Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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aus, indem er die Glut betrachtete, die allmählich unter der Asche erstickte.

      »Was soll es denn bedeuten?«

      »Ach, weißt du«, erwiderte sie, »Um diese Spur wiederzufinden, verbringe ich auch noch einen Tag in deiner Gesellschaft.«

      »Was du ohne diese Notwendigkeit niemals tun würdest.«

      »Götter! Das war ein Scherz!«

      »Tatsächlich.«

      »Tatsächlich«, wiederholte sie mit Nachdruck. Sie rappelte sich auf und begann, ihre Schlafdecke zusammenzurollen.

      »Tatsache ist, dass ich noch nicht weiß, ob es ich oder wir bedeutet«, sagte er und drehte den Kopf, um sie endlich anzusehen. »Ich habe kein Interesse daran, mein Wissen mit dir zu teilen, dich auf die Spur zu bringen und dann zuzusehen, wie du dich auf dein héltier schwingst und mich abhängst. Ganz zu schweigen davon, dass ich den Tag nicht nur in deiner Gesellschaft, sondern auch in der dieses Monsters verbringen müsste.«

      »Ich kann eine sehr angenehme Gesellschafterin sein«, versprach sie ihm lächelnd.

      »Für deinesgleichen, das glaube ich gerne«, seufzte er. »Aber für meinesgleichen?«

      »Du solltest den Versuch wagen. Nicht zuletzt deshalb, weil wir dann zu zweit wären, wenn uns dieser Zauberer über den Weg läuft. Und, nachdem dir das ja offenbar sehr wichtig ist, wir könnten in aller Ruhe unsere Ansprüche klären.«

      »Gib mir dein Wort, dass du nicht versuchen wirst, mich zu übervorteilen«, forderte er.

      »Ich gebe dir mein Wort«, sagte sie feierlich. »Bist du nun zufrieden?«

      »Zunächst«, knurrte er.

      Lianna fütterte und tränkte den Schwarzen, während Thork sein Gepäck verschnürte und die Glut austrat und sich fragte, wie zur hél er darauf verfallen sein konnte, ihr dieses Angebot zu machen.

      Auf den Zauberer stießen sie nicht an diesem Tag, aber, kaum eine halbe Stunde nach ihrem Aufbruch, auf Reste einer anderen Lagerstatt. Sie lag am Fuße des Felsens, den Thork im Nebel vergeblich zu erreichen versucht hatte. Eine ganze Reisegruppe musste hier die Nacht verbracht haben, vier oder fünf Leute, das Gras richtete sich gerade wieder auf, dort, wo sie gelegen hatten, und die Asche der Feuerstelle war noch warm.

      »Sieh mal«, sagte Lianna und deutete auf einen Stiefelabdruck im weichen Boden, der deutlich kürzer und auch weniger tief war als die übrigen. »Eine Familie vielleicht, mit Kindern.«

      »Schön wär’s«, knurrte der Zwerg finster. »Aber ich mag nicht daran glauben. Es ist kein Dorf in der Nähe und keine Straße. Und vergiss nicht den Zauberer.«

      Sie sahen sich an.

      »Der Zauberer«, wiederholte Lianna. »Ich habe nie zuvor einen getroffen. Gesehen schon, aber nicht mit einem gesprochen. Möchtest du mir nicht verraten, wie es funktioniert mit der Zauberei?«

      »Ich sage es dir ein drittes Mal: Ich bin kein Zauberer.«

      »Ich habe dich etwas tun sehen, das ich als Zauberei bezeichnen würde. Und ehe du mir nicht erklärt hast, was du bist, bist du ein Zauberer für mich.«

      Allmählich sah Thork ein, dass er an einer Erklärung nicht vorbei kam, wenn er jemals wieder seine Ruhe haben wollte.

      »Der Unterschied liegt in der Herkunft der Kräfte, die man für Zauber verwendet. Zauberer verwenden Kräfte, die nicht aus dem Göttlichen kommen. Sie zapfen einfach die Energieströme der Umgebung an, und sie tun es ohne Bedacht und Notwendigkeit. Es ist Missbrauch.«

      »Keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte sie mit einem Lachen. »Zumindest habe ich verstanden, dass du kein Zauberer sein willst. Was bist du dann?«

      »Meine Kräfte kommen von Gròr, oder Grandir, wie er bei den Menschen heißt. Der Weltenschmied.«

      »Dann bist du also ein Priester?«

      Thork seufzte. »Wenn du schon unbedingt eine Bezeichnung dafür brauchst, gefällt diese mir besser als die vorige.«

      »Schade«, sagte Lianna. »Ich würde schrecklich gerne mal einen Zauberer persönlich kennenlernen. Ich habe mal einen in einem Gasthaus gesehen. Er hat aus einem völlig normalen Ei einen Drachen schlüpfen lassen, der war so groß wie eine Kuh und flog den Leuten über den Köpfen herum, bevor er sich in Luft auflöste. Es war ein Riesenspaß! Das Ei hat er übrigens danach aufgeschlagen. Es war wirklich ein völlig normales Ei.«

      »Genau davon sprach ich. Missbrauch.«

      »Ich nehme an, du könntest so etwas nicht vollbringen?«, fragte sie mit einem Hauch Unschuld in der Stimme.

      »Nein«, sagte er finster. »Und ich habe nicht das geringste Interesse daran, es zu erlernen.«

      Lianna lachte vergnügt. »Schade. Nun, dann werde ich diesen Zauberer danach fragen, wenn wir ihn treffen.«

      »Wenn wir ihn treffen«, erwiderte Thork, der sich zum Gehen wandte, »dann trifft meine Faust ihn an der Schläfe. Danach kannst du ihn fragen, was du willst.«

      Der Waldhüter Galdur war der größte Mensch, den Lianna jemals gesehen hatte. Neben ihm fühlte sie sich wie ein Kind, und sie musste den Kopf in den Nacken legen, um in sein bärtiges Gesicht sehen zu können. Der Zwerg gar, mit seiner kurzbeinigen, gedrungenen Gestalt, wirkte in ihren Augen vollends lächerlich neben dem Riesen, doch schien er es nicht zu bemerken oder mit Fassung zu tragen.

      Sie erreichten Galdurs Haus am späten Nachmittag, nachdem sie einen ganzen Tag lang quer zum Hang und hangabwärts gegangen waren, ohne auf etwas anderes als fliehende Rehe und eilig die Bäume hinauf huschende Eichhörnchen zu stoßen. Ihre Ankunft hatte sich durch ein zunächst kaum hörbares, dann immer deutlicheres Rauschen angekündigt, das der Zwerg mit einem kurzen »Wir sind bald da«, kommentiert hatte. Schließlich öffnete der Wald sich zu einem kleinen Gebirgstal. Ein Bach stürzte eine Felsstufe von etwa doppelter Mannshöhe hinunter und ergoss sich schäumend in einen tiefen, dunklen Teich, von wo aus er sich in steinigem Bett einen Weg durch das Tal suchte. Auf der anderen Seite des Teiches stand ein niedriges, efeuumranktes Steinhaus, umgeben von einem Gemüsegarten. An der Wetterseite wartete ein großer, ordentlich gestapelter Holzvorrat auf den Winter.

      Durch die kniehohe, nach Heu duftende Wiese, über der die Wärme lag, gingen sie hinüber zum Haus. In das Bachbett waren große Trittsteine gelegt worden, so dass man den Bach bequem und trockenen Fußes überqueren konnte. Wenn man schon, so dachte Lianna, ein Haus bauen musste, in dem man eine lange Zeit sesshaft lebte, so war dies sicher ein guter Ort dafür. Nun ja, ein wenig einsam vielleicht, schränkte sie ein, während sie den Schwarzen vorsichtig in den Bach führte.

      In der Mitte des Baches blieb der Schwarze stehen, senkte den Kopf, um das Wasser zu beschnuppern, und begann dann zu trinken. Lianna legte den Arm auf seinen Widerrist und lehnte sich gegen seine Schulter. Der Zwerg war weitergegangen und tauschte nun eine herzliche Begrüßung mit dem riesenhaften Mann, der aus dem Haus gekommen war, um sie zu empfangen. Lianna konnte über dem Rauschen des Wasserfalles nicht verstehen, was gesprochen wurde, doch sie nahm zur Kenntnis, dass der Riese lange hinüber in ihre Richtung sah, während der Zwerg zu ihm sprach. Sein wilder schwarzer Bart hing ihm zusammen mit dem Haupthaar bis auf die Brust hinunter, und er hatte Arme wie Baumstämme. Im Vergleich zu ihm wirkte der Zwerg regelrecht vertrauenerweckend.

      Sie begann sich zu fragen, ob es eine kluge Entscheidung gewesen war, mit einem Zwerg, den sie kaum kannte, der ihr Konkurrent und überdies eben ein Zwerg war, einen Waldmenschen aufzusuchen, der sich möglicherweise mit seinem Freund gegen sie verbünden konnte. Sie fühlte sich plötzlich ein wenig einsam und verunsichert in diesen endlosen Wäldern. Sie würde nicht ohne zwei lange Messer in den Stiefeln schlafen. Besser noch, sie würde, wenn möglich, gar nicht schlafen.

      »Du bist mein Verbündeter«, flüsterte sie dem Schwarzen zu, der den Kopf hob und zufrieden schnaufte. Wasser tropfte von seinem Maul.

      »Genug?«, sagte sie. »In Ordnung. Dann lass uns mal guten Tag sagen.«


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