Wolff of Wall Street. Ernst Wolff

Wolff of Wall Street - Ernst Wolff


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gibt insgesamt drei Prozesse, die für die Geldschöpfung verant­wortlich sind:

      Bargeldschöpfung durch die Zentralbanken

      Geldschöpfung durch Kreditvergabe der Geschäftsbanken

      Geldschöpfung durch Zentralbankkäufe bei den Geschäftsbanken

      Fangen wir mit dem ersten Prozess an: Zentralbanken haben als einzige Banken das Recht, Münzen prägen und Noten drucken zu lassen, also Bar­geld zu erzeugen. Sie leiten dieses Geld über die Geschäftsbanken, die bei der Zentralbank Konten unterhalten, in den Geldkreislauf ein. Bargeld macht weltweit heute aber nur noch etwa 10 bis 20 % des Geldbestandes aus. Viel wichtiger als Bargeld ist das Buchgeld oder Giralgeld, also Geld, das nur auf Konten existiert. Zu dessen Vermehrung trägt der zweite Prozess bei, die Kreditvergabe durch die Geschäftsbanken. Hierzu ein Beispiel:

      Ich gehe zu einer solchen Geschäftsbank und bitte um einen Kredit über 1.000 Euro. Zuerst verlangt die Bank eine Sicherheit, das heißt, ich muss nachweisen, dass ich ein regelmäßiges Einkommen habe oder über genügend Besitz verfüge, um die 1.000 Euro auch zurückzahlen zu können. Dann vereinbart die Bank mit mir eine Laufzeit, zum Beispiel ein Jahr, und einen Zinssatz, zum Beispiel 5 %. Schließlich zahlt sie mir das Geld aus – aber nicht in bar, sondern, indem sie per Mausklick 1.000 Euro auf mein Konto überweist. Damit schafft die Bank Geld, das vorher nicht da war.

      Aber dieses Geld existiert nicht für immer. Wenn alles gut geht, über­weise ich der Bank ein Jahr später den Kredit samt Zinsen. Was passiert? Das Geld, das die Bank aus dem Nichts heraus geschaffen hat, löst sich in Luft auf, ist nicht mehr vorhanden. Nur eines bleibt: Die Zinsen in Höhe von 50 Euro, die ich der Bank zahlen muss. Die waren schon vorher da, ha­ben allerdings den Besitzer gewechselt. Die Geldschöpfung mittels Kredit­vergabe hat also dazu geführt, dass Geld, das vorher mir gehörte, jetzt der Bank gehört. Das gleiche gilt übrigens für den Fall, dass ich den Kredit nicht zurückzahlen kann. Dann bedient sich die Bank an den Sicherheiten, die ich ihr vorher bieten musste.

      Kommen wir zum dritten Prozess, der in unserer Zeit die wichtigste Rolle spielt und an dem sowohl die Geschäftsbanken als auch die Zentral­banken beteiligt sind. Nehmen wir an, eine Regierung braucht Geld. Was tut sie? Das gleiche wie wir alle: Sie leiht es sich. Dazu lässt sie zum Beispiel Staatsanleihen drucken, also Wertpapiere, auf denen wie bei einem Kredit eine bestimmte Summe, ein Zinssatz und eine Laufzeit festgelegt sind. Diese Staatsanleihen werden auf Auktionen an Geschäftsbanken ver­kauft. Dort bleiben sie aber nicht, denn anschließend kommt die Zentralbank ins Spiel und kauft den Geschäftsbanken diese Staatsanleihen ab – und zwar mit Zentralbankgeld, das nur zwischen der Zentralbank und den Ge­schäftsbanken oder von den Geschäftsbanken untereinander benutzt wird. Und dieses Zentralbankgeld schöpft sie – aus dem Nichts heraus. Es war vorher nicht da und wurde nur zum Zweck des Kaufes geschaffen. Dieser Prozess gilt nicht nur für Staatsanleihen: Seit der Krise von 2007/2008, die ja das globale Finanzsystem von Grund auf verändert hat, kaufen Zentral­banken auch andere Wertpapiere wie Unternehmensanleihen, Pfandbriefe, Aktien und Verbriefungen.

      Entscheidend dabei ist Folgendes: Die Zentralbanken kaufen alle diese Wertpapiere nie direkt von denen, die sie herausgeben – also zum Beispiel von Industriekonzernen, Aktiengesellschaften, Fonds oder – wie im Fall der Staatsanleihen – vom Finanzministerium, sondern immer von den Ge­schäftsbanken, die übrigens bei jedem einzelnen Verkauf eine Provisions­gebühr einstreichen. Dieser Prozess der Geldschöpfung – und das ist das alles Entscheidende – spielt sich also ausschließlich unter Bankern ab und begünstigt diejenigen Geschäftsbanken, die hauptsächlich an ihm beteiligt sind – und das sind die großen Banken.

      Sehen wir uns alle drei Geldschöpfungsprozesse noch einmal an: Beim ersten – der Bargeldschöpfung – spielt nur die Zentralbank eine Rolle. Der zweite – die Buchgeldschöpfung durch Kreditvergabe – ist ausschließlich Sache der Geschäftsbanken. Beim dritten – der Geldschöpfung durch den Ankauf von Wertpapieren – spielen sowohl die Zentralbank als auch die großen Geschäftsbanken und – im Falle der Staatsanleihen – auch die Politik eine Rolle.

      Wir – die normalen Bürger – sind an keinem dieser Prozesse beteiligt. Das System der parlamentarischen Demokratie lässt uns zwar alle vier Jahre zur Wahl gehen, sorgt aber seit seiner Einführung dafür, dass die Geldschöpfung ein uns allen entzogenes Sonderrecht ist, das den Zentral­banken, den Geschäftsbanken und – im Fall der Staatsanleihen – der Politik vorbehalten bleibt.

      8. Hedgefonds

       Dieser Beitrag ist auch als Video verfügbar. Zum Link: https://kenfm.de/the-wolff-of-wall-street-die-hedgefonds/

      Fonds sind Unternehmen, die das Geld von Investoren einsammeln, um es für sie anzulegen und auf diese Weise zu vermehren. Hedgefonds tun genau das, unterscheiden sich aber in mehreren Punkten von den übrigen Fonds:

      Der erste Unterschied betrifft ihre Klientel. Während gewöhnliche Fonds auch Normalverdienern offen stehen, ist das bei Hedgefonds nicht der Fall. Wer als Privatperson in einen Hedgefonds investieren möchte, muss ein extrem hohes Vermögen nachweisen. Die meisten Menschen, die ihr Geld in Hedgefonds anlegen, gehören zu den sogenannten „Ultra High Net-Worth Individuals“, also den Ultrareichen dieser Welt.

      Der zweite Unterschied betrifft die Strategie. Fonds konzentrieren sich in den meisten Fällen auf bestimmte Anlagebereiche, also zum Beispiel Aktien, Anleihen oder Immobilien. Hedgefonds dagegen haben keinen fest umrissenen Anlagebereich. Ihre Manager durchkämmen die Finanzmärkte ständig auf der Suche nach Gelegenheiten, um ihr wichtigstes Ziel zu er­reichen – in möglichst kurzer Zeit möglichst hohe Gewinne zu machen.

      Häufiger Schwerpunkt der Hedgefonds-Strategie sind Wetten auf Kurs­oder Preisschwankungen, und zwar nicht nur auf Ausschläge nach oben, sondern auch nach unten. Hierzu dienen insbesondere Leerverkäufe. Bei einem Leerverkauf von Aktien zum Beispiel setzt der Anleger auf fallende Kurse: Er kauft die Aktien nicht, um sie später mit Gewinn zu einem höhe­ren Preis zu verkaufen, sondern leiht sie sich, verkauft sie sofort, wartet dann ab, bis der Kurs gefallen ist, kauft sie dann wieder auf und gibt sie an den Eigentümer zurück. Auf diese Weise lässt sich sogar aus dem Kurs­rückgang einer Aktie Gewinn schlagen.

      Ein weiteres von Hedgefonds häufig angewandtes Mittel ist das Leveraging, zu Deutsch „die Hebelung“. Das klingt kompliziert, ist aber im Grunde ganz einfach. Ein Hedgefonds schließt hierzu eine Wette ab und leiht sich anschließend Geld, um den eigenen Wetteinsatz zu erhöhen, oft bis zum 30- oder 40-fachen Wert. Anders ausgedrückt: Leveraging heißt nichts anderes als Spekulieren auf Kredit.

      Damit wären wir auch schon beim dritten großen Unterschied zwischen Hedgefonds und den übrigen Fonds: der Risikobereitschaft. Mit der Hebelung ihrer Einsätze gehen Hedgefonds hohe Risiken ein, können also nicht nur sehr hohe Gewinne machen, sondern bei Fehlspekulationen auch sehr hohe Verluste erleiden. Wie gefährlich das werden kann, hat sich schon zweimal sehr eindrücklich gezeigt: 1998 hat sich ein amerikanischer Hedgefonds namens Long Term Capital Management im Währungsbereich verspekuliert und dadurch fast das globale Finanzsystem zum Einsturz gebracht. 2008 waren Hedgefonds mit ihren Wetten entscheidend daran beteiligt, dass das System nur durch das Eingreifen der Regierungen und der Zentralbanken gerettet werden konnte.

      Kommen wir zum vierten Unterschied, der Aggressivität von Hedge­fonds. Auf Grund ihrer Marktmacht und ihrer kurzfristig gewinnorientierten Strategie greifen sie gern zum Mittel der „feindlichen Übernahme“. Dabei schlucken sie Unternehmen gegen den Willen von Inhabern und Mitarbei­tern, führen sie aber nicht langfristig weiter, sondern weiden sie aus, ver­kaufen die profitabelsten Teile mit Gewinn – und hinterlassen einen Scher­benhaufen.

      Der fünfte und sechste Unterschied zwischen Hedgefonds und nor­malen Fonds besteht in der Steuervermeidung und der Intransparenz. Hedgefonds haben ihren Sitz zumeist an den Off-Shore-Finanzplätzen dieser Welt – den Steuerparadiesen, wo sie keinen Cent an Steuern zahlen müssen und wo ihnen außerdem ein Höchstmaß an Diskretion entgegen­gebracht wird, was wiederum dazu führt, dass die Vermögensverhältnisse oft äußerst undurchsichtig sind.

      Historisch


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