Palliativ & Zeiterleben. Группа авторов

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anatomischer Distanz zu den anderen kortikalen Arealen angeordnet, die in direkter Interaktion mit der Umwelt stehen, sodass das DMN plausiblerweise im Gegensatz zu Wahrnehmung und Handlung mit abstrakten kognitiven Leistungen befasst ist, die unabhängig von der Umgebung des Individuums stattfinden (Margulies et al. 2016).

      Interessant ist hier, dass drei verschiedene Funktionszustände mit dem DMN in Verbindung gebracht werden können. Dabei handelt es sich zum einen um den Ruhezustand, währenddessen vorrangig eine eigene spontane Gedankentätigkeit erzeugt wird, des Weiteren um einen Zustand, bei dem wir das innere Erleben anderer Personen verstehen wollen, sowie schließlich um einen Zustand, der uns die Planung unserer Handlungen auf einer langstreckigen zeitlichen Perspektive auf der Grundlage unserer Autobiografie erlaubt.

      Das Vorstellen der eigenen Zukunft, das Erinnern der eigenen Vergangenheit sowie das Miteinbeziehen der Perspektiven anderer Personen scheinen offenbar ähnlichen neuralen Grundlagen zu unterliegen. Das könnte Anlass geben zur Spekulation, dass auch die damit verbundenen kognitiven Prozesse Gemeinsamkeiten aufweisen. Die Freiheit unseres Denkens, die uns erlaubt, Alternativen von Handlungen als Reaktion auf Ereignisse in unserer unmittelbaren Umgebung zu erzeugen, basiert auf den vorgenannten Fähigkeiten und kann auch als Selbst-Projektion (self-projection) bezeichnet werden. Das gefühlte Selbst als subjektive Perspektive könnte dabei mittels Kopplung von Aktivität im DMN mit der neuronalen Verarbeitung von Außenreizen zustandekommen (Qin und Northoff 2011). Prospektion ist adaptiv und während verschiedener Entscheidungsprozesse und für die soziale Informationsverarbeitung relevant (Buckner und Carroll 2007). Die zugrundeliegenden kognitiven Prozesse könnten mit der Fähigkeit zur mentalen Exploration von alternativen Perspektiven zu tun haben, die auf unseren früheren Erfahrungen aufbauen. Damit wird eine Art von personenbezogener, interner mentaler Simulation betrieben, die im Kontrast steht zu Wahrnehmungen, die primär durch das unmittelbare externe Umfeld stimuliert werden. Der Kern dieser Überlegungen ist, dass während dieser Selbstprojektion alternative Perspektiven für die eigene aktuelle Situation entwickelt werden, die entweder in der Zeit transponiert oder aber im Sinne der sozialen Kognition auf andere Personen projiziert werden (Buckner und Carroll 2007).

      Die Zeitdimensionen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die so prägnant auf der oben skizzierten Makro-Ebene etabliert sind, lassen sich auch auf der Mikro-Ebene wiederfinden, wie es die phänomenologische Analyse treffend aufzuzeigen vermag, übrigens in enger Verbindung zum Körper:

      »In erster Instanz ist der Leib als gefühlter Leib notwendigerweise gegenwärtig. Dennoch sind auch Zukunft und Vergangenheit leiblich implementiert. Die Zukunft (jedenfalls die nächstliegende Zukunft) wird aus dieser gefühlten Gegenwärtigkeit in Form von (nicht bewusst hergestellten, nicht gedachten) Bewegungsentwürfen anvisiert. D. h. in jeder Form der Bewegung oder Ruheposition ist der Körper dazu in der Lage, eine Mannigfaltigkeit von verschiedenen weiterführenden Bewegungen und Positionen zu realisieren.« (Förster-Beuthan 2012, S. 175)

      Mikro- und Makro-Ebene korrespondieren also demnach in ihrer Ausrichtung auf die Zeitdimensionen auf je eigenen Zeitskalen. Die Mikro-Ebene ist im Millisekunden- bis Sekundenbereich körperlich verankert, die Makro-Ebene ist die Lebenszeitperspektive.

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