Schlaf schön. Andrea Revers

Schlaf schön - Andrea Revers


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hätte ich gerne noch in Dunkelrot in meinem Garten.« Frederike hielt Ausschau nach Samenständen.

      Da hielt Klara einen älteren Mann an. »Mensch, Horst, gut, dass ich dich sehe.«

      Horst schaute sie irritiert von oben herab an. »Du weißt schon, dass ich bei der Trauerfeier für Käthe neben dir gesessen habe?«

      »Ja, schon, aber da habe ich dich noch nicht gebraucht.«

      Horst richtete sich auf. »Du brauchst mich? Ich fühle mich geehrt«, bemerkte er mit leichtem Sarkasmus.

      Frederike betrachtete ihn amüsiert. »Und das ist …?«, fragte sie Klara.

      »Darf ich vorstellen? Horst Blume, Steuerberater a. D. … Horst, das ist meine Nachbarin … also, meine frühere Nachbarin Frederike Suttner«, stellte Klara die beiden einander vor.

      Beide nickten sich zu, dann wandte sich Horst wieder an Klara: »Also, was erfreut dich so an meiner Gegenwart?«

      »Bestimmt nicht das, was du hoffst«, schnauzte Klara.

      Horst grinste. »Schade! Vielleicht später?«

      »Lass gut sein, du bist mir zu alt. Nein, wir haben eine Frage zu Käthe. Weißt du, wie ihr Neffe heißt?«

      »Ich kenne nur den Spitznamen, der kleine Jogi.«

      Frederike mischte sich ein: »Wissen Sie vielleicht, wie Käthe finanziell gestellt war?«

      Horst schaute sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ist das wichtig?«

      »Das weiß ich noch nicht.«

      Er nickte. »Also gut, jetzt kann es ja nicht mehr schaden. Sie hat mich vor einiger Zeit mal um einen steuerlichen Rat gebeten. Daher weiß ich, dass Käthe über einige Immobilien verfügte.«

      Klara machte große Augen. »Wirklich? Das hätte ich jetzt nicht gedacht.«

      Horst lächelte. »Sie war noch eine feine Dame vom alten Schlag. Über Geld spricht man nicht, das hat man.«

      Frederike bedankte sich für die Information und ließ beide im Garten zurück. Immobilien? Das könnte spannend werden.

      Eins hatte die Erfahrung Frederike gelehrt: Die meisten Morde geschahen, wenn die Liebe verloren ging oder Geld ins Spiel kam. Doch war es hier Mord? Frederike spürte dieses innere Jucken – ihr Instinkt sagte ihr, dass die Todesfälle keine natürlichen Ursachen haben konnten. Sie fragte sich, wieso hier noch keine Ermittlungen aufgenommen worden waren. Auf jeden Fall könnte es sich lohnen, der Spur des Geldes zu folgen. Für alle Fälle …

      Zu Hause angekommen, wartete ihr Nachbar Max schon auf sie und übergab ihr ein Paket mit Blumenstützen, das der Paketbote bei ihm abgegeben hatte. Sie kaufte vieles im Internet, denn die Auswahl vor Ort war oft zu bescheiden für ihre noch aus Düsseldorfer Zeiten geprägten Ansprüche. In ihrer Nachbarschaft waren inzwischen fast alle schon im Rentenalter, sodass ihre Päckchen und Pakete stets irgendwo in der Nachbarschaft landeten und kein Paketbote zweimal kommen musste. Man hatte hier viel Zeit. So setzten sich Frederike und Max erst einmal auf die Bank vor dem Haus und plauderten über Gott und die Welt. Max zündete sich genüsslich ein Pfeifchen an und zog die Luft geräuschvoll ein.

      »Du hörst dich an wie Darth Vader«, kommentierte Frederike den Lungenzug. »Ich habe mal gehört, dass man Pfeife nicht auf Lunge raucht.«

      »Mache ich auch gar nicht«, rechtfertigte sich Max, »ich atme immer so!«

      »Dann solltest du mal über ein anderes Laster nachdenken. Das hört sich ja furchtbar an.« Frederike betrachtete ihn aufmerksam. »Geht es dir gut?«

      »Schlechten Leuten geht es immer gut!«, brummelte Max. Er gehörte zu den wenigen Menschen in Frederikes Umfeld, die nicht alle naselang von ihren Krankheiten redeten, was sie sehr erholsam fand.

      »Was treibst du so in letzter Zeit? Du bist viel unterwegs.« Auch wenn Max nicht zu den neugierigen Menschen zählte, war ihm nicht verborgen geblieben, dass sie in den letzten Tagen häufiger als gewöhnlich das Auto aus der Garage geholt hatte.

      »Ach, ich war öfter mal Klara Limes in Hillesheim besuchen.«

      »Klara? Das ist schön. Wie geht es ihr?«, fragte Max interessiert.

      »Wie soll es ihr schon gehen? Sie sitzt im Altersheim und dreht Däumchen. Gesundheitlich und geistig ist sie aber noch richtig gut zurecht.« Frederike reckte sich. »Was machen eigentlich deine Enkel? Ich habe sie schon ewig nicht mehr in meinem Garten gesehen.«

      Max winkte ab. »Die haben jetzt einen E-Scooter bekommen und sind die ganze Zeit hier auf den Feldwegen unterwegs. Da sind wir Alten abgemeldet.«

      »Dürfen die denn schon mit so einem Teil fahren?«

      »Ach, du weißt ja, wie das hier läuft. Auf den Feldwegen interessiert das doch keinen. Früh übt sich …«

      »… wer sich mit achtzehn den Hals brechen will«, vervollständigte Frederike das Sprichwort sarkastisch. »Na, die werden sich schon irgendwann an meinen Kuchen erinnern und wieder auf der Matte stehen.« Sie stand auf. »So, ich hab zu tun.«

      »Überarbeite dich nicht«, spottete Max und blieb noch eine Weile auf der Bank sitzen.

      Als Frederike ins Haus trat, griff sie nach dem Telefon. Auch bei ihrem Gespräch mit Max war ihr Käthe Gilles nicht aus dem Kopf gegangen. Ihre Gedanken kreisten um den Nachlass und um die Rolle des Neffen. Kurz entschlossen wählte sie ihre alte Büronummer.

      »Frau Suttner, das ist ja eine Überraschung«, begrüßte sie ihr junger Ex-Kollege, der inzwischen aber wohl auch schon über fünfzig war.

      »Guten Morgen, Herr Wieland. Es ist schön, dass ich Sie erreiche.« Sie erinnerte sich gerne an den Kollegen, den sie damals eingearbeitet und mit dem sie lange Jahre eng zusammengearbeitet hatte. »Ich bin heute Nachmittag in Düsseldorf unterwegs und wollte fragen, ob Sie Lust hätten, mit mir eine Tasse Kaffee zu trinken?«

      Wieland wirkte zunächst etwas verdutzt, aber durchaus erfreut, und so verabredeten sie sich für sechzehn Uhr im Bazzar Caffè in der Düsseldorf Altstadt.

      Frederike hatte sich früh auf den Weg gemacht und die diversen Staus rund um den Kölner Ring eingeplant, sodass sie schon gegen halb vier im Café eintraf. Es dauerte eine Weile, bis ein Tisch frei wurde. Sie hatte diesen gerade in Beschlag genommen, als auch schon Klaus Wieland eintraf. Nachdem sie sich begrüßt hatten, bestellten beide einen Cappuccino. Frederike beschloss, direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. »Können Sie mir einen Gefallen tun?«

      Wieland lachte. »Ich dachte mir schon, dass Sie nicht nur mit mir über alte Zeiten sprechen wollen. Was liegt an?«

      Frederike zögerte kurz. »Ich bin bei mir in der Eifel auf eine Sache gestoßen, die ich merkwürdig finde.«

      Klaus Wieland wurde hellhörig. »Dann schießen Sie mal los. Wenn Sie etwas merkwürdig finden, steckt auch etwas dahinter. Ich habe noch nie erlebt, dass Ihr Instinkt Sie im Stich gelassen hat.«

      »Und mein Instinkt arbeitet gerade auf Hochtouren. In einem Altersheim bei mir in der Nähe gab es mehrere Todesfälle. Das ist eigentlich nichts Ungewöhnliches. Aber die Häufung verwundert mich. Und dass es anscheinend auch Leute erwischt hat, von denen man dachte, dass die noch hundert werden.«

      »Was vermuten Sie?«

      »Für Vermutungen ist es zu früh. Aber ich möchte sichergehen, dass hier keiner nachhilft.«

      »Wird in der Sache schon ermittelt?«

      »Nein, nicht offiziell. Aber ich habe mitbekommen, dass die letzten Todesfälle in der Pathologie in Gerolstein gelandet sind.«

      »Das ist sehr vernünftig. Die meisten Mediziner schreiben viel zu schnell den Totenschein aus, zumal bei alten Menschen. Ich möchte nicht wissen, wie hoch die Dunkelziffer hier ist.«

      »Genau! So eine Erbtante ist schnell aus dem Weg geräumt, wenn keiner genauer hinschaut.«


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