Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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geworden. Liebte sie Horst Grebe eigentlich? Schon oft hatte sie sich diese Frage vorgelegt. Doch sooft sie auch in sich hineingehorcht hatte, ihr Herz war still geblieben. Nichts regte sich in ihrem Innern.

      »Mir geht es einzig und allein um deine Interessen, Claudia«, schwindelte der junge Mann. Er hatte von Anfang an mit dem beträchtlichen Ertel-Vermögen gerechnet. Nur aus dieser Überlegung heraus war er bereit, Claudia zu heiraten. Sie war ein hübsches Mädchen, doch ihre natürliche, solide Art widerstrebte ihm. Er liebte mehr die aufregenden Mädchen der Nachtbars und Spielkasinos. Dort fühlte er sich wohl.

      Hart packte Horst das Mädchen am Arm. »Ich liebe dich, Claudia! Das darfst du nie vergessen.« Er zwang die Ertel-Tochter, ihn anzusehen. Ein geheimes Flimmern war in seinem Blick. Ein Flimmern, das Claudia erschreckte. Sie wandte den Kopf zur Seite.

      »Ich hole dich um acht Uhr ab.« Horst sah auf seine Armbanduhr. Es war noch knapp eine Stunde Zeit. »Wir werden uns im Jachtklub prächtig amüsieren.«

      Claudia dachte nur ungern an Horsts bärtige Freunde, an deren laute aufdringliche Art, an die zweideutigen Gespräche, die sie führten. Einen Abend mit ihnen zu verbringen war kein Spaß für sie. Trotzdem gab sie auch hier nach. »Gut. Ich werde fertig sein.«

      Jetzt ging Claudia rasch die stille Vorortstraße hinab. Horst hängte sich bei ihr ein und tätschelte ihre Hand. Aber auch diese Berührung war Claudia zuwider. Trotzdem ließ sie lächelnd die plumpe Zärtlichkeit über sich ergehen.

      Leichtfüßig lief Claudia über den Gartenweg und betrat durch den Seiteneingang das Haus. Die sonst so stille Halle war von der schrillen Stimme der Engländerin erfüllt. Sie schimpfte laut auf englisch. Dazwischen hörte man ein hohes weinerliches Kinderstimmchen.

      Claudia trat lächelnd zu den Streitenden. »Gibt es Schwierigkeiten?«, fragte sie sanft.

      »Claudia!« Torsten drehte sich blitzschnell um, rannte zu seiner Cousine und schlang schutzsuchend beide Ärmchen um ihre Taille.

      »Dieser Junge ist nicht nur verzogen, er ist richtig aufsässig«, beschwerte sich die Erzieherin.

      »Vielleicht sollten wir berücksichtigen, dass er den ersten Tag hier ist und dass alles fremd für ihn ist. Bitte, Miss Scott, überlassen Sie den Jungen ruhig mir. Ich werde mich um ihn kümmern.«

      »Ich muss Sie aber darauf aufmerksam machen«, keifte sie, »dass sich diese Nachgiebigkeit zum Nachteil des Jungen auswirken wird.«

      Claudia legte den Arm um Torstens zitternde Schultern und nahm ihn mit in ihr Zimmer. »Ich freue mich, dass du hier bist«, bekannte sie offen und ehrlich.

      »Warum darf Tanja nicht kommen?« Torsten wischte sich die Augen aus und sah treuherzig zu seiner Cousine empor. Er kannte Claudia von früher und mochte sie sehr gern.

      »Weil Onkel Johannes es so bestimmt hat. Er ist ein bisschen stur und rechthaberisch, und deshalb hätte es überhaupt keinen Sinn, ihn durch Weinen oder Schreien zu einer Änderung seiner Meinung bringen zu wollen. Viel klüger ist es, wenn du dich recht brav und artig benimmst und ruhig abwartest. Ich werde noch einmal mit ihm reden. Vielleicht kann ich ihn doch noch umstimmen. Du musst aber Geduld haben, mein Kleiner.« Claudia beugte sich hinab und hauchte einen Kuss auf die reine Stirn des Kindes.

      »Muss ich alles tun, was die Miss sagt?«, erkundigte sich Torsten und zog einen Schmollmund. »Ich mag sie nicht. Sie ist blöd!«

      »So etwas solltest du nicht sagen. Sie wird auf dich aufpassen und wird dir Englisch beibringen. Später, wenn du etwas älter bist, wirst du sehr froh darüber sein.« Claudia konnte den Kleinen so gut verstehen. Doch es wäre unklug gewesen, ihm recht zu geben.

      »Ich brauche aber niemanden, der auf mich aufpasst. Und Englisch will ich auch nicht lernen«, widersprach Torsten. »Kann ich denn nicht bei dir bleiben?« Weinerlich klangen die letzten Worte.

      »Hab ich dir noch nicht erzählt, dass ich Betriebswirtschaft studiere und im Frühjahr mein Examen mache? Da muss ich jeden Tag die Vorlesungen besuchen und habe viel zu lernen.«

      Torsten schluckte. »Und abends? Lernst du abends auch?«

      »Manchmal.«

      »Aber heute nicht.« In Torstens grauen Augen glänzten schon wieder Tränen.

      Claudia dachte daran, dass sie Horst versprochen hatte, ihn zum Jachtklub zu begleiten. Sie würde ihn anrufen und absagen, auch auf die Gefahr hin, dass er böse war. Torsten brauchte sie jetzt nötiger.

      »Nein, heute nicht«, wiederholte das Mädchen mit dem wundervollen braunen Haar, und den klaren grünen Augen. »Komm, jetzt sehen wir uns dein Zimmer an.«

      Claudia nahm Torsten an die Hand und führte ihn über den Flur. Sie kannte das Fremdenzimmer, das Torsten bewohnen sollte. Doch nun war sie überrascht, dass man darin nichts verändert hatte. Die Möbel waren schwer und wuchtig, der Kronleuchter wirkte erdrückend. Vorhänge und Teppiche in dunklen Farben vermehrten den düsteren Eindruck. Es gab kein einziges Spielzeug in diesem Raum, kein fröhliches Bild, keine Pflanze.

      »Herr Ertel hat angeordnet, dass alles so bleiben soll. Er meint, dass sich ein Kind gar nicht früh genug an Einfachheit und Pflichterfüllung gewöhnen kann. Alle Spielsachen lenken nur von diesem Ziel ab.«

      Claudia drehte sich verwundert um und sah in das hagere Gesicht der Engländerin. »Es ist gut, Miss Scott«, murmelte sie.

      *

      Der junge Lehrer war Alexander von Schoenecker sofort sympathisch.

      »Ich beschäftige mich in meiner Freizeit mit Archäologie«, berichtete er bescheiden. »Leider gibt es in Maibach niemanden, der diese Tätigkeit hauptamtlich ausübt. Deshalb hat man mich beauftragt, in diesem Fall die Interessen des Denkmalschutzes wahrzunehmen.«

      Klaus Herzberg trug eine sportliche Lederjacke über verwaschenen Jeans. Ein dunkler Rollkragenpullover schaute zwischen den Jackenrevers hervor. Eigentlich wirkte er mehr wie ein Student. Sein markantes Gesicht zeigte ein offenes, fast unbekümmertes Lächeln. Auch in seiner Art zu sprechen war er leger wie viele junge Leute. Das leicht gewellte dunkle Haar war zurückgekämmt, doch einige Strähnen hingen in seine Stirn. Das gab ihm ein fast lausbubenhaftes Aussehen.

      »Leider bin ich zu spät gekommen. Man hat den alten Gang in der Baugrube bereits am Vormittag eingeebnet. Möglicherweise sind damit wertvolle stumme Zeugen der Vergangenheit für immer verloren gegangen. Doch daran ist nun nichts mehr zu ändern.«

      Nick, der den Besucher sofort erspäht hatte, war neugierig hinzugetreten. »Da war es doch gut, dass wir das eiserne Kästchen herausgeholt haben.«

      »Das war sogar sehr gut«, lobte Klaus Herzberg. »Möglicherweise enthält es Dokumente, die über wichtige Vorgänge der Vergangenheit Aufschluss geben.«

      Triumphierend sah Nick zu seiner Mutti hinüber, die neben Alexander stand.

      Nick hatte seiner Mutti am frühen Morgen, einige Rosenknospen gebracht, die er in dem kleinen Garten, den er selbst pflegte, geschnitten hatte. Sie hatte die Blüten angenommen und in eine Vase gestellt. Also war sie nicht mehr böse mit ihm. Darüber war Nick sehr froh.

      »Vielleicht kannst du mir auch eine Schilderung des alten Ganges geben, eventuell sogar eine Skizze anfertigen«, wandte sich Klaus Herzberg an Nick.

      »Ich war nicht allein. Sie müssen auch die anderen fragen. Pünktchen, Tanja und Torsten.«

      »Am besten fahren Sie mit Nick nach Sophienlust hinüber«, schlug der Gutsbesitzer vor.

      »Und die Kassette?«

      »Nehmen wir mit.« Klaus Herzberg schmunzelte.

      »Machen wir sie denn nicht gleich auf?«

      »Nein. Sie wird unter Zeugen geöffnet. Ich verstehe selbstverständlich deine Ungeduld, aber ich muss mich an die Vorschriften halten.«

      »Dann erfahren wir gar nicht, was darin war?« Enttäuschung spiegelte sich auf dem hübschen Bubengesicht wider.

      »Ich


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