Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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die Kinder zu sich zu nehmen?«, fragte sie vorsichtig.

      Normalerweise hätte es sich der Fabrikant verbeten, nach seinen Plänen gefragt zu werden. Doch im Biedermeierzimmer von Sophienlust geschah es auf so charmante Weise, dass er nicht einmal böse sein konnte.

      »Nur den Jungen. Eine Tochter habe ich bereits«, erzählte er leutselig.

      Denise von Schoenecker verbarg ihre Entrüstung. »Ich habe einige Erfahrung mit Kindern«, meinte sie leise. »Und deshalb weiß ich, dass es für alle Beteiligten einfacher sein wird, wenn Sie beide Kinder bei sich aufnehmen. Die Geschwister sind ruhig und sehr gut erzogen.«

      »Haben Sie keine Angst, Frau von Schoenecker, dass Ihnen das Mädchen mit ihren Klagen in den Ohren liegen wird. Wir geben sie einfach in ein anderes Heim. Dort wird sie neue Kameraden und neue Eindrücke gewinnen.«

      »Wir sprechen von einem Kind, Herr Ertel, nicht von einem leblosen Gegenstand.« Denise ärgerte die hochmütige Art, in der der Fabrikant Ertel über die Zukunft seiner Schutzbefohlenen entschied. »Von einem Kind, das in diesen Tagen die Eltern verloren hat. Ich weiß nicht, ob Sie ermessen können, was das für einen jungen Menschen, der bisher behütet aufgewachsen ist, bedeutet. Wenn Sie es wissen, werden Sie darauf verzichten, Tanja auch noch den Bruder zu nehmen, an dem sie hängt und der für sie der letzte Trost ist.«

      »Ich bin nicht gewöhnt, Frau von Schoenecker, dass man mir Vorschriften macht«, meinte der Fabrikant reserviert.

      »Das sind keine Vorschriften, sondern Überlegungen im Interesse der Kinder, die Ihnen anvertraut sind. Die Entscheidung liegt selbstverständlich bei Ihnen.«

      »Das möchte ich auch hoffen«, antwortete Johannes Ertel grob. Eigentlich hatte er sich die ganze Sache viel einfacher vorgestellt. Er hatte geglaubt, dass es genügen würde, sich als Vormund auszuweisen, um Torsten mitnehmen und Tanja im Heim lassen zu können.

      »Wenn Sie sich das alles noch einmal in Ruhe überlegen wollen, behalte ich die Geschwister gern so lange hier.«

      »Für mich gibt es da nichts zu überlegen. Mein Entschluss steht fest. Selbstverständlich werde ich Ihnen monatlich den Unkostenbeitrag für das Mädchen überweisen.« Der Fabrikant packte seine Unterlagen zusammen und steckte sie in die Brieftasche zurück.

      »Sowohl Torsten als auch Tanja werden unglücklich sein«, gab Denise zu bedenken.

      »Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein. Kinder vergessen rasch. In einigen Monaten werden sie gar nicht mehr daran denken, dass ein Bruder oder eine Schwester existiert.«

      »In diesem Punkt irren Sie sich bestimmt.« Denises Stimme klang voll und fest. »Kinder vergessen in diesem Alter nichts mehr. Und Erwachsene sollten bedenken, dass Kinder nicht nur Nahrung und Kleidung, sondern auch Verständnis brauchen.«

      »Vielleicht haben Sie recht«, räumte Johannes Ertel charmant ein. Denise von Schoeneckers eindrucksvolle Persönlichkeit machte es ihm unmöglich, aufzubrausen. »Dennoch müssen sich die Kinder nach mir richten, nicht umgekehrt. Ich habe die Absicht, den Sohn meines Bruders später zu adoptieren, während ich für die Tochter leider keine Verwendung habe.«

      »Haben Sie noch nicht daran gedacht, dass Sie vielleicht gerade an dem hübschen kleinen Mädchen viel Freude haben würden?«

      »Hier geht es nicht um Freude, sondern um finanzielle Überlegungen. Ich werde dem Jungen eine ausgezeichnete Ausbildung ermöglichen, die ihn dazu befähigt, später meinen Betrieb zu leiten. Ein Mädchen ist für derartige Pläne weniger geeignet.«

      Denise von Schoenecker schüttelte sich leicht. »Ihnen geht es also nur um Ihre eigenen Interessen, nicht um die der Kinder«, stellte sie verbittert fest.

      »Hören Sie, wenn ich für den Lebensunterhalt der Geschwister aufkomme, dann ist das eine Investition, die sich irgendwann lohnen muss.«

      »Sie denken nur in Zahlen und vergessen dabei, dass Menschen auch Gefühle haben«, gab Denise verärgert zurück. »Unter diesen Umständen wäre es besser, wenn auch Torsten hier in Sophienlust bleiben würde.«

      »Es ist Ihnen sicher bekannt, dass der Vormund das Recht hat, über den Aufenthaltsort seiner Mündel zu entscheiden. Im Übrigen möchte ich jetzt meinen Neffen und meine Nichte sehen.« Johannes Ertel war gekränkt und tat nun sehr reserviert und hochmütig.

      »Tut mir leid, die Kinder sind mit den Ponys ausgeritten.« Denise war richtig froh darüber. So würde der Besucher zwangsläufig noch ein wenig mit ihr vorliebnehmen müssen. Vielleicht würde ihr es doch noch gelingen, ihn umzustimmen.

      »Mit Ponys?«, schnaubte Johannes Ertel aufgebracht. »Aber das ist doch ein bodenloser Leichtsinn!«

      Denise von Schoenecker lächelte nur. »Die Tiere sind lammfromm und von klein auf an den Umgang mit Kindern gewöhnt. Ein kleiner Ausritt ist deshalb völlig ungefährlich.«

      »Sie lassen die Kinder allein spazieren reiten? Was kann dabei alles passieren!«

      »Es ist noch nie etwas passiert, Herr Ertel«, antwortete die jugendliche Frau ruhig. »Außerdem ist Nick, unser Ältester, dabei. Auf ihn kann ich mich verlassen.« Hätte Denise allerdings etwas von dem alten Geheimgang gewusst, wäre sie nicht so sicher gewesen.

      »Meine Zeit ist knapp bemessen. Deshalb wollte ich gleich zurückfahren.« Nervös rutschte Johannes Ertel hin und her. Er zog ein goldenes Zigarrenetui hervor. »Darf ich?«, fragte er kurz.

      Während der Besucher sich umständlich eine Zigarre ansteckte, erzählte Denise in ihrer charmanten Art von Tanja und Torsten. Obwohl die Kinder erst seit einigen Tagen in Sophienlust waren, wusste sie erstaunlich viel von ihnen zu berichten.

      Johannes Ertel paffte und hörte mit unbeweglichem Gesicht zu. Niemals hätte er zugegeben, dass er Denise von Schoenecker heimlich beneidete. Sie hatte viel Arbeit, und doch verstand sie es, Zeit zu haben, um auf fremde Kinder einzugehen, um deren kleine Sorgen und Nöte zu erforschen, um ihnen Trost und Hilfe zu geben.

      *

      »Wir müssen so schnell wie möglich hier heraus«, presste Nick zwischen den Zähnen hervor. Eingehend beleuchtete er die frisch herabgefallene Erde. An welcher Stelle mochte die Schicht am dünnsten sein? Wo sollten sie am besten graben?

      Nick entschied sich für die rechte untere Ecke. Dort lagen locker einige Steine, die leicht beiseite geschafft werden konnten.

      »Wir fangen hier an. Sicher schaffen wir es rasch.« Nick bückte sich bereits. So ganz überzeugt war er von seiner Aussage zwar nicht, doch er durfte auf keinen Fall zeigen, dass auch er Angst hatte. Angst, dass schon in der nächsten Minute weitere Erdmassen herabstürzen und sie alle lebendig begraben würden.

      Pünktchens Knie zitterten. Trotzdem hielt sie sich tapfer. »Ich helfe dir«, wisperte sie und ging ebenfalls in die Hocke.

      »Torsten, du hältst die Taschenlampe«, befahl Nick und reichte ihm den Metallstab mit dem blinkenden Kegel.

      »Ich fürchte mich«, schluchzte Tanja und drängte sich an ihren Bruder.

      »Wenn Nick bei uns ist, brauchst du keine Angst zu haben«, tröstete Torsten seine Schwester und legte schützend den Arm um sie. Eifrig leuchtete er auf den Punkt, an dem Nick und Pünktchen mit bloßen Händen gruben. Einige große Steine hatten die beiden bereits weggewälzt, doch dahinter war eine feste feuchte Lehmmasse, die das Zupacken fast unmöglich machte. Nur mühsam konnte Nick einige kleine Löcher bohren, die Pünktchen dann durch Schaben erweiterte.

      Auf diese Weise schaffen wir es nie, dachte Nick, hütete sich aber, seine Gedanken auszusprechen. Würden sie in diesem dunklen Erdloch alle grausam ersticken? An Hilfe von außen war nicht zu denken, denn es wusste ja niemand, dass sie in dem alten Gang waren.

      Jetzt bereute der große Junge bitter, dass er seiner Mutti nicht von ihrem Vorhaben erzählt hatte. Gewiss, sie hätte ihnen verboten, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Doch das wäre ja richtig gewesen. Dann säßen sie jetzt nicht hier gefangen.

      Auch Torsten erkannte, dass


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