Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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sie keinen Sinn ergaben. Die Schmiede öffnen, arbeiten, essen, schlafen, mit den Ordensbrüdern beten. Gròr bitten, er möge ihm die Erinnerung an das Licht nehmen, wo er ihm doch schon das Licht genommen hatte.

      Er stand auf, vorsichtig, ging hinüber zu seinem Lager und streckte sich aus. Die Lampe auf dem Tisch ließ er brennen. Sie hatte nie ohne Licht einschlafen mögen.

      Er lag bis zum Morgengrauen wach.

      In den nächsten Tagen strömte das Leben an Lianna vorbei wie ein seltsamer, bunter Fluss, und sie stand am Ufer und schaffte es nicht, hineinzuspringen. Sie hatte mit sich selbst eine Abmachung getroffen: Bis zu Ariks Ankunft und dem Siegesfest wollte sie ihren Kummer überwunden haben. Eine Woche, so hatte sie gedacht, musste mehr als ausreichen, sie konnte sich ohnehin nicht vorstellen, diesen Schmerz über einen längeren Zeitraum zu ertragen. Doch die Zeit verstrich und heilte nichts.

      Unter den Sidarthi-Stämmen schien sich die Geschichte von Lianna Trolltöterin auf raschen Schwingen zu verbreiten, denn bereits einige Tage nach ihrer Rückkunft trafen die ersten Gesandten ein, um Glückwünsche und Geschenke zu überbringen. Van Ranessa war höchst zufrieden mit dieser Entwicklung.

      »Du weißt, ich hielt nie viel von diesem Krieger-Prinzessinnen-Quatsch«, sagte er zu ihr, »aber es scheint sich nicht zu unserem Nachteil auszuwirken. Die Menschen mögen den Gedanken, dass ich einmal von einer mutigen und tatkräftigen Anführerin abgelöst werde. Es gibt ihnen Sicherheit.«

      Die Desilver sprachen vor und wurden empfangen. Lianna saß neben ihrem Vater und spielte ihr früheres Selbst. Ihre goldenen Ohrringe klirrten leise, wenn sie den Kopf bewegte, und die Hände hatte sie wie eine brave Tochter im Schoß gefaltet. Ihre Finger spielten mit den himmelblauen Rockfalten, und sie lächelte, während ihr beunruhigende Gedanken durch den Kopf wanderten. Sie kannte den alten Rian Desilver seit ihrer Kindheit. Sie erinnerte sich, wie er sie als kleines Mädchen auf seinen Knien geschaukelt hatte, und sie war immer ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass es ihr bezauberndes Wesen war, das seine Zuneigung hervor gerufen hatte, bei ihm wie bei allen anderen.

      Doch was, wenn er nur um seines eigenen Vorteils willen so freundlich ist? Die Desilver sind eine noble Familie, aber sie haben Schulden. Vielleicht wäre er gar nicht hier und würde mir schmeicheln, wenn er sich nicht einen Sack Gold davon versprechen würde.

      Und für wen mochte das noch gelten? Die Turgon? Die Asild? Letztlich auch für enge Vertraute wie Elva oder Erin, und was blieb dann noch?

      Und Arik?

      Wie konnte sie sicher sein?

      Sie spürte eine Berührung an ihrem Arm und schrak hoch.

      »Wo bist du nur mit deinen Gedanken?«, fragte Van Ranessa mit förmlichem Lächeln.

      »Was?«, sagte sie und spürte die Blicke von Rian Desilver und seinen beiden Söhnen auf sich. »Entschuldigt bitte«, fügte sie eilig hinzu. »Ich wollte nicht unhöflich sein. Ich ... musste nur gerade an etwas denken ...«

      »Schon gut«, erwiderte Desilver freundlich. »Ich kann mir gut vorstellen, dass es eine Menge zum Nachdenken gibt nach einem solchen Erlebnis. Es zeigt einem die eigenen Grenzen, nicht wahr?«

      »Ja«, sagte Lianna, obwohl sie nicht genau wusste, was er damit meinte.

      »Ich sagte gerade zu Eurem Vater, ob Ihr Euch nicht die Pferde ansehen möchtet, die ich für Euch mitgebracht habe«, sagte Desilver.

      »Pferde?«, wiederholte Lianna, und etwas wie tatsächliches Interesse erwachte in ihr.

      Desilver lachte. »Ihr müsst mit Euren Gedanken sehr weit entfernt gewesen sein, wenn Ihr das überhört habt. Ich weiß doch, wie groß Eure Leidenschaft ist.«

      »Und das hat sich nicht geändert«, bestätigte Lianna. »Lasst uns keine Zeit verlieren. Ich will sie ansehen.«

      Desilvers Söhne persönlich brachten die Pferde, eine braune Stute, offenbar tragend, und einen jungen Hengst mit leuchtend fuchsrotem Fell, beide klein und kräftig, aber mit guten Proportionen und klarem, lebhaftem Blick, typische Desilver-Pferde, wie Lianna feststellte, intelligent und flink und gutmütig, allerdings kaum in der Lage, Eindruck zu machen, wie es der Schwarze tat. Sie beschäftigte sich ausgiebig mit den beiden Tieren, klopfte ihnen den Hals und betastete ihre Beine, wobei der Fuchs spielerisch mit den Lippen an ihrem Rock zog. Desilver schilderte währenddessen stolz die Vorzüge der beiden Tiere und welche wunderbaren Fohlen zu erwarten wären, wenn man sie in die Ranessa-Zucht einkreuzte. Lianna lächelte. Sie kannte Desilvers Ansichten über die Ranessa-Pferde, die er für imposant, aber nervenschwach und allzu leicht erregbar hielt.

      Sie legte ihre Hand auf die weiche Nase des Fuchses. Mit seiner niedrigen Statur wäre er im Gebirge wahrscheinlich besser zurechtgekommen als der Schwarze.

      »Sie sind wundervoll«, sagte sie und arbeitete gegen ein plötzliches Gefühl der Enge in ihrem Hals. »Ich danke Euch wirklich sehr. Dies ist ein äußerst großzügiges Geschenk.«

      »Wenn Ihr sie mögt, bin ich glücklich«, erwiderte Desilver. »Ich weiß, sie gehen in die allerbesten Hände.«

      Lianna sah von Desilver hinüber zu ihrem Vater, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und einen sehr zufriedenen Eindruck machte.

      »Ich würde diesen hier gern ausprobieren«, sagte sie und wies mit dem Kinn auf den Fuchs. »Ihr interessiert Euch doch sicher für mein reiterliches Urteil, oder nicht?«

      »Selbstverständlich«, bestätigte Desilver, während Van Ranessas Zufriedenheit einer leisen Missbilligung wich.

      »Jetzt gleich?«, fragte er. »Du kannst doch nicht unsere Gäste vernachlässigen!«

      »Bitte!« Lianna schlug die Augen auf. »Bitte bitte. Ich möchte so gerne!«

      Es funktionierte, wie immer. »Macht Euch keine Sorgen«, versicherte Desilver. »Ich werte es nicht als Unhöflichkeit. Im Gegenteil, ich freue mich darauf, Eure Meinung zu erfahren. Wir kennen uns so lange«, fügte er zu Van Ranessa gewandt hinzu, »da schadet es nichts, wenn wir die Dinge etwas lockerer sehen.«

      »Na gut«, stimmte Ranessa zu, obwohl Lianna ihm ansah, dass es ihm nicht recht war. »Von mir aus. Aber bleib nicht zu lange weg.«

      »Versprochen«, lächelte Lianna, nahm den Fuchs am Strick und zog ihn mit sich.

      Kurze Zeit später hatte sie das blaue Kleid gegen ihre Reitsachen getauscht, sich in den Sattel geschwungen und das Wagendorf hinter sich gelassen.

      Der Fuchs trug sie bereitwillig. Seine Bewegungen waren kurz und energisch, aber angenehm, nachdem sie sich einmal daran gewöhnt hatte. Mit entspannter Neugier betrachtete er die fremde Umgebung. Seine Gelassenheit besänftigte Lianna. Reiten war gut gegen den Schmerz und die Anstrengung, es war das Einzige, was half. Ihre Pferde mochten sie, egal wer sie war und was sie war.

      Der Fuchs hatte offenbar eine hervorragende Schule erfahren. Er reagierte auf den leisesten Wink, als sie ihn in lockerem Trab einen Hügel erklimmen ließ, hinter dem weitere sich bis zum Waldrand wellten. Das Gras war herbstlich gelb und raschelte unter seinen Hufen. Die Luft ließ schon den Winter ahnen.

      Sie dachte an Thork, sie konnte gar nicht verhindern, dass sie es tat. Sie fragte sich, ob er in der Zwischenzeit schon in seiner Zwergenstadt angekommen war, in seiner Schmiede, sie konnte sich gut vorstellen, wie es aussah, wenn er mit Feuer und glühendem Stahl umging, er würde eine schwere Lederschürze tragen und hätte den Feuerschein auf dem Gesicht. Sie atmete tief und zitternd. Sie wollte wirklich nicht weinen, man würde es ihr ansehen, wenn sie zum Wagendorf zurückkam. Sie konzentrierte sich auf die Bewegungen des Fuchses, ließ sich den Hügel hinauf schaukeln und auf der anderen Seite wieder hinunter, es war eine beruhigende Gleichförmigkeit in seinen Bewegungen, die ihr gut tat. Sie versuchte, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Drei oder vier Tage noch, dann würde Arik eintreffen und das große Siegesfest würde stattfinden. Sie erinnerte sich, dass sie seine Gesellschaft auf vielerlei Art genossen hatte, doch die Vorstellung hatte jeden Reiz verloren. Genauso gut hätte man planen können, sie mit einem Fremden zu verheiraten.

      Sie


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