seiner Funksprüche abfingen, der automatisch seinen Standort verraten würde. Zu Pferd unterwegs zu sein, war die sicherste Alternative. Er musste es nur von Saint Maries nach Coeur d'Alene schaffen.

      Auf einem seiner Aufklärungstrips hatte Dutch in einer dunklen, kalten Frühlingsnacht immer lauter werdende feindliche Stimmen gehört und war kurz darauf Zeuge eines brutalen Mordes geworden. Ein anderer amerikanischer Überlebender, der ebenfalls nicht willens gewesen war, sich den Invasoren zu unterwerfen, hatte letzten Endes um sein Leben gefleht. Der Mann hatte schließlich seine Waffe niedergelegt und seinen Tod akzeptiert. Sie hatten ihn so bestialisch zu Tode geprügelt, wie sie es zu Hause wahrscheinlich nicht einmal mit ihren schlimmsten Kriminellen taten.

      In derselben Nacht war Dutch dann dem rothaarigen Mädchen begegnet. Sie war in eine schwarze Burka gehüllt gewesen. Wie ein aufgeschrecktes Reh war sie in dem dunklen Wald direkt in seine Richtung geflohen, womit sie beinahe seine Position verraten hätte. Als er sie abfing, hatte sie sich erbittert gewehrt. Er hatte ihr Entsetzen und all ihre Blutergüsse gesehen und einen Augenblick lang überlegt, ihr sofort das Genick zu brechen, um sie von ihrem Elend zu erlösen. Es wäre eine barmherzige Tat gewesen, doch stattdessen war sie in seinen Armen zusammengebrochen und hatte ihre angsterfüllten hellgrünen Augen weit aufgerissen, als versuche sie, aus einem Albtraum zu erwachen. Er hatte sie hastig zurück in den Schatten gezogen und im Schutz der Nacht alles darangesetzt, sie davon abzuhalten, auch nur das kleinste Geräusch von sich zu geben, bis die Feinde meilenweit entfernt waren.

      Als er seine Hand von ihrem Mund genommen hatte, hatte sie nicht ein Sterbenswort gesagt – nicht einmal, als er sie nach ihrem Namen gefragt hatte. Sie hatte sich nur fest an seinen Oberkörper geklammert und die Hände zu Fäusten geballt, bis ihr Körper allmählich erschlaffte, während er sie im Schutz der Dunkelheit wegführte.

      Dutch hatte kein Auge zugemacht in dieser Nacht, stattdessen war er damit beschäftigt gewesen, sein Lager zusammenzupacken. Er hatte zuerst seine Habseligkeiten und dann das Mädchen verladen, als gehöre sie mit zu seinen Besitztümern. Danach waren sie zu seiner Ranch in Saint Maries zurückgeritten. Als sie kurz vor Tagesanbruch an seiner Hütte angekommen waren, hatte sie tief und fest geschlafen.

      Er hatte ihren schlaffen, zerbrechlich wirkenden Körper von Gus, dem Lineback-Pferd, das sich jetzt an der Spitze des Gespanns befand, das den Wagen zog, heruntergezogen. Nachdem er sie in seiner Hütte hingelegt hatte, begannen sich die Hunde Elsa und Frank für die Fremde zu interessieren. Sie stupsten mit ihren nassen Nasen in die flammendroten Haare, die über ihr schlafendes Gesicht fielen, bis Dutch schließlich das Handzeichen gab, das die gut ausgebildeten, belgischen Schäferhunde, die wie er beim Militär gedient hatten, zurückpfiff. Sie ließen widerwillig von ihren Nachforschungen ab und bewachten sie danach aufmerksam, während Dutch sich draußen um die anliegenden Aufgaben kümmerte.

      Kurz nach Sonnenaufgang hatte das Mädchen die Augen geöffnet und sich sofort in eine Ecke zurückgezogen, bis sie mit dem Rücken an der Wand saß. Die glänzenden Augenpaare der Hunde versetzten sie offenbar in Angst und Schrecken, obwohl die beiden Hunde ihre Zungen heraushängen ließen, was für angeblich furchterregende Kreaturen ein niedlich-schräges Lächeln ergab.

      Dutch konnte nicht an sich halten und musste kichern, als er die beiden Hunde so sah, die neugierig das merkwürdige Mädchen beobachteten. Als sie sich in seine Richtung drehte, fing er ihren wütenden Blick ein. Einen Blick, der Mord bedeutete, und zwar möglichst kaltblütig.

      »Jetzt mach mal halblang«, sagte Dutch daraufhin mit einem leichten Vorwurf in der Stimme, während er die Hunde mit einer Handbewegung dazu brachte, zur Seite zu gehen und sich hinzulegen. Je weiter sie sich entfernten, desto


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