Was fehlt, wenn uns die Tiere fehlen?. Simone Horstmann

Was fehlt, wenn uns die Tiere fehlen? - Simone Horstmann


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während es endet, nicht endet.27

      Und warum sollte Ähnliches nicht auch für die Tiere gelten? Das Beispiel aus der theologischen Tradition hat bereits darauf verwiesen, dass uns ein Himmel, der mit Ausnahme der Menschen von allem sonstigen Lebendigen wie leergefegt ist, nur noch wenig verheißungsvoll erscheint. Man muss aber nicht – um ein unschönes Wort dafür zu verwenden – „gläubig“ sein, um diesen Gedanken nachvollziehen zu können, schließlich kündet bereits das zunehmende Verschwinden und Aussterben der Tiere von einem ähnlichen Verlustgefühl. Die Frage ist nicht nur, ob wir ohne die Tiere weiterleben wollen – sondern auch, ob wir es überhaupt können. Was Scheffler und Stier verbindet, ist die sicher sehr wahre Einsicht, dass uns stets nur die Lebendigkeit der anderen rettet.

      In das Leben hineinsterben

      Sterben bedeutet, das Andere zu werden: Das Seiende wird Nichtseiendes, die materiellen Körper sowohl der Menschen als auch der Tiere und Pflanzen zersetzen sich zu Humus, der neuem Leben den Weg ebnet. Das, was wir über den Stoffwechsel bereits im Leben und als selbstverständlichen Teil des Lebens kennen, radikalisiert sich im Tod: Wir wechseln den Stoff. Der lebende Körper ist material niemals vollkommen identisch, mit jedem Austauschprozess des Stoffwechsels wird er etwas anderes. Im Tod kommt dieser Prozess in gewisser Hinsicht zu seiner Vollendung.

      Daher kann es auch eine Solidarität aller Wesen geben, die von dieser Kontinuität des Lebendigen zehrt. Der Andere, sei es Mensch oder Tier, ist als anderer eben nicht notwendig ein Feind und zu bekämpfender Gegner. Wir können dem anderen helfen und zugleich uns selbst, wir können das Fremde werden und uns erst so selbst gewinnen. Es gibt den Tod, aber man muss wohl nicht notwendig so vor ihm zurückschrecken, wie Kurtz es tut – erst eine übergeneralisierte Angst vor dem Tod lässt uns böse werden, wenn sie zudem in einer paradoxen, weil niemals vollständig erfolgreichen Absicherung vor dem eigenen Sterben besteht.

      Fülle des Lebens

      Man muss den Tod der Tiere, ihr Sterben nicht „aushalten“: Es geht nicht um die fragwürdige Geste, dem Nichts heroenhaft ins Auge blicken, ihm standhalten zu können, besser zu sein als ein Kurtz. Ich möchte bezweifeln, dass ein heldenhaftes Sich-Ausliefern an das Absurde einen realen Mehrwert produziert. Es wäre vielleicht abzuwägen, ob eine solche Haltung, die den von Reinhold Schneider beschriebenen Glaspanzer voraussetzt, der verbreiteten Ignoranz und dem Wegsehen vorzuziehen wäre. Zu verstehen, dass das Sterben ein Hineinsterben in die Welt bedeuten kann, erlaubt aber eine andere Zugangsweise zum Sterben der Tiere. Der auch theologisch zu verantwortende Versuch, die eigene Lebendigkeit noch in den Dimensionen der Ewigkeit dadurch retten zu wollen, dass anderes Leben dagegen als unbedeutend deklassiert wurde, muss als gescheitert angesehen werden. Die Fülle des Lebens – ein wesentlich schönerer Ausdruck für das, was theologisch meist „Vollendung“ genannt wird – ist nicht um den Preis zu haben, dass sie anderen grundsätzlich aberkannt wird, ganz im Gegenteil. Die großen metaphysischen


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