Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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hatte ich jede Woche drei oder vier Geburten. Oft war ich die ganze Nacht unterwegs.«

      »Wie war das bei Sissi Langenburg?«, fragte Frank, noch bevor die alte Frau sich in weiteren Schilderungen ihrer früheren Laufbahn ergehen konnte.

      »Sissi Langenburg?«, wiederholte die Greisin mit schiefgelegtem Kopf. »Wer soll das sein?«

      »Das wissen Sie ganz genau.« Ungeduldig hatte Frank auf diesen Augenblick gewartet. Jetzt war er die Ruhe selbst. Er war fest entschlossen, diesen Raum nicht eher zu verlassen, als bis Frau Hebling ihren Namen unter das von ihm vorbereitete Dokument gesetzt hatte.

      »Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen.«

      Die alte Hebamme konnte sich ausgezeichnet verstellen, doch Frank konnte sie nicht täuschen. »Von dem jungen Mädchen, das vor einigen Wochen zur Entbindung hierherkam und das einen gesunden Jungen zur Welt brachte. Sie haben Sissi eine Betäubungsspritze gegeben. Und als das Mädchen aus der Narkose erwachte, haben Sie ihm gesagt, dass das Kind tot zur Welt gekommen sei. Vielleicht dachten Sie, dass die junge Mutter froh darüber sein würde. Aber so ist es nicht. Sissi liebt ihr Kind und will es nicht verlieren.«

      »Eine seltsame Geschichte erzählen Sie mir da.« Ein bisschen Unsicherheit schwang in der Stimme der Greisin mit. »Sehen Sie sich meine Notizen an. Entdecken Sie irgendwo diesen Namen Langenbrock?« Frau Hebling schob einen schmutzigen Kalender über den Tisch.

      »Langenburg«, verbesserte Frank. »Es ist klar, dass Sie keine entsprechende Eintragung gemacht haben. Einmal, weil Sie für Ihre Dienste in diesem Fall außergewöhnlich gut bezahlt wurden, und zum anderen, weil Sie genau wussten, dass die Sache faul ist.«

      »Ich bin eine unbescholtene Frau und brauche mir Ihre Anschuldigungen nicht anzuhören«, protestierte die alte Frau schwach. »Bitte, gehen Sie jetzt. Ich habe geglaubt, dass Sie sich für meine Arbeit interessieren. Aber Sie sind nur gekommen, um hier herumzuschnüffeln. Das brauche ich mir nicht gefallen zu lassen. Verlassen Sie meine Wohnung!« Der ausgestreckte Arm der Hebamme zeigte in Richtung Tür.

      Frank schüttelte betont langsam den Kopf. »Gerade weil Sie eine ehrliche Frau sind, werden Sie mir helfen, einen gemeinen Schwindel aufzudecken. Ich weiß nicht, was Ihnen Frau Langenburg erzählt hat. Jedenfalls hat sie Sissis Baby entführt und in Deutschland als Findelkind ausgegeben. Sie, Frau Hebling, sind der einzige Mensch, der dem jungen Mädchen zu seinem Recht als Mutter verhelfen kann. Sie wissen, dass der kleine Junge nicht tot war.«

      »Ich weiß gar nichts davon«, erwiderte die Alte feindselig. Ängstlich umklammerten ihre dürren Finger den Griff einer altmodischen Handtasche.

      »Ich möchte wetten, dass sich in Ihrer Handtasche der Scheck befindet, den Heiko Rössner Ihnen eben im Auftrag von Frau Langenburg gebracht hat. Man erkauft sich damit Ihr Schweigen, Frau Hebling. Gibt Ihnen das nicht zu denken?«

      »Ich weiß nichts«, wiederholte die alte Frau stur.

      »Wollen wir nachsehen?« Frank streckte den Arm aus.

      Sofort brachte die Hebamme die Handtasche hinter ihrem Rücken in Sicherheit. »Das dürfen Sie nicht«, keuchte sie. »Sie haben überhaupt kein Recht, mich auszufragen.«

      »Stimmt. Aber wäre es Ihnen lieber, wenn die Polizei den Fall untersuchen würde? Man würde sehr schnell feststellen, dass Sie schon einmal einen Langenburg-Scheck eingelöst haben, kurz nach der Geburt des kleinen Tim. Seine Höhe wird die Beamten stutzig machen, sie werden nach dem Grund für diese Großzügigkeit fragen. Glauben Sie mir, Frau Hebling, dann hilft Ihnen kein Leugnen mehr. Dann müssen Sie die Wahrheit sagen. Und das kann sehr unangenehm für Sie werden. Beihilfe zur Kindesentführung, vorsätzliche Täuschung der Behörden, Annahme von Bestechungsgeldern. Ich bin Rechtsanwalt und weiß, dass es für solche Vergehen sehr empfindliche Strafen gibt.«

      »Aber ich habe ja nichts getan. Eine Gefälligkeit einer guten Bekannten gegenüber«, stammelte Frau Hebling weinerlich.

      »Sie haben Sissi angelogen. Sie haben ihr gesagt, dass ihr Kind nicht gelebt habe, und haben sie damit sehr unglücklich gemacht. Sie haben ja keine Ahnung, welchen Schaden Sie angerichtet haben! Wissen Sie, welche Not eine junge Mutter durchsteht, der man sagt, dass ihr Baby tot ist? Können Sie solches Leid überhaupt ermessen?« In seinem Zorn wurde Frank immer lauter.

      Frau Hebling ließ den Kopf hängen. Mit der Polizei wollte sie absolut nichts zu tun haben. Also war es schon besser, dem jungen Mann die Wahrheit zu sagen.

      »Mir hat Frau Langenburg erzählt, sie würde das Baby nur für kurze Zeit in ein Heim bringen, um in der Zwischenzeit ihren Mann auf den Familienzuwachs vorzubereiten. Und ihre Stieftochter solle die Wahrheit nicht erfahren, weil sie alles verraten würde.«

      »Wie konnten Sie das glauben!« Frank sprang auf und ging mit langen Schritten im Raum auf und ab. Er dachte ständig an Sissi. Was musste das geliebte Mädchen durchgemacht haben! Warum hatte er ihr in dieser schweren Zeit nicht beistehen dürfen?

      Frau Hebling sank immer mehr in sich zusammen. »Ich bin eine alte Frau, und trotzdem ist das Leben für mich nicht billig. Meine Rente ist so gering, dass ich davon nicht existieren kann. Ist es da ein Wunder, dass ich zugreife, wenn sich mir eine solche Chance bietet? Darf man mich deshalb verurteilen? Ich habe Sissi Langenburg gut gepflegt. Es hat ihr an nichts gefehlt. Das kann sie bestätigen.«

      »Sie haben ihr die schlimmste Enttäuschung bereitet, die es für eine junge Mutter geben kann. Helfen Sie jetzt wenigstens, die Sache in Ordnung zu bringen! Ich brauche das genaue Geburtsdatum des kleinen Tim, Ihre Bestätigung, dass er gesund war und dass Sie ihn Frau Langenburg übergeben haben. Es ist möglich, dass Sie diese Angaben beeiden müssen. Aber das hat Zeit.« Frank zog einen zusammengefalteten Briefbogen aus seiner Tasche. Mit einer ungestümen Bewegung breitete er ihn vor Frau Hebling aus.

      »Ich bin einverstanden«, jammerte die alte Frau. »Aber Sie müssen mir versprechen, dass ich keine Scherereien mit der Polizei haben werde.« Ängstlich sah sie Frank an.

      »Niemand ist daran interessiert, dass ein Skandal aus dieser Sache wird. Auch ich nicht. Ich will Sissi nur helfen. Ihr und dem kleinen Tim.« Mit klopfendem Herzen dachte Frank daran, dass Denise von Schoenecker angedeutet hatte, dass ihn das geliebte Mädchen nicht vergessen habe. Durfte er hoffen, dass doch noch alles gut wurde?

      *

      Diesmal begrüßte die Sekretärin in Langenburgs Vorzimmer Frank sehr viel freundlicher. Er brauchte nur wenige Minuten zu warten, dann durfte er das Zimmer des Chefs betreten.

      »Haben Sie sich mein Angebot überlegt, junger Mann?«, erkundigte sich Max Langenburg sofort. Wieder einmal war er in das Studium wichtiger Akten vertieft und sah nicht auf. »Sie können schon morgen in unserer Rechtsabteilung anfangen. Die Aufgaben sind vielseitig und interessant, das Gehalt entspricht den Forderungen und der Verantwortung dieses Postens. Ich bin überzeugt, dass Sie sich rasch einarbeiten werden und dass es Ihnen bei uns gefallen wird.« Während Langenburg redete, las er nebenbei einen Geschäftsbrief durch. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Besucher nicht antwortete.

      Frank war plötzlich bewusst geworden, dass er über seinen Nachforschungen die Kanzlei vergessen hatte, bei der er zur Zeit arbeitete. Heute hätte er sich dort wieder melden müssen. Doch in seiner Sorge um Sissi war ihm das gar nicht wichtig gewesen. Er war vom Zug aus sofort hierhergegangen. Wahrscheinlich würde ihm sein neuer Chef Schwierigkeiten machen. Innerhalb der Probezeit konnte das Arbeitsverhältnis von einem Tag auf den anderen gelöst werden.

      »Ich … komme … aus einem anderen Grund«, stotterte Frank verwirrt. »Es handelt sich um Sissi.«

      »Wollen Sie mir schon wieder mit Ihrer Eifersucht in den Ohren liegen?« Amüsiert sah Max Langenburg von seiner Lektüre hoch. »Hat Sissi Ihnen noch nicht gesagt, dass sie in einigen Wochen den Neffen meiner Frau heiraten wird?« Der Verleger war überhaupt nicht ärgerlich. Die Sturheit des jungen Mannes gefiel ihm. Wenigstens gehörte er nicht zu jenen Leuten, die kampflos aufgaben.

      »Sissi darf zur Zeit mit niemandem sprechen«, erklärte Frank.

      »Sie ist krank«,


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