Die falsch gestellten Weichen. Von Kuehnelt-Leddihn Erik

Die falsch gestellten Weichen - Von Kuehnelt-Leddihn Erik


Скачать книгу
rote Faden

       Anhang: Eine Sprachregulierung. „Was ist ‚faschistisch‘?“

       Anmerkungen

       Personen- und Ortsregister

      Die Geschichte ist eine einzige Kette von Dummheiten, die immer wieder begangen wurden, obwohl ihr schlechter Ausgang schon zahllose Male offenkundig wurde. Jeder Politiker fühlt sich als Neuentdecker Amerikas, der über die Taten eines Kolumbus erhaben ist. Die Geschichte scheint da zu sein, nicht aus ihr zu lernen. Lernen kann aus ihr nur der demütige, darum in sich sichere, wahrhaft geschichtliche Mensch, der jede Stunde bereit ist, vor seinem Gewissen sich zu verantworten. Ein geistiger Mensch ist, wer in ununterbrochenem Dialog mit Gott steht.

      Edgar J. Jung, Denker der Rechten, von den Nationalsozialisten 1934 ermordet, in seinem „Sinndeutung der deutschen Revolution“ (1933).

      Les hommes sont rarement contemporains de leur propre histoire.

      Raymond Aron, „Le grand schisme“ (1948).

      Totus mundus stultizat.

      Kaiser-König Franz I. am ungarischen Reichstag 1808 in Preßburg.

      1. EINLEITUNG: EIN MEER VON LÜGEN

      Verzeiht, es ist ein groß Ergetzen,

      Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen.

      Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,

      Und wie wir’s dann so herrlich weit gebracht.

       Goethes Faust

      „Ein Meer von Lügen“, das Werk meines Pinsels auf dem Umschlag dieses Bandes, weist auf die vielen Lügen hin, die ganz besonders in der Neuesten Geschichte nisten. Wir haben es hier nicht nur mit entstellenden Lügen zu tun, die zu eigenem Nutz und Frommen in die Welt gesetzt und nur widerstrebend geschluckt wurden, sondern auch mit anderen, die keineswegs verblüfften und an die man bereitwilligst glaubt, denn der Wahrheit ins Gesicht zu schauen ist oft zu unbequem, zu beunruhigend, wenn nicht gar unerträglich. Manchmal muß ich mich da an Phokion erinnern, von dem Plutarch berichtet, er hätte bei einer Rede, durch lebhaften Applaus unterbrochen, sich entsetzt an seine Freunde neben ihm mit der halblauten Frage gewandt: „Habe ich da jetzt einen fürchterlichen Unsinn gesagt?“

      Diesen Band könnte man auch einen Idiotenführer durch die moderne Geschichte nennen. Stellen wir aber hier gleich fest, daß der ‘Idiot‘ ursprünglich im antiken Hellas ein biederer Privatmann ist, der sich nicht mit der Politik beschäftigt. Da er somit an der Gestaltung der Geschichte kein Interesse hat, hält er auch das Studium der Geschichte für einen blanken Unsinn. Das hat auch Henry Ford, ein vielbewunderter Fabrikant getan, der Hitler namhafte Summen übermittelte. „History is bunk – Geschichte ist Blödsinn“ ist eine Formel, die gerne ironisch zitiert wird. „Don’t fear the future and don’t honor the past“ war eine andere Aussage dieses industriell und finanziell sicherlich begabten Mannes, der von Hitler im Oktober 1938 feierlich dekoriert wurde.1)

      Die Geschichte ist allerdings ein Unsinn, aber nur in einem ganz bestimmten Sinn. Es ist aber höchst notwendig, sie wirklich zu kennen, und wer die Geschichte mit ihren blutigen und tränenreichen Lehren nicht kennen will, wird von ihr brutal gezwungen, sie zu wiederholen2). Das ist stets ein hochnotpeinlicher Prozeß, den man in Bälde nochmals erleben könnte. Daher wollen wir beschwörend die Geschichte der Neuesten Zeit in stark verkürzter aber ungeschminkter Form zum besten geben. Dabei richten wir uns an die „Gebildeten“, ein Ausdruck, der heute kaum gebraucht wird, denn in einem demokratischen Zeitalter, in dem jedermann aufgrund eines vegetativen Prinzips zur Stimmabgabe aufgefordert oder sogar gezwungen wird,3) in dem also „wehrlose Analphabeten zur Urne geschleppt werden“,4) gibt es offiziell keine „Ungebildeten“ mehr. Gebildete-Ungebildete? Diese Gegenüberstellung wäre von Arroganz geprägt und enthielte eine gezielte Beleidigung der weniger „Geschulten“. Tatsächlich aber setzt dieser Band eine „allgemeine“ Kenntnis der Neuesten Geschichte voraus, mindestens so, wie sie in unseren „Allgemeinbildenden Höheren Schulen“ zum besten gegeben wird. Den Niederschlag davon bekommen wir in den Massenmedien, im Geschwätz der Stammtische, in den wenigen noch überlebenden Salons, in den Kongressen, den Parlamenten und Modebüchern. Daher ist dieser Band als Beitrag zur dritten Aufklärung gedacht. Es müssen heute endlich einmal die Aufgeklärten gründlich aufgeklärt werden. Doch an dieser Stelle möchte ich mich für einige Wiederholungen entschuldigen. Dieser Text ist so lang, daß ich manches Gesagte dem Leser nochmals in Erinnerung rufen möchte.

      Die Bezeichnung „Idiotenführer“, die wir oben erwähnten, hat eine doppelte Bedeutung. Wir wollen hier nicht nur den Idiótes ansprechen, sondern in der Hauptsache auch ein idiotisches Thema behandeln, das in der Geschichte die wichtigste Rolle spielt, nämlich das Regieren. Papst Julius III. hatte einem portugiesischen Mönch in einer Audienz gesagt: „Du weißt nicht, mein Sohn, mit wie wenig Weisheit die Menschen regiert werden!“5) Abgesehen vom Strafwesen gibt es in der Geschichte der Menschheit kaum einen jämmerlicheren Mißerfolg als das Regieren und Regiertwerden. Schon Horaz klagte: „Quidquid delirant reges plectuntur Achivi.“6) Für den Christen kein Wunder im Lichte der Erkenntnis, daß Staat und Regierung eine Folge der Erbsünde sind! Es besteht auch kein Zweifel, daß Kaiser, Könige und Fürsten in der Vergangenheit, mindestens bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, sich infernalischer Missetaten und gigantischer Unsinne schuldig gemacht und uns außerdem ein Mediokritätenkabinett letzten Ranges geliefert hatten. Freilich, einige von ihnen waren dauernd oder temporär geistesgestört (man denke da besonders an Georg III. von Großbritannien),7) was aber bei dem heutigen Stand der Medizin sehr schnell erkannt werden würde. Es bleibt jedoch eine fürchterliche Tatsache, daß unter den gekrönten Häuptern es zahlreiche Männer (und auch Frauen) gab, die sich sadistischer Exzesse schuldig gemacht hatten, die gestohlen, geraubt, gemordet, geschändet, gelogen, geheuchelt, gefälscht, geplündert, gesoffen, die Ehen und Verträge gebrochen, in jeder erdenklichen Weise zu eigenem Nutzen oder auch zum „Wohle“ des Landes gegaunert und Verbrechen begangen hatten. (Es genüge da die vermieteten Söldner Hessens zu erwähnen, was in unseren Tagen von Fidel Castro in brutalerer Weise wiederholt wurde.8)) Manchmal war auch unsere heilige Kirche nicht viel besser: Oft hatte sie ungeheuerliche Entscheidungen getroffen,9) bei staatlichen Atrozitäten brav mitgemacht (Inquisition),10) sich mit ihren Hierarchen, Priestern und Mönchen an gesellschaftlichen Scheußlichkeiten beteiligt – und das alles im „Zeichen des Kreuzes“. Die Worte von Frank Thieß über die Weltgeschichte als eine „riesige Folterkammer“, als ein Geschehen, das „mikrobenhaft von fürchterlichen Ängsten durchsetzt ist“,11) kommen da einem in den Sinn. Die Erde ist und bleibt ein Tal der Tränen oder, um mit Luther zu reden, „des Teufels Wirtshaus“.

      Und doch müssen wir in gleichem Atem festellen, daß Krone und Kirche, Adel, Bürgertum und die großen Denker unser Europa aus dem wahrhaft finsteren Frühmittelalter nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches einer Kultur und Zivilisation zuführten, die an innerem und äußerem Reichtum, Tiefe und Breite nicht ihresgleichen hatte – und zum Teil immer noch nicht hat. Ohne Monarchie, Patriziat und Kirche sollte einem Amerikaner der Besuch Europas keine zehn Cent wert sein, denn an landschaftlicher Schönheit ist uns die Neue Welt zumindestens gleich, wenn nicht gar überlegen.

      Nun aber befindet sich die Christenheit (oder wenn man will, die ehemalige Christenheit) seit rund 200 Jahren im Sog dreier Revolutionen: der Französischen, Russischen und Deutschen, die jedesmal inmitten eines großen materiellen Aufstiegs einen ebenso großen religiösen, geistigen und daher auch einen politischen Niedergang verursacht haben.12) Kein Wunder, daß wir somit an den Rand eines totalen Bankrotts gelangt sind und sogar das Überleben der Menschheit von manchen (und nicht gerade den Dümmsten) mit einem Fragezeichen versehen wird. Die große


Скачать книгу