Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 2 – Familienroman - Michaela Dornberg


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riss sich zusammen, weil in diesem Augenblick Leonie auf sie zugestürmt kam, ihr um den Hals fiel.

      »Mami, warum kommst du denn nicht hinein in dieses wunderschöne Haus? Oh, ich weiß, dass wir hier ganz glücklich sein werden, du und ich …«

      Sie küsste ihre Mutter stürmisch.

      »Du bist die liebste Mami auf der ganzen Welt, weil wir in diesem schönen Haus wohnen dürfen. Komm, ich zeige dir, welches Zimmer ich gern haben möchte, und du hast hoffentlich nichts dagegen.«

      Gerda hatte ihre Tochter noch nie so froh und glücklich gesehen. Es machte Spaß, sie anzuschauen.

      Das musste doch eigentlich reichen, von ihren düsteren Gedanken wegzukommen, von denen sie auf einmal befallen war.

      Gerda wünschte es sich so sehr, doch das ungute Gefühl, das blieb. Sie konnte es sich selbst nicht erklären.

      Diese scheinbare Sicherheit hier, der scheinbare Frieden, das alles war nur oberflächlich. Darunter brodelte ein Vulkan. Und Vulkane hatten es nun einmal an sich, dass sie unberechenbar waren, irgendwann plötzlich ausbrechen konnten. Und sie konnten gnadenlos alles vernichten.

      Gerda war der Jahreszeit entsprechend angezogen, dennoch fröstelte sie.

      »Mami, was ist denn los mit dir?«, erkundigte Leonie sich besorgt. »Ist dir kalt, und freust du dich denn gar nicht?«

      Gerda riss sich zusammen, sie durfte sich vor Leonie nicht so gehen lassen. »Doch, doch, ich freue mich. Ich bin nur ein wenig müde. Es war alles ein bisschen aufregend. Es war ein bisschen viel.« Leonie hakte sich bei ihrer Mutter ein.

      »Das stimmt. Aber du hast gewonnen, du hast das Haus für uns bekommen. Aber so bist du halt. Du kannst kämpfen wie eine Löwin. Ach, Mami, ich bin ja so stolz auf dich, und am allermeisten freue ich mich darüber, dass du meine Mama bist. Du bist die allerliebste Mami auf der ganzen Welt.«

      Dann zerrte Leonie ihre Mutter hinauf in den ersten Stock, um ihr das Zimmer zu zeigen, das sie sich ausgesucht hatte. Es war ein schönes Zimmer, es lag nach hinten hinaus zum Garten hin und hatte sogar einen eigenen kleinen Balkon.

      »Mami, wie findest du es?«, wollte Leonie wissen. »Und darf ich es haben?«

      Die Aufgeregtheit ihrer Tochter machte Gerda bewusst, wie sehr sie in all den Jahren etwas vermisst hatte, was nur ihr gehörte, sonst würde sie ein Zimmer nicht beinahe in Ekstase versetzen.

      Das musste sie als Zeichen nehmen, dass es richtig gewesen war, in den Sonnenwinkel zu kommen. Und was sollte ihnen denn hier schon passieren? Hier kannte niemand sie, und es lag an ihr, was sie über sich und Leonie preisgeben wollte.

      »Ich finde das Zimmer auch sehr schön, und natürlich kannst du es haben. Sieh mal, dazu gehört sogar ein hübsches, kleines Bad. Nur für dich allein. Und ich denke, jetzt sollten wir in das Möbellager fahren, das der Makler mir genannt hat. Auf dem Fußboden kannst du ja wohl nicht schlafen.«

      »Oh ja, Mami, und ich weiß schon, was ich möchte. Ich will ein richtiges Prinzessinnenzimmer.«

      Gerda drückte Leonie fest an sich.

      »Das sollst du auch bekommen«, sagte sie.

      Das war auch so etwas. Leonie hatte noch niemals ein Zimmer gehabt, das ihren Wünschen entsprach. Es waren immer irgendwelche Zimmer gewesen, teil gut, teils schlecht möbliert, aber richtig kindgerecht waren sie alle nicht. Und Leonie hatte niemals gemurrt, sondern es hingenommen.

      Sie musste sich eingestehen, dass sie niemals die Wünsche ihrer Tochter berücksichtigt hatte, und sie konnte sich nicht damit herausreden, dass es nicht zu vermeiden gewesen war. So manches hätte sie anders machen können. Sie war übervorsichtig gewesen, und da waren eigene Wünsche und eigene Bedürfnisse auf der Strecke geblieben.

      Ja, es war an der Zeit, die Vergangenheit loszulassen, die konnte sie hier unmöglich einholen. Nein, hier nicht.

      Gerda spürte, wie sie ruhiger wurde, dann entschloss sie sich, von Zimmer zu Zimmer zu gehen, und Leonie durfte ganz wichtig aufschreiben, was sie alles so brauchten.

      Eines war auf jeden Fall gut, die Küche war eingerichtet, und es gab sogar einen Tisch und vier Stühle, darum mussten sie sich also nicht kümmern.

      Und das Haus hatte noch einen großen Vorteil. Es gab überall sehr zweckmäßige Einbauschränke. Und um die Beleuchtung mussten sie sich ebenfalls keine Sorgen machen, es gab in jedem Raum in die Decke eingearbeitete Lampen, die sogar sehr hübsch aussahen.

      »Sind wir fertig, Mami?«, erkundigte Leonie sich ganz wichtig, und als Gerda das bestätigte, beschloss Leonie, den Zettel und den Stift in ihre Tasche zu tun. Es war so rührend anzusehen, welche Freude es ihr machte und wie bedeutend es für sie war.

      Als sie das Haus verließen, schloss Leonie mit ihrem eigenen Hausschlüssel ab, den Gerda ihr gegeben hatte.

      Sie gingen zum Auto, und ehe sie einstiegen, bemerkten sie den Jungen, der an ihnen langsam vorbeifuhr. Es war der Junge, den Gerda bereits gesehen hatte.

      Was wollte er hier?

      Warum beobachtete er sie?

      Als sie merkte, wie verrückt es von ihr war, sich deswegen Gedanken zu machen, rief sie sich selbst zur Ordnung.

      Jugendliche waren neugierig, und Leonie war ein ausnehmend hübsches Mädchen.

      Das war vermutlich die Erklärung, die dadurch bestätigt wurde, dass der Junge Leonie angrinste.

      Sie durfte jetzt wirklich nicht paranoid werden, nur weil ihr Leben begann, so zu werden, wie es für die meisten Menschen normal war.

      »Guck mal, Mami, das ist ein netter Junge. Meinst du, dass er auch auf das Gymnasium in Hohenborn geht?«, wollte Leonie wissen.

      Und diese Frage war ein weiters Indiz für Gerda, dass ihre Tochter begann, aus den Kinderschuhen hinauszuwachsen. Sie registrierte, was ja auch ganz normal war, dass sie von Jungen beachtet wurde.

      Ja, es war auf jeden Fall wichtig für Leonies Entwicklung, dass sie in den Sonnenwinkel gezogen waren, versuchte Gerda sich zu beruhigen, und allmählich gelang es ihr auch, manchmal sogar ein wenig zu lachen, weil Leonie so gut drauf war, dass es aus ihr nur so heraussprühte.

      *

      Das Möbellager war noch gut eine halbe Autostunde von Hohenborn entfernt, und es lag inmitten eines Industriegebiets. Aber es war auf jeden Fall lohnenswert, herzukommen, und es hatte sich wohl auch herumgesprochen, dass man hier eine gute Auswahl finden konnte, denn es standen viele Fahrzeuge mit den unterschiedlichsten Kennzeichen auf dem riesigen Parkplatz.

      Leonie war vor lauter Aufregung vollkommen aus dem Häuschen.

      »Mami, wir haben noch niemals Möbel gekauft«, rief sie glücklich, »und jetzt dürfen wir aussuchen, was wir wirklich wollen.«

      Sie konnte es kaum abwarten, das Möbellager zu betreten. Es war ein großes Gebäude, das sich über fünf Etagen erstreckte.

      Zum Glück gab es direkt im Eingangsbereich einen Informationsstand, an dem man einen Plan bekam, aus dem ersichtlich war, was sich wo befand.

      Kinder- und Jugendzimmer befanden sich ganz oben, und natürlich wollte Leonie zuerst dorthin. Gerda hatte ihre Tochter noch nie zuvor so aufgeregt erlebt, nicht an Weihnachten und auch nicht an ihren Geburtstagen.

      Leonie hüpfte aufgeregt von einem Bein auf das andere und konnte es kaum erwarten, dass der Fahrstuhl sie ganz nach oben brachte.

      Leonie erregte Aufmerksamkeit, es war nicht zu übersehen, wie aufgeregt sie war.

      »Du bekommst wohl ein neues Zimmer?«, erkundigte sich ein älterer Herr.

      Leonie nickte, dass die Locken nur so flogen.

      »Ja, ein Prinzessinnenzimmer«, rief sie glücklich.

      Der ältere Herr blickte sie schmunzelnd an.

      »Ja, darunter geht es ja wohl auch nicht.


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