Die Chiemsee Elfen. Yvonne Elisabeth Reiter

Die Chiemsee Elfen - Yvonne Elisabeth Reiter


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      »Dann gin­gen sie in Hos­pi­tä­ler und lie­ßen ihre schwe­re Er­kran­kung be­han­deln.«

      Aar lach­te laut­stark, was Ni­mue auch zum La­chen brach­te. Trotz­dem hat­te sie kei­ne Ah­nung, was dar­an so lus­tig war.

      Nach ei­ni­gen Freu­den­trä­nen wur­de er wie­der ernst und er­zähl­te sei­ne Ge­schich­te wei­ter: »Der rote Kö­nig sprach oft und viel mit Kö­nig Aar. Ei­nes Ta­ges er­klär­te er mei­nem Ur­groß­va­ter, wie sehr er hoff­te, dass un­ser Volk eine schö­ne Hei­mat fin­den wür­de. Dort, wo gu­ter Wein wächst und die Men­schen ger­ne fei­ern. Dort, wo das Reich der Geis­ter und El­fen Früch­te trägt und das Dunk­le kei­nen Zu­gang hat.« Da klopf­te er sanft auf Ni­mu­es Kopf und er­klär­te: »Üb­ri­gens, Kö­nig Aar war da­mals schon sehr alt. Er hat­te das üb­li­che El­fe­n­al­ter schon weit über­schrit­ten. Al­ler­dings wuss­te er, dass er sich erst auf­lö­sen kann, wenn sich sein Volk in Si­cher­heit an ei­nem schö­nen Platz an­ge­sie­delt hat. Er war wild ent­schlos­sen, eine neue Hei­mat für sein Volk zu fin­den, und so in­for­mier­te er sich über die nächst­lie­gend an­gren­zen­den Län­der zu Ita­li­en. Bei ei­nem sei­ner all­abend­li­chen Ge­sprä­che mit Rory er­zähl­te ihm die­ser von Bay­ern. Der rote Kö­nig selbst war noch nie dort ge­we­sen, al­ler­dings hör­te er von Vor­bei­rei­sen­den im­mer nur Gu­tes dar­über. Zu­dem lie­fen die Han­dels­ge­schäf­te zwi­schen Ita­li­en und Bay­ern be­son­ders in­ten­siv, und so kann­te der Geis­ter­kö­nig einen Han­dels­weg zu Lan­de, der von Ve­ne­dig über Inns­bruck nach Bay­ern führ­te. Auf die­sem Pfad konn­ten sie es nicht ver­feh­len, so war er sich si­cher. Aus ei­nem mir un­be­kann­ten Grund je­doch ka­men sie in Ös­ter­reich vom Weg ab und über­quer­ten die Al­pen der­art, dass sie di­rekt am Fuße des Chiem­sees die baye­ri­sche Vor­al­pen­land­schaft be­tra­ten, und da pas­sier­te es.«

      »Was, Opa, was pas­sier­te da?«, rief Ni­mue auf­ge­regt.

      »Kö­nig Aar traf auf den Ur-Ur-Ur­groß­va­ter dei­nes Freun­des Hub­si.«

      »Oh, und dann?«

      »Dann hat die­ser mit dei­nem Ur-Ur-Ur­groß­va­ter Aar Freund­schaft ge­schlos­sen und ihm den frei­en Raum am Bo­den des Sees an­ge­bo­ten. Erst woll­te er sein Volk nicht im Was­ser an­sie­deln, da wir ja ur­sprüng­lich ein Wald­volk wa­ren. Des­halb bist du nicht nur eine See-, son­dern auch eine Wal­del­fe.« Er stups­te mit sei­nem rech­ten Zei­ge­fin­ger auf ihre Nase. »Nach vie­len Ge­sprä­chen und Be­sich­ti­gun­gen der Ge­gend ent­schied er sich den­noch für das Land Bay­ern und das Le­ben hier. Der Schutz, den das Was­ser zwi­schen un­se­rem Reich und der Was­ser­o­ber­flä­che mit sich brach­te, über­zeug­te ihn au­ßer­dem von ei­nem Le­ben am Bo­den des Chiem­sees. Dar­auf­hin ha­l­fen alle zu­sam­men. Die Was­ser­geis­ter, eine Troll­fa­mi­lie, die oben auf der Frauen­in­sel leb­te, und vie­le an­de­re Licht­we­sen bau­ten ge­mein­sam un­ser Kö­nig­reich Shen­ja auf. Nach ein paar Mo­na­ten war es fer­tig und alle über­le­ben­den Wald- und See­el­fen konn­ten ein­zie­hen. Da­mals wa­ren es nur noch 123 El­fen, samt dem Heer.«

      »So we­ni­ge, Opa«, wun­der­te sie sich. »Was pas­sier­te da­nach mit un­se­rem Kö­nig?«

      »Als al­les fer­tig auf­ge­baut und das gro­ße Ein­wei­hungs­fest in vol­lem Gan­ge war, rief er sei­ne äl­tes­te Toch­ter Cara, sei­nen ers­ten Sohn Tad­gh, sei­nen zwei­ten Sohn Oi­sin und sei­ne jüngs­te Toch­ter Anna zu sich. Die Kö­ni­gin versta­rb wäh­rend der an­stren­gen­den Rei­se und so war die engs­te Fa­mi­lie voll­stän­dig. Er er­klär­te, dass Tad­gh, mein Groß­va­ter, sein Nach­fol­ger wer­den soll­te. Zu­dem mein­te er, dass es nun an der Zeit sein wür­de, zu ge­hen, um Platz für neue We­sen sei­ner Art, also Nach­kom­men, zu schaf­fen.«

      »War­um, Opa? War­um kön­nen wir hier nicht ein­fach alle zu­sam­men wei­ter­le­ben?«

      »Weil der Raum zu eng wird, die Ener­gi­en zu dicht und wie auch bei den Men­schen ir­gend­wann der Platz aus­ge­hen wür­de. Je en­ger der Le­bens­raum, umso mehr Rei­be­rei­en ent­ste­hen und das er­schwert je­des Le­ben. Je­des We­sen braucht sei­nen na­tür­li­chen Be­reich, um frei und kre­a­tiv exis­tie­ren zu kön­nen. Zu­dem wird die Wei­ter­ent­wick­lung ge­för­dert, da Al­tes durch Neu­es er­setzt wird, auch wenn es uns schwer­fällt, das Alte los­zu­las­sen. Un­se­re See­len sind je­doch im­mer mit­ein­an­der ver­bun­den, auch wenn wir kei­ne Kör­per mehr mit un­se­ren El­fe­n­au­gen se­hen kön­nen.«

      »Ja, Opa, das weiß ich«, ant­wor­te­te Ni­mue er­leich­tert über die­ses Be­wusst­sein. Trotz­dem woll­te sie an eine der­ar­ti­ge Ver­än­de­rung in ih­rer Fa­mi­lie noch nicht den­ken, denn ihr Ur­groß­va­ter war be­reits 999 El­fen­jah­re alt, und was das zu be­deu­ten hat­te, war ihr klar. Ir­gend­wann wür­de auch er sie ver­las­sen.

      »Was hat Kö­nig Aar dann ge­macht?«, frag­te sie neu­gie­rig.

      »Er hat al­len sei­ne Lie­be ver­si­chert und auch ei­nes je­den zu­künf­ti­ge Auf­ga­ben er­läu­tert. Dann küss­te er die Wan­gen sei­ner Kin­der, dreh­te sich um und ver­schwand hin­ter der di­cken Ei­chen­tür. Der da vor­ne!« Er zeig­te auf die nächst­lie­gen­de Tür ge­gen­über dem Oh­ren­ses­sel. »Sei­ne Kin­der hör­ten ihn kurz dar­auf die knar­ren­de Holz­trep­pe zum Süd­turm hin­auf­ge­hen. Da­nach wur­de er nie mehr ge­se­hen.«

      Ni­mue stell­te sich den Süd­turm bild­lich vor. Sie dach­te an die obers­te Kam­mer, ihr Lieb­lings­zim­mer, in dem sie mit ih­ren Ge­schwis­tern schon oft ge­spielt hat­te. An die­sem Ort muss­te sei­ne El­fen­see­le sei­nen Kör­per ver­las­sen ha­ben. Kein an­de­rer Raum kam da­für in­fra­ge.

      Da er­klan­gen die Wor­te ei­ner wei­chen, den­noch durch­drin­gen­den Frau­en­stim­me: »Aar, wo bleibst du nur?«

      Es war ihre Groß­mut­ter Oona, die be­reits seit vier El­fen­stun­den auf ih­ren Mann war­te­te, der ihr im Ge­wächs­haus bei der Pfle­ge der Pflan­zen hel­fen soll­te.

      Oona stamm­te aus dem El­fen­reich Lara. Die­ser El­fen­stamm leb­te und lieb­te die Ein­sam­keit im Schut­ze ei­nes Zau­ber­wal­des, wel­che sie nach ih­rer Hoch­zeit kom­plett auf­ge­ben muss­te. Trotz­dem fühl­te sie sich im Reich Shen­ja sehr wohl. Dies er­klär­te sie sich aus den Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten ih­res Va­ters, der von ei­ner be­son­ders wil­den und aus Feu­er be­ste­hen­den El­fen­fa­mi­lie ab­stamm­te. Er litt sehr un­ter der Zu­rück­ge­zo­gen­heit und Stil­le des Fa­mi­li­en­stam­mes sei­ner Frau und doch ver­zich­te­te er auf sei­ne Lei­den­schaf­ten aus Lie­be zu ihr. Sein El­fen­stamm moch­te, ge­nau­so wie der El­fen­stamm Shen­ja, die Mu­sik, das Es­sen und das Tan­zen. Bei­de glaub­ten an den be­son­de­ren Zau­ber der fei­er­li­chen Ma­gie und die vie­len klei­nen Ge­schen­ke dar­in. So ver­kör­per­te Oona in ih­rer neu­en Hei­mat aus ih­rer Na­tür­lich­keit her­aus das ge­erb­te Feu­er ih­res Va­ters. Oo­nas Mut­ter da­ge­gen wies eine Be­son­der­heit auf. Ihr Volk war ur­sprüng­lich ein Feen­volk und hat­te nur we­ni­ge El­fe­n­an­tei­le, auch wenn an der Spit­ze ih­res Stamm­bau­mes eine Elfe stand. Sie war eine sehr licht­vol­le Fee. Ihr Cha­rak­ter zeich­ne­te sich durch Lie­bens­wür­dig­keit und eine Art kind­li­cher Ver­spielt­heit aus. Die­se Ei­gen­schaf­ten hat­te auch Oona, wel­che Ni­mu­es Groß­va­ter sehr an sei­ner Frau lieb­te.

      Oona


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