Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


Скачать книгу
vielleicht war es gut, sich möglichst oft zu erinnern, den Schmerz nicht zu vermeiden, sondern ihn anzugehen wie einen Gegner, der ja auch nicht starb, wenn man ihn nur umschlich, vielleicht konnte sie so den Schmerz schnell und hart besiegen, und dann würde ihr Kopf wieder frei sein für ihr wirkliches Leben.

      Sie vergrub das Gesicht im Kissen, dem ein leichter Kräuterduft entströmte, wild entschlossen, sofort damit anzufangen, und wie von selbst begannen die Tränen wieder zu fließen.

      Sie erschrak zu Tode, als jemand sie plötzlich leicht an der Schulter fasste. Es war Erin, ihre Dienerin.

      »Prinzessin«, sagte sie mit leiser, besorgter Stimme, »verzeiht mir bitte. Ich sprach Euch von der Tür an, aber Ihr hörtet nicht.«

      »Schon gut«, murmelte Lianna und suchte nach dem Taschentuch von vorhin.

      »Mein armes Mädchen«, sagte Erin und streichelte Liannas Rücken. »Ihr müsst wirklich völlig erschöpft sein. Ich habe Euch ein Bad gerichtet, wie Ihr es gewünscht habt. Danach solltet Ihr vielleicht noch etwas essen und Euch dann gründlich ausschlafen.«

      »Klingt gut«, sagte Lianna. »Genau das, was ich brauche.« Sie drehte sich, um Erin anzusehen, und lächelte, noch etwas zaghaft. »Es tut gut, wieder hier zu sein«, fügte sie hinzu und meinte es ehrlich.

      »Und es ist gut, Euch wieder hier zu haben«, erwiderte Erin. »Ihr dürft Euch wirklich nicht mehr in solche Gefahr begeben. Keiner von uns wäre je wieder froh geworden, wenn Euch etwas zugestoßen wäre. Aber nun kommt mit, ehe Euer Bad kalt wird.«

      Lianna folgte Erin hinaus in die hereinbrechende Nacht, hinüber zum Nachbarwagen, der als Badehaus für sie und ihren Vater diente. Aus einer großen hölzernen Wanne dampfte es, und ein süßer Duft nach Rosenöl durchzog den Raum. Frische Kleidung und ein großes Handtuch lagen auf einem Hocker bereit. Auf einem weiteren Hocker stand ein Becher mit Milch.

      Erin zog sich leise zurück, und Lianna legte ihre staubige Reisekleidung ab und stieg in das heiße Wasser. Sie stöhnte leise, als sie sich zurechtrückte und den Kopf gegen den Rand lehnte. Die Wärme tat gut, lockerte ihre verkrampften Muskeln und machte sie schläfrig. Es kostete sie einige Überwindung, den Arm auszustrecken, um den Becher greifen zu können. Die Milch war angewärmt und mit Honig gesüßt. Lianna lächelte. Es gab wohl keine Vorliebe, die Erin nicht mittlerweile bekannt war. Sie hatte nichts gegen das wilde, freie Abenteurerleben, aber sie stellte fest, dass es Dinge gab, um deretwegen sich ein Verzicht auf Abenteuer wirklich lohnte.

      Sie trank die Milch in kleinen Schlucken und hatte den Becher gerade geleert, als jemand an der Tür klopfte und gleich darauf eintrat, ohne ihr »Herein«, abzuwarten. Es war ihr Vater, und er brachte einen Schwall kühler Luft von draußen mit. Lianna tauchte bis zum Hals ins Wasser.

      » Es geht kalt rein.«, beklagte sie sich. »Mach bloß die Tür richtig zu.«

      Van Ranessa tat, wie ihm geheißen, und musterte dann seine Tochter mit besorgtem Blick.

      »Hast du alles, was du brauchst?«, fragte er.

      »Ja«, sagte sie. »Danke.«

      »Ich will dich nicht stören«, sagte er und klang fast etwas schüchtern.

      »Du störst nicht«, versicherte sie ihm automatisch.

      »Ich habe eine Idee«, erklärte er ihr und zog sich einen freien Hocker heran. »Ich möchte dir eine Freude bereiten, und deinen Sieg feiern. Wir könnten ein großes Fest halten, und wie wäre es, wenn wir Arik dazu einladen? Die Varellan sind ganz in der Nähe. Er könnte binnen einer Woche hier sein.«

      »Das wäre schön.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Wirklich. Ich habe Arik seit Monaten nicht mehr gesehen.«

      »Ich schicke morgen früh gleich einen Boten. Arik wird überglücklich sein, zu hören, dass du wohlbehalten zurück bist. Er hat sich schreckliche Sorgen gemacht. Er hat noch versucht, dich aufzuspüren, als die Nachricht ihn erreichte, aber du hast ihn genauso abgeschüttelt wie die Männer, die ich auf deine Spur gesetzt hatte. Du bist eine raffinierte junge Dame.«

      »Danke schön.«

      »Ich bin wirklich gespannt auf deinen Bericht.«

      »Morgen, Papa. Ich bin viel zu müde für eine lange Erzählung.«

      Van Ranessa nickte.

      »Dann nur eines noch. Dieser Krieger, den du erwähntest – weißt du genug über ihn, dass wir ihn aufspüren können? Ich möchte ihn zu unserer Siegesfeier einladen.«

      »Das ist keine gute Idee. Er würde es nicht wollen, glaub mir.«

      »Aber warum denn nicht? Jeder, der zu einem unserer Feste geladen war, spricht noch Jahre später davon.«

      »Ich sagte bereits, er ist schüchtern. Und ... ich glaube nicht, dass Arik und er sich vertragen würden.«

      »Warum machst du ein solches Geheimnis um diesen Kerl? Ich will nichts weiter als ihm geben, was ihm zusteht. Er hat meine Tochter unterstützt. Ich schulde ihm Dank und eine Belohnung, und niemand soll behaupten können, Van Ranessa hätte sich nicht großzügig gezeigt. Es gilt unseren Ruf zu schützen, Lianna. Versteh das bitte.«

      »Ich will ihn nicht einladen! Es ist mein Fest, und ich kann ja wohl einladen, wen ich will!«

      Van Ranessa seufzte. »Dann gib mir wenigstens seinen Namen, damit ich ihm eine Botschaft übermitteln kann.«

      »Warum ist er dir so wichtig? Was interessierst du dich so für ihn? Er ist ein Ehrenmann, er hat mir gegen den Troll beigestanden, und mehr musst du nicht wissen!«

      Van Ranessa sah seine Tochter lange an.

      »Die Frage ist vielmehr, warum er dir so wichtig ist«, sagte er schließlich.

      »Quatsch«, schnaubte Lianna. Ihre Augen brannten, vom Seifenwasser vielleicht. »Er ist mir nicht wichtig. Sein Name ist Eisenfels, und er wohnt irgendwo am Fuß des Wettersteins. Jetzt weißt du’s. Schreib ihm einen Brief, wenn du willst.«

      »Eisenfels«, wiederholte Van Ranessa. »Das ist ein wenig gebräuchlicher Name unter den Sesshaften. Eisenfels. Klingt wie ... Ich ließ vor Jahren Waffen anfertigen bei einem Schmied in Zweibrücken, der hieß ähnlich ... Feuerfels, Eisenschmied ... es war ein Zwerg ... Eisenfels, sagtest du? Klingt wie ein Zwergenname für mich.«

      Lianna ließ vorsichtig Atem ausströmen. Ihr Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals. Sie war kaum zwei Stunden zu Hause, und schon hatte ihr unvorsichtiges Geschwätz sie in Schwierigkeiten gebracht.

      »Er ist kein Zwerg. Er ist ein Mensch aus den Ebenen. Was kann er für seinen Namen?«

      Van Ranessa erhob sich von seinem Hocker und begann, mit großen Schritten im Badewagen hin- und herzugehen.

      »Du warst also in der Wildnis – mit einem Mann aus den Ebenen – alleine – Tag und Nacht?«

      »Was ist dabei? Ich habe einen Troll zur Strecke gebracht, Papa. Meinst du nicht, ich kann mich gegen einen Kerl wehren, der mir an die Wäsche will?«

      »Was dabei ist? Frag Arik, was dabei ist!«

      »Arik bestimmt aber nicht mein Leben!«

      »Tut er nicht?« Van Ranessa starrte düster auf sie hinunter. »Dein Abenteuer hat dir nicht gut getan, Tochter. Du hast vergessen, wer du bist, und welche Verpflichtungen dir obliegen.«

      »Und kaum bin ich wieder hier, hast du nichts Besseres zu tun, als mich daran zu erinnern! Da wäre ich doch lieber weggeblieben!«

      »Keiner von uns kann sich sein Leben aussuchen, wir sind alle dort, wo die Götter uns hingesetzt haben.«

      »Ist das so?« Sie schöpfte sich Wasser ins Gesicht, um Tränen zu verstecken. »Ja. Wahrscheinlich hast du recht. Das ist ja auch so einfach.«

      Van Ranessa hob die Hände und ließ sie wieder fallen.

      »Mit dir ist heute nicht mehr zu reden. Ruh dich aus. Ich lasse dir


Скачать книгу