Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic
»Unwahrscheinlich«, sagte der Zwerg. »Wenn ein Angreifer den Schutz der Dunkelheit nutzen möchte, muss er sich nicht die Mühe machen, einen Nebel zu erschaffen. Nein, mittlerweile spricht einiges dafür, dass wir durch den Nebel lediglich verwirrt werden sollten.«
»Aber von wem? Und warum?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin kein Hellseher.«
Sie seufzte und trat von einem Fuß auf den anderen. Das Leder ihrer hohen Stiefel knirschte leise.
»Ich will ein Feuer«, sagte sie. »Mir ist kalt. Diese verdammte Feuchtigkeit macht mich fertig.«
»Es wird schwer sein, eines in Gang zu bringen«, wandte er ein.
»Vor allem, wenn wir es gar nicht erst versuchen«, fauchte sie ihn an. Er zuckte zurück, überrascht.
»Ich habe nicht gesagt, dass wir es nicht versuchen«, stellte er klar und fand sich in dem unwirschen Ton wieder, den er gerne für eine Weile abgelegt hätte. »Nur, dass es nicht einfach sein wird. Hör doch zu, wenn dir jemand etwas sagt.«
»Und du, sprich nicht in diesem Ton mit mir! Ich kann das nicht leiden!«
»Ich kann dich nicht leiden. Aber im Gegensatz zu dir achte ich die allgemeinen Gesetze der Höflichkeit.«
»Warum sollte ich zu einem Zwerg höflich sein?«
Er sah zu ihr hinauf. Er beschloss, sich nicht länger provozieren zu lassen. »Du solltest es sein, wenn du willst, dass dieser Zwerg dir ein Feuer anschürt«, sagte er.
Sie schnaubte verächtlich, ein Laut, der auch von ihrem Höllenross hätte stammen können.
»Ich mach mir mein Feuer schon selbst«, sagte sie, warf den Kopf in den Nacken und steckte ihr Schwert zurück in die Scheide.
»Bitte sehr«, nickte er, äußerlich ungerührt, während er innerlich das wiederkehrende Bedürfnis niederkämpfte, tätlich zu werden, bis sie ihren Hochmut ablegte.
Er sah zu, wie sie die nahe Umgebung des Felsens auf der Suche nach Feuerholz durchstreifte. Es war ein mühsames Geschäft, sie benötigte einige Zeit, bis sie einen Stapel zusammengetragen hatte, der etwa eine Stunde brennen würde.
»Was ist los?«, herrschte sie ihn schließlich an. Ihr Gesicht war gerötet von der Anstrengung, Fichtennadeln hingen in ihrem Zopf. »Machen bei euch Zwergen die Frauen die ganze Arbeit?«
»Durchaus nicht«, erwiderte er. »Aber ich achte deinen Entschluss, dir dein Feuer selbst zu schüren.«
Sie sah ihn an, und dann tat sie etwas, das für ihn völlig unerwartet kam: Sie lachte.
Vergnügt und befreit sprudelte es aus ihr heraus, zauberte kleine Grübchen in ihre Wangen und ließ gerade weiße Zähne zwischen ihren vollen Lippen schimmern.
»Du hast recht«, sagte sie, und die Melodie ihres Lachens klang in ihrer Rede weiter. »Ich verdiene es nicht anders. Willst du mir nicht helfen und dieses Holz etwas zerkleinern? Ich bitte dich darum.«
Thork stand und starrte sie an, überrascht und völlig in den Bann geschlagen. Niemals zuvor hatte Schönheit auf diese Weise sein Inneres berührt.
»Ja«, sagte er schließlich, als ihm klar wurde, dass er aufgefordert war, eine Antwort zu geben. »Natürlich. Gerne.«
Er war dankbar, als er sich von ihr abwenden konnte, um das kleine Holzbeil aus seinem Gepäck zu holen. Es steckte in einer ledernen Umhüllung, die es vor Feuchtigkeit schützte. Er nahm es heraus und prüfte die Schärfe mit dem Daumen, dann machte er sich daran, die Äste, die Lianna gebracht hatte, zu kürzen.
Die körperliche Arbeit tat ihm gut, sie vertrieb die feuchte Klammheit aus seinem Körper und die Verwirrung aus seinem Geist.
Während Lianna sich noch auf Holzsuche befand, errichtete er einen kleinen Stoß aus Reisig und Tannenzapfen.
Mit Feuerstein und Eisen schlug er Funken und ließ sie auf ein Büschel getrocknetes Moos tropfen, das er aus seinem Vorrat entnahm. Knisternd fing es schließlich Feuer. Vorsichtig schob er es in den Holzstoß, wo es zischend erlosch.
Nach zwei weiteren, ebenso vergeblichen Anläufen begann er, Flüche zu murmeln. Sein Vorrat an Moos würde nicht beliebig viele Versuche hergeben.
Lianna kam zu ihm und ließ sich erhitzt und schnaufend neben ihm auf den Boden plumpsen.
»Will’s nicht?«, fragte sie.
»Ich sagte bereits, es ist sehr feucht«, knurrte er, Eisen und Stein aneinander schlagend.
»Lass mich mal. Dein Holzstoß ist zu eng. Es kriegt keine Luft.«
»Mein Holzstoß ist perfekt. Könnte gar nicht besser sein.«
»Und warum brennt es dann nicht?«
»Weil es zu feucht ist, verdammt noch mal! Finger weg!«, fuhr er sie an, als sie sich an dem kunstvoll aufgetürmten Holzstoß zu schaffen machte. »Du wirst es nur zum Einsturz bringen!«
»Unsinn«, erwiderte sie ungerührt. »So. Versuch’s noch mal.«
Diesmal griff das Feuer, wenn auch zögernd, auf den Holzstoß über. Qualm stieg auf und verband sich mit dem Nebel, der sie noch immer umgab. Vorsichtig schirmte der Zwerg die kleine Flamme mit seinen Händen und blies hinein.
»Pass doch auf«, tadelte Lianna. »Du sollst es anblasen, nicht ausblasen!«
»Halt den Mund«, knurrte er. Sie beugte sich zu ihm, ihr Gesicht war nahe bei seinem. Unbehagen befiel ihn, und er wich zurück.
Vorsichtig blies sie in die Glut und legte Reisig nach, das trocken genug war, um zu brennen. Eine kräftige Flamme sprang auf. Er veränderte seine Position, um mit seinem Rücken den Wind abzuhalten, und beobachtete, wie das Feuer ihre Wangen rosig färbte.
Kurze Zeit später hatten sie ein Feuer, das zuverlässig, wenn auch qualmend brannte.
»Sehr schön«, sagte sie zufrieden, lehnte sich an den Fels und streckte ihre langen Beine aus. Er knurrte etwas, das sich, wie er hoffte, nach Zustimmung anhörte, füllte seinen Teetopf mit Wasser und setzte ihn ins Feuer.
Sie zog ihren Rucksack zu sich heran und begann, darin herumzukramen.
»Was hast du zu essen?«, fragte sie. »Ich habe noch etwas Brot, Trockenfrüchte, Käse, ein Stück von einem Hasen ...«, sie zog ein in Tuch geschlagenes Päckchen hervor, roch daran, verzog das Gesicht und warf das Päckchen hinaus in den Nebel, »... vergessen wir den Hasen. Und du?«
»Brot, Trockenfleisch, Haferflocken«, sagte er, ohne nachzusehen.
»Klingt nach einem Festmahl«, erwiderte sie und verdrehte die Augen. »Und wofür ist das Wasser in diesem Topf?«
»Tee.«
»Tee ist gut«, verkündete sie.
»Wer hat gesagt, dass ich ihn mit dir teile«, knurrte er.
Sie lächelte auf eine Art, die ihm rätselhaft war. »Du sagtest vorhin, du würdest die Grundregeln der Höflichkeit achten«, erinnerte sie ihn. »Nun, ich würde es sehr unhöflich finden, wenn du ihn nicht teilen würdest. Schließlich haben wir ein gemeinsames Feuer.«
Er warf ihr einen grimmigen Blick zu und seufzte dann tief. Ihr rätselhaftes Lächeln bekam eine Note von Triumph.
Sie teilten ihre Vorräte und aßen schweigend. Als der Tee fertig war und sein bitteres Aroma verströmte, goss Thork vorsichtig etwas davon in die hölzerne Trinkschale und genoss für einen Augenblick die Wärme, die durch das Holz in seine Hände drang.
Gestern noch hatte er den gleichen Tee im Kampf mit der jungen Schwertkämpferin verschüttet, nun, gerade einen Tag später, war er im Begriff, ihn mit ihr zu teilen. Er schüttelte den Kopf und reichte ihr die Schale hinüber, ohne selbst getrunken zu haben. Das Leben ging manchmal verschlungene Pfade.
Sie