Wolff of Wall Street. Ernst Wolff
immer mehr Zugeständnisse gemacht wurden, konnten Hedgefonds wie Pilze aus dem Boden schießen und immer mächtiger werden.
Sind Hedgefonds zu einer Konkurrenz für die Großbanken geworden? Nein, im Gegenteil: Da Hedgefonds wie Banken operieren dürfen, deren Einschränkungen aber nicht unterliegen, haben zahlreiche Großbanken entweder eigene Hedgefonds gegründet oder sie lassen all die Geschäfte, die ihnen nicht erlaubt sind, über Hedgefonds erledigen. Im Grunde haben Hedgefonds so zu einer Erweiterung der Macht der Banken beigetragen.
Aber nicht nur das: Hedgefonds haben die Machtkonzentration im Finanzsektor erheblich vorangetrieben, das Vermögen der Ultrareichen erhöht und die soziale Ungleichheit weltweit verschärft – und zwar ganz legal, aber auf eine Art und Weise, die sowohl wirtschaftlich als auch sozial erheblichen Schaden angerichtet hat. Während klassische Spekulanten immerhin noch versucht haben, am Erfolg von Unternehmen teilzuhaben, ist Hedgefonds deren Wohlergehen vollkommen gleichgültig. Im Gegenteil: Wenn es ihnen nützt, führen sie deren Niedergang sogar vorsätzlich herbei. Hedgefonds erfüllen somit sowohl volkswirtschaftlich als auch gesellschaftlich keinerlei nützliche Funktion, sondern dienen einzig und allein der Bereicherung von Spekulanten. Kein Wunder also, dass man sie auch als Heuschrecken oder Aasgeier bezeichnet.
9. Bail-out / Bail-in
Dieser Beitrag ist auch als Video verfügbar. Zum Link: https://kenfm.de/the-wolff-of-wall-street-bail-out-bail-in/
2008 stand das globale Finanzsystem kurz vor dem Zusammenbruch. Der Auslöser der Krise war der Immobilienmarkt in den USA, ihre tiefere Ursache aber lag in einer Entwicklung, die in den 1970er Jahren eingesetzt und die gesamte Welt erfasst hatte.
Damals hatten Regierungen auf der ganzen Welt begonnen, das System zu deregulieren – also in zunehmendem Ausmaß Regelungen abzuschaffen, welche die Finanzindustrie einengen. Das erzeugte eine Art Goldrausch, sodass in den 1990er Jahren und im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends immer neue und immer fragwürdigere Finanzprodukte auf den Markt geworfen wurden. Als dann 2007/2008 zahlreiche bedeutende Finanzinstitute in aller Welt feststellen mussten, dass ein großer Teil der Produkte, auf denen sie saßen, wertlos waren, wandten sie sich hilfesuchend an die Regierungen. Die erklärten sie daraufhin für „too big to fail“ – also „zu groß, um sie zusammenbrechen zu lassen“ – und kamen ihnen mit einem sogenannten Bail-out zu Hilfe – das heißt, sie retteten sie mit Steuergeldern.
Das war ein historisch einmaliger Vorgang, denn obwohl diese Finanzinstitute ihre Probleme durch ihre spekulativen Aktivitäten an den Finanzmärkten selbst verschuldet hatten und obwohl sie fast ausschließlich sehr vermögenden Menschen gehörten, sorgten die Regierungen dafür, dass ihre Verluste in Milliardenhöhe mit Geld ausgeglichen wurden, das die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung erwirtschaftet hatte. Und obwohl es sich bei diesem Bail-out um die größte Vermögensumverteilung von unten nach oben in der gesamten Geschichte der Menschheit handelte, unternahm die Politik anschließend so gut wie nichts, um die Ursache des Problems – nämlich die tumorartige Wucherung des Finanzsektors – zu stoppen. Im Gegenteil, sie sah weitgehend tatenlos zu, wie das Finanzcasino nach der Krise wieder in Gang kam und sich in den folgenden Jahren sogar noch schneller als zuvor zu drehen begann.
Damit aber war klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es zu weiteren und möglicherweise noch größeren Zusammenbrüchen kommen würde. Die aber würden die Regierungen vor zwei riesige Probleme stellen: Zum einen würden sie viele Staaten finanziell in große Bedrängnis bringen, weil das erste Bail-out bereits riesige Löcher in ihre Haushalte gerissen hatte. Zum anderen würde die arbeitende und nicht von ihrem Vermögen lebende Bevölkerung eine weitere Umverteilung von unten nach oben wahrscheinlich nicht widerspruchslos hinnehmen.
Was also tun? Die Antwort der Regierungen in aller Welt lautete einhellig: Das Bail-out beim nächsten Mal durch ein sogenanntes Bail-in ersetzen, also nicht mit Steuergeldern einzugreifen, sondern zunächst die Teilhaber und Gläubiger der betroffenen Banken zur Kasse zu bitten – das heißt Aktionäre, Anleihebesitzer, Kontoinhaber und Sparer teilweise zu enteignen. Erwähnenswert ist dabei, dass bei den Anleihen zwischen vorrangigen und nachrangigen unterschieden wird. Vorrangige Anleihen gehören meist großen institutionellen Anlegern und werden erst dann zum Bail-in herangezogen, wenn die nachrangigen Anleihen, die meist Kleinanlegern gehören, ausgeschöpft sind.
Zum ersten Mal wurde solch ein Bail-in 2013 auf Zypern durchgeführt – und zwar ohne jegliche rechtliche Grundlage, denn die gilt in der EU erst seit 2016. Damals wurden allen Gläubigern und Kunden ab einem Betrag von 100.000 Euro bis zu 50 Prozent ihres Geldes genommen. Die vermögendsten Gläubiger, Teilhaber und Bankkunden waren allerdings kaum betroffen, da sie ihre Gelder rechtzeitig abgezogen hatten.
Weitere Bail-ins gab es seit 2015 in Italien, Portugal und Spanien – und das mit weitreichenden Folgen. In Italien wurden im Dezember 2015 vier toskanische Banken mittels Bail-in gerettet, nachdem sie das ganze Jahr über massenweise nachrangige Anleihen an Kleinkunden – vor allem an Rentner – verkauft hatten. Da die neue EU-Regelung, die Guthaben bis zu 100.000 Euro schützt, noch nicht in Kraft getreten war, verloren damals sehr viele Normal- und Geringverdiener ihr gesamtes Geld. Das Ergebnis war ein Aufschrei der Empörung, der dazu geführt hat, dass die italienische Regierung sich bis heute weigert, ein weiteres Bail-in durchzuführen und sogar wieder auf das alte Bail-out-System zurückgegriffen hat.
Die Entwicklung in Italien zeigt: Das Bail-in ist politisch kaum durchzusetzen, weil es ein durchsichtiger Versuch ist, die durch finanzielle Spekulation entstandenen Schäden von denen, die sie verursacht haben, auf andere abzuwälzen. Hinzu kommt auch noch die Tatsache, dass im Fall einer Großbank, wie zum Beispiel der Deutschen Bank, ein Bail-in nicht einmal annähernd ausreichen würde, um die zur Rettung notwendigen Summen aufzubringen.
Dass der Öffentlichkeit die Ersetzung des Bail-out durch das Bail-in als Maßnahme zum „Schutz der Steuerzahler“ präsentiert wird, ist reine Augenwischerei. Sowohl das Bail-out als auch das Bail-in sind nichts anderes als durch die Politik zugunsten der Finanzelite angeordnete Enteignungen – entweder der steuerzahlenden Allgemeinheit oder von Teilhabern und Gläubigern der notleidenden Banken – mit dem einzigen Unterschied, dass den Betroffenen in einem Fall in die linke und im anderen in die rechte Tasche gegriffen wird.
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