Der Wächter der goldenen Schale. Alexander Lombardi

Der Wächter der goldenen Schale - Alexander Lombardi


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hatte. Die Nachricht war von Franky:

      Na Kumpel, alles klar? image

      Jaron tippte seine Antwort:

      Nicht wirklich. Hatte Streit mit meiner Mom. image

      O Mann. Worum ging es?

      Ich darf jetzt in die Leistungsklasse beim Kung-Fu, kann aber nicht am nächsten Wettbewerb teilnehmen. Sie sagt, wir haben dafür kein Geld. image

      O nein. Schöner Mist.

      Ja, ich hab ihr blöde Sachen an den Kopf geworfen.

      Passiert. Hast du dich entschuldigt?

      Nein, noch nicht.

      Tu’s gleich. Du wirst dich hinterher besser fühlen. Ich weiß, wovon ich rede. image

      Franky hat recht, dachte Jaron. Ich muss mit Mama reden.

      Als er aus seinem Zimmer trat, konnte er den Fernseher im Wohnzimmer hören. Gerade liefen die Nachrichten. Er spähte um die Ecke: Seine Mutter lag auf dem Sofa und sah immer noch sehr müde aus.

      Sobald sie ihn bemerkte, richtete sie sich auf. »Jaron, bist du aufgewacht?«

      Er nickte und setzte sich zu ihr.

      Sie schaltete das Gerät auf stumm und sah ihn an. »Hast du Hunger? Du hast nach dem Training gar nichts mehr gegessen.«

      »Nein, danke. Geht schon. Mama, es tut mir leid, was ich eben im Auto gesagt habe.«

      Auf ihrem Gesicht erschien ein Lächeln. »Ist schon gut, das ist lieb von dir, Schatz. Danke, dass du dich entschuldigst.«

      Jaron rückte noch etwas dichter an seine Mutter heran.

      Daraufhin legte sie ihre Wolldecke um ihn und er lehnte sich an sie.

      »Ich kann dich ja verstehen und es tut mir sehr leid.« Liebevoll strich sie ihm durch die Haare.

      Es tat Jaron gut, ihre Wärme zu spüren und ihre sanfte Stimme zu hören. Als ihm der Traum wieder einfiel, wurde ihm bewusst, dass die Lücke immer noch schmerzte, die sein Vater hinterlassen hatte. Jaron hatte sich schon oft vorgestellt, wie es wäre, wenn sein Papa ihm bei einem Wettkampf zusehen würde. Wie er ihm zuwinken und ihm auf die Schulter klopfen würde, wenn er einen Pokal gewonnen hatte.

      Manchmal, wenn Jaron alleine war, redete er mit seinem Vater, als würde er neben ihm stehen. Hätte ich doch damals im Auto nicht so einen Ärger gemacht, dann hätte sich Papa nicht umgedreht. Vielleicht wäre dann der Unfall nie passiert, schoss es ihm durch den Kopf.

      »Ich vermisse Papa«, sagte er leise, und eine Träne kullerte seine Wange hinunter.

      »Ach, mein Schatz«, seine Mutter drückte ihn fest an sich, »das darfst du auch, du darfst ihn vermissen. Das tue ich auch. Ich wünschte, er wäre bei uns.«

      Sie schwiegen, doch es war keine unangenehme Stille.

      Irgendwann sagte Angelika: »Ich schaue mal, ob ich das hinkriege mit dem Wettbewerb. Vielleicht fällt mir eine Lösung ein.«

      »Danke«, sagte Jaron müde und lehnte sich zurück.

      So saßen sie eine ganze Weile, während die Bilder stumm über den Bildschirm huschten.

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      Kapitel 3:

      Der Unfall

      Am Starnberger See, Frühjahr 2019

      »Mensch, Mama! Könnt ihr nicht eine andere Lösung finden?« Antonia ärgerte sich und machte keinen Hehl daraus.

      »Nein, können wir nicht«, erwiderte ihre Mutter und griff nach den Jacken der Zwillinge, die an der Garderobe im Flur hingen. »Der Termin bei der Stadt ist wirklich wichtig für uns, und so kurzfristig habe ich keinen anderen Babysitter gefunden.«

      Als Gitti sah, wie ihre Tochter frustriert das Gesicht verzog, fuhr sie ein wenig genervt fort: »Jetzt stell dich nicht so an. Wir sind zwei Stunden weg, das wirst du wohl noch hinkriegen. Ihr geht zusammen zum Spielplatz in Allmannshausen, da können die beiden spielen, und wir holen euch dort ab, wenn wir zurückkommen.«

      »Ich habe mich aber mit den anderen drei verabredet. Wir wollten zu Opa Hans gehen und ihm zum Geburtstag gratulieren.«

      »Das könnt ihr ja später immer noch machen.« Damit schien für Antonias Mutter die Sache erledigt zu sein. Sie drehte sich zu Sina und Lukas, die hinter ihr standen und dem Wortwechsel gespannt gefolgt waren, und streckte ihnen die Jacken hin.

      »O super, der Spielplatz!«, freute sich Sina. »Da waren wir schon lange nicht mehr.«

      Schnell schlüpften sie und ihr Bruder in die Jacken und setzten sich auf die Bank, die im Flur stand, um sich die Schuhe anzuziehen.

      Antonia beobachtete ihre Geschwister stumm, machte aber keinen Versuch, ihnen zu helfen. Sie war immer noch sauer.

      In diesem Moment klopfte es an der Wohnungstür. Antonia öffnete, es war Jaron, der sie abholen wollte, um gemeinsam zum alten Heinrich zu gehen.

      »Ich kann nicht mitkommen«, beschwerte sie sich. »Meine Mutter sagt, ich muss auf Sina und Lukas aufpassen, weil sie und Papa keine Zeit haben.«

      »Weil wir einen Termin haben«, korrigierte Gitti, die Sina und Lukas inzwischen die Mützen auf den Kopf setzte. »Und Antonia soll mit den beiden nur zwei Stunden auf den Spielplatz gehen, mehr nicht.«

      »Okay«, antwortete Jaron lässig, »dann kommen wir doch einfach mit. Emma und Franky haben bestimmt nichts dagegen.«

      »Au ja!«, jubelte Lukas. »Dann können wir alle zusammen Fangen spielen.«

      Jaron musste über den Achtjährigen lachen, auf dessen Gesicht sich ein breites Grinsen zeigte, während seine Schwester vor Freude auf und ab hüpfte.

      Auch Gitti musste lächeln. »Eine nette Idee«, sagte sie.

      »Ich geh schon mal zum alten Heinrich und sage den anderen beiden Bescheid«, meinte Jaron und verschwand im Innenhof der Burg.

      Antonia nahm ihre Geschwister bei der Hand und folgte ihm.

      »Tschüss und viel Spaß!«, rief ihre Mutter ihnen hinterher. »Wir sehen uns dann beim Spielplatz!«

      Beim Zirkuswagen angekommen, trafen die drei Geschwister auf Antonias Freunde, die tatsächlich nichts dagegen hatten, mit auf den Spielplatz zu gehen.

      »Dann kann ich meine Hangelkünste trainieren«, witzelte Franky, während er seinen abgemagerten Arm hochhielt.

      Sina stürzte sich gleich auf Emma, die sie heiß und innig liebte, und ließ ihre Hand nicht mehr los. Emma ließ es geschehen, sie kannte das von ihrer kleinen Stiefschwester.

      Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Spielplatz. Die vier Freunde nahmen ihre Fahrräder mit, da sie, sobald die Zwillinge von Antonias Eltern abgeholt worden waren, noch zu Opa Hans fahren wollten. Lukas setzte sich bei Franky auf den Gepäckträger und ließ sich schieben.

      Der Spielplatz lag am Ortsrand und war erst vor wenigen Jahren renoviert worden. Durch die tollen neuen Spielgeräte war er zum Anziehungspunkt für die Kinder der ganzen Gegend geworden: Es gab eine Nestschaukel, einen Kletterparcours mit Seilen und Netzen sowie eine Sand-und-Wasser-Landschaft, wo aber jetzt, im Frühjahr, noch kein Wasser floss.

      Während


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