Wolff of Wall Street. Ernst Wolff

Wolff of Wall Street - Ernst Wolff


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hat, kann seine Marktmacht gezielt einsetzen und so dafür sorgen, dass die eigene Wette aufgeht. Der Derivate-Markt ist in den vergangenen drei Jahrzehnten geradezu explodiert und nimmt heute innerhalb der Finanzmärkte den mit Abstand größten Raum ein.

      Das heißt: Die Finanzmärkte von heute dienen in der Hauptsache nicht mehr der Förderung der Realwirtschaft, sondern führen ein Eigenleben, das einem riesigen Spielcasino gleicht – mit dem Nebeneffekt, dass es der Realwirtschaft auch noch schadet. Weil die riesigen Summen, die in diesem Casino verdient werden, zum größten Teil erneut in die Spekulation fließen, haben sie auch dazu beigetragen, die anderen Sektoren – also die Aktien-, Anleihen- und Devisenmärkte – weiter aufzublähen. Das Ergebnis: Wir haben es heute an den Finanzmärkten mit der größten Blase aller Zeiten zu tun. Das ist natürlich auch denen nicht entgangen, die das globale Finanz­system steuern – nämlich den Zentralbanken. Um das Platzen dieser Mega­-Blase zu verhindern, versuchen sie seit einiger Zeit, ihre Geldpolitik zu straffen, das heißt, weniger Geld ins System zu pumpen und die Zinsen anzuheben. Dabei stoßen sie aber auf ein gewaltiges Problem: Die niedrigen Zinsen der Vergangenheit haben Staaten, Unternehmen und Privathaushalte dazu verführt, sich immer mehr Geld zu leihen und den höchsten Schul­denberg aller Zeiten anzuhäufen. Schulden müssen aber bedient werden, und das wird durch eine Verringerung der Geldmenge bei gleichzeitiger Erhöhung des Zinssatzes erschwert.

      Die Finanzmärkte befinden sich deshalb in einer historischen Sack­gasse: Setzen die Zentralbanken die Straffung der Geldpolitik fort, treiben sie immer mehr Schuldner in die Zahlungsunfähigkeit, reißen sie das Ruder herum und pumpen noch mehr Geld zu noch niedrigeren Zinsen ins System – wächst die Mega-Blase weiter. Also: Wer auch immer über „die Finanz­märkte“ spricht, der spricht von einem System, das sich von einem Förderer der Realwirtschaft zu einem riesigen Parasiten entwickelt hat und das sich inzwischen auf Grund seiner schieren Größe mit herkömmlichen Methoden nicht mehr beherrschen lässt.

      2. Zentralbanken

       Dieser Beitrag ist auch als Video verfügbar. Zum Link: https://kenfm.de/the-wolff-of-wall-street-die-zentralbanken/

      Wenn wir an Banken denken, dann an Einrichtungen, bei denen wir ein Konto eröffnen, wo wir uns einen Kredit holen oder auch ein Schließfach zur Aufbewahrung von Wertsachen einrichten können. Es gibt allerdings eine Art von Bank, bei der das alles nicht möglich ist: Die Zentralbank, auch Notenbank genannt. Eine Zentralbank unterhält keine Filialen, in denen Kundenverkehr herrscht, und sie steht Privatpersonen auch online nicht zur Verfügung. Es gibt aber jemanden, für den die Zentralbank jederzeit da ist: die Geschäftsbanken. Sie dürfen bei der Zentralbank Konten ein­richten, sich Kredite holen und auch dort ihr Geld aufbewahren lassen. Das heißt: Die Zentralbank ist eine Bank nur für Banken. Und sie hat einen besonderen Status. Sie genießt nämlich zwei Rechte, die den Geschäfts­banken vorenthalten sind: Sie darf unbegrenzt aus dem Nichts heraus neues Geld schöpfen und ins System einspeisen und sie darf den Leitzins – also den Zinssatz, zu dem sie dieses Geld an die Geschäftsbanken verleiht – festlegen.

      Die Zentralbank steht also über den Banken und hat auf Grund ihrer Privilegien eine Art Steuerungsfunktion für die Geldwirtschaft. Da es sich heute bei den meisten Zentralbanken um staatliche Einrichtungen handelt, glauben viele Menschen, dass es sich bei ihnen um eine Art Kontrollinstanz handelt, mit der das Bankgewerbe vom Staat reguliert und beaufsichtigt wird. Das aber stimmt nicht – und das lässt sich am besten anhand der Geschichte belegen.

      Die ersten Zentralbanken sind nämlich nicht vom Staat geschaffen worden, sondern von Bankern und Kaufleuten, und zwar ausschließlich zum Zweck der persönlichen Bereicherung. Dabei wurde allerdings in allen Fällen eine Art Abkommen zwischen ihnen und der Politik geschlossen. Die Bank of England zum Beispiel wurde 1694 von vermögenden Kaufleuten gegründet, die dem König einen Kredit zur Kriegsführung gewährt haben. Auch die schwedische und die französische Zentralbank sind auf ähnliche Weise – durch Kreditvergabe zur Kriegsführung – entstanden. Die amerika­nische Zentralbank Federal Reserve wurde 1913 von den damals reichsten Bankern der Wall Street in geheimer Zusammenarbeit mit einigen wenigen hochrangigen Politikern gegründet.

      Die Zentralbanken gehen also in ihren historischen Anfängen auf ein Zusammenspiel von Bankern und Regierungen zurück. Profitiert haben davon beide: Die Banker haben das Recht zur Geldschöpfung erhalten, die Regierungen haben sich im Gegenzug eine Geldquelle geschaffen, aus der sie sich jederzeit bedienen können. Das klingt jetzt so, als hätten wir es hier mit zwei gleichberechtigten Partnern zu tun. Aber das stimmt nicht ganz: Wenn der eine Partner – die Politik – sich vom anderen Geld besorgen kann, der andere – die Zentralbank – es aber schöpfen darf – wer ist dann wohl der mächtigere? Genau: Mit den Zentralbanken haben sich die Banker Organisationen geschaffen, die sie über die Politik, über Regierungen und damit über den Rest der Gesellschaft erheben. In einer Welt, in der das Geld regiert, ist selbstverständlich derjenige der Mächtigste, der dieses Geld schaffen kann.

      Was bedeutet das für uns? Vor allem eines: Der Satz: „In einer Demo­kratie geht alle Macht vom Volke aus“, den wir alle in der Schule gelernt haben, ist einfach nicht richtig. Die wahre Macht in unserer Zeit haben nicht wir, sondern die Banken und ihre oberste Interessensvertretung – die Zentralbank. Das hat sich übrigens sehr deutlich in der Krise von 2007/2008 gezeigt. Das globale Finanzsystem war damals am Ende, musste reanimiert und anschließend am Leben erhalten werden. Diese Aufgabe haben Regie­rungen und Zentralbanken Hand in Hand übernommen. Die Regierungen haben diverse Großbanken mit Steuergeldern vor dem Bankrott gerettet, und die Zentralbanken haben anschließend das Geld geschöpft, mit dem die in den Haushalten entstandenen Löcher gestopft wurden.

      Da das aber nicht ausgereicht hat, sind die Zentralbanken noch weiter gegangen und haben Dinge getan, die sie früher niemals getan hätten: Um bankrotte Staaten am Leben zu erhalten, haben sie deren Staatsanleihen gekauft, um maroden Unternehmen unter die Arme zu greifen, haben sie deren faule Kredite und toxische Papiere übernommen. Außerdem haben sie ihnen Anleihen, Aktien und sogar Verbriefungen abgekauft – also genau die Finanzinstrumente, die das System 2008 an den Rand des Zusammen­bruchs gebracht haben. Auf diese Weise sind die Zentralbanken nicht nur zur wichtigsten Stütze des Systems geworden, sondern vor allem zu seinen größten Manipulatoren. Nicht etwa, dass sie die Finanzindustrie im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung in die Schranken weisen, nein, sie tun alles, um das bestehende System so lange wie möglich am Leben zu erhalten – mit der Folge, dass eine winzige Minderheit den eigenen Reichtum auch weiterhin fast ungehemmt vermehren kann.

      3. Derivate

       Dieser Beitrag ist auch als Video verfügbar. Zum Link: https://kenfm.de/the-wolff-of-wall-street-derivate/

      Die Weltwirtschaft wird seit einigen Jahrzehnten vom Finanzsektor be­herrscht. Dieser Finanzsektor ist inzwischen um ein Vielfaches größer als die Realwirtschaft. Und den größten Raum innerhalb dieses Finanzsektors nehmen die Derivate ein. Es waren solche Derivate, die das globale Finanz­system 1998 und 2008 beinahe zum Einsturz gebracht haben und die es auch heute wieder bedrohen. Derivate betreffen also nicht nur das Finanz­system, sondern uns alle.

      Das Wort Derivat kommt von dem lateinischen Verb „derivare“ und bedeutet „ableiten“. Derivate bezeichnen daher Finanzprodukte, deren Preis sich vom Preis eines anderen Produktes ableitet. Bei diesem anderen Pro­dukt, das man als Basiswert bezeichnet, kann es sich um alles Mögliche handeln – z.B. einen Rohstoff, einen Aktienkurs oder auch einen Zinssatz. Zu den Derivaten zählen u.a. Swaps, Futures, Forwards und Options – alles Begriffe, die dem Laien herzlich wenig sagen, die aber eines gemeinsam haben: Es handelt sich um sogenannte Termin-Kontrakte. Bei einem Ter­min-Kontrakt setzt man darauf, dass ein Basiswert entweder steigt oder fällt. Das heißt, ein Derivat ist im Grunde nichts anderes als eine Wette.

      Um zu verstehen, wie diese Derivate entstanden sind, und wie sie so wichtig werden konnten, muss man sich die Weltwirtschaft einfach einmal als einen Großmarkt vorstellen, auf dem Bauern ihre Waren anbieten, Zwi­schenhändler diese Waren aufkaufen und sie anschließend an Einzelhändler weiterverkaufen. Neben diesem Großmarkt


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