Drachengabe - Halbdunkel - Diesig - Finster. Torsten W. Burisch
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Drachengabe
Halbdunkel - Diesig - Finster
Sammelband Bd. 1-3
Torsten W. Burisch
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Impressum:
Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2020 Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstr. 10, 88085 Langenargen
Telefon: 08382/9090344
Alle Rechte vorbehalten.
Titelbild und Illustrationen: Torsten W. Burisch
Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM
ISBN: 978-3-96074-290-6
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Für
„annikA“
26.12.1987-10.02.2003
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Kapitel 1
Halb dunkel und erdrückend eng zog sich der Tunnel dahin. Nur kleine, sporadisch angebrachte Luftschächte ließen ein paar wenige Sonnenstrahlen in den staubigen Gang fallen. Das gebündelt eintretende Licht verdeutlichte das Herabrieseln loser Erde von der niedrig hängenden Stollendecke. Zu einer anderen Zeit wäre selbst hier unten die Luft klar und rein gewesen, doch irgendetwas ging dort oben vor sich. Irgendetwas Großes, Schweres brachte die Erde zum Erzittern. Dröhnen und Krachen vermischten sich mit einem bedrohlichen Brüllen. Je weiter man den Tunnel entlangging, desto lauter wurde es. Und je lauter es wurde, desto deutlicher bogen sich die in regelmäßigen Abständen angebrachten Stützbalken mit äußerst beunruhigenden Geräuschen von brechendem Holz durch. Was auch immer dort vor sich ging, man war gut beraten, sich fernzuhalten.
Doch der eigene Wille war ohne Bedeutung. Es ging weiter, immer weiter, immer näher an das Nerven zermürbende Szenario heran. Der Lärm wurde so durchdringend, dass es in den Ohren schmerzte. Doch nun hörte man noch etwas anderes. Erst bruchstückhaft und kaum wahrzunehmen, dann aber zunehmend klarer und deutlicher. Es war ein Mann.
Er schrie aus Leibeskräften. Er fluchte und drohte, er schimpfte und verhöhnte. Aber in einigen unregelmäßigen Abständen unterbrach er sein Geschrei und schwieg. Kurz darauf flammte das Getöse, das sich an der Oberfläche abspielte, unheilvoll auf. Das Gebrüll war eindeutig der Ausdruck unbändiger Wut, dem jedes Mal ein Fauchen folgte, ähnlich dem einer Katze, nur weitaus lauter und bedrohlicher. Anschließend quoll ein warmer, stickiger und nach Schwefel riechender Gestank den Stollen hinauf.
Da! Ein Huschen am Ende des Ganges. Der Mann, nun laut geifernd, lief den Querstollen entlang. In dem kurzen Moment seines Erscheinens ertönte ein Schrei, lauter und schriller als alles vorher Gehörte. Es war ein Name, das war sicher, doch lagen so viel Angst und Panik in der Stimme, dass er nicht deutlich zu verstehen war. Wieder brüllte irgendetwas an der Oberfläche auf, was nun schon so nah war, dass man die in der Luft liegende Schallvibration selbst hier unten spüren konnte. Doch dieses Mal war es nicht nur ein brüllender Aufschrei vor Wut, sondern ein durch Schmerzen verursachtes klagendes Jaulen.
Nur einen Augenblick später ertönte abermals das Angstschweiß verursachende Fauchen. Nun jedoch lauter und unheilvoller als die vorangegangenen Male. Fast im gleichen Moment entstand eine kochend heiße Druckwelle, die so stark war, dass sie einen nach hinten umwarf. Für einen kurzen Moment wurde es schwarz.
Als es wieder heller wurde, war der Blick gen Stollendecke gerichtet. Die Holzstützen waren von der unglaublichen Hitze angesengt. Dünner hellgräulicher Rauch stieg aus ihnen empor. Unter größter Anstrengung tastete sich der Blick an der Tunnelwand entlang zum nun nicht mehr weit entfernten Ende. Langsam legte sich der aufgewirbelte Sandstaub und gab die Sicht auf den Quergang wieder frei.
Es war unter- sowie oberhalb der Erde ruhig geworden. Nur langsame, schlurfende Schritte durchbrachen die Stille. Eine Gestalt, gebückt gehend und mit gesenktem Kopf, erschien am Stollenende. Sie drehte sich ins Blickfeld und sah hoch. Es war ein Mann. Zumindest das, was noch von ihm übrig war. Er trug eine Rüstung vor seinem Brustkorb, die bis zum Hosenansatz ging und in zwei schmalen Streifen über den Oberschenkeln endete. Sie war völlig verformt und zerkratzt. Seine Beine und Arme waren nur mit einer dicken Lederschicht überzogen, die nun an manchen Stellen durchgebrannt war, sodass blutige Flecken darunter zum Vorschein kamen. Seine Hände und sein Gesicht aber wiesen keinerlei Art von Schutz auf. Auch der kleine Helm auf seinem Kopf hatte keinen Gesichtsschutz. Und so hing die Haut an allen Stellen, die der erbarmungslosen Hitze frei ausgesetzt gewesen waren, in verkohlten schwarzen Fetzen herunter. Zum Teil waren die Wunden so tief, dass man die Knochen hätte sehen müssen, wären nicht auch sie mit schwarzem Ruß belegt. Vom kompletten verstümmelten und geschundenen Körper stiegen dunkle Rauchschwaden auf. Es war ein Anblick des Grauens.
Der Mann sank auf seine Knie und fiel vornüber auf den sandigen Boden. Bewegungslos blieb er liegen, während der erneut aufgewirbelte Staub ihn einhüllte. In diesem Moment zerriss ein Aufschrei die aufgekommene beängstigende Stille. Er war so grell, so laut und vor allem so hoch, dass er einem durch Mark und Bein fuhr.
***
Mit einem Ruck setzte sich Dantra auf. Sein Herz raste und sein Atem ging so schnell wie der eines Hundes, der in sengender Hitze seit Stunden seinem Herrn zu Pferd gefolgt war. In seinem Kopf drehte sich alles und seine Gedanken wirbelten durcheinander.
„Was ist passiert? Wo bin ich? Wer hat da so geschrien?“ Die erleichternde Erkenntnis „Nur ein Traum. Es war nur ein Traum.“ ließ ihn wieder ruhiger werden. Nach einem weiteren kurzen Moment des Orientierens fand er zurück in seine momentane Situation. „Ach ja, sie haben mich ja in dieses ekelhafte Loch gesperrt.“ Mürrisch legte er sich wieder zurück auf das recht spärlich vorhandene Stroh, das als Bettunterlage dienen sollte, und zog sich die kratzige Pferdedecke bis über die Ohren, in der Hoffnung, so der feuchten Kälte zu entkommen.
Die Tage waren schon der Jahreszeit entsprechend warm, doch kühlte es in den Nächten immer noch deutlich ab. Und da das einzige Fenster in Form eines Oberlichtes ohne Verglasung war und es keinerlei Heizmöglichkeiten gab, war Dantra der Kälte hier unten schutzlos ausgeliefert. So war es auch kein Wunder, dass die Decke, obwohl sie stank und ihn wie ein Nadelkissen am ganzen Körper stach, zumindest für diese eine Nacht sein bester Freund geworden war.
Allerdings war es auch nicht schwer, Dantras bester Freund zu werden. Nicht etwa, weil er leicht zu beeinflussen war und er jeden, der es hätte hören wollen, als besten Freund bezeichnet hätte. Ganz im Gegenteil. Er hatte einen ausgeprägten Dickkopf, der ihm schon oft Ärger eingebracht hatte. Eine eigene, nicht gerade positive Meinung über seine Mithäftlinge, wie er sie nannte, und den Mut, auch einmal gegen einen größeren und ihm offensichtlich überlegenen Gegner die Fäuste zu erheben. Allerdings waren dies leider nicht die Tugenden, die Freundschaften förderten. Dessen war sich Dantra wohl bewusst. Aber seine Zeit hier war begrenzt, und so wollte er sich nicht verbiegen lassen, weder für eine Freundschaft, die ohnehin nicht ehrlich gewesen wäre, noch für die Zuneigung der Schwester Oberin, auch wenn ihm dadurch das Leben hier drin erheblich erleichtert worden wäre.
Das Häufchen Stroh unter ihm war kaum in der Lage, Wärme zu speichern, geschweige denn die vom Steinfußboden aufsteigende Kälte abzuhalten. Und da die Chance, nach seinem aufwühlenden Traum nochmals einzuschlafen, äußerst gering war, setzte er sich wieder auf und wickelte seinen besten Freund fest um sich. Seine Erinnerungen