Die Chiemsee Elfen. Yvonne Elisabeth Reiter

Die Chiemsee Elfen - Yvonne Elisabeth Reiter


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Feind, doch ge­währt man ihm kei­ne Macht, wen­det er sich wie­der ab und schenkt sei­ne Auf­merk­sam­keit de­nen, die da­ge­gen an­kämp­fen. Mei­ne Klei­ne, wich­tig ist«, be­ton­te er stets, »dass du ehr­lich und gut zu an­de­ren bist. Da­bei musst du dir nicht al­les ge­fal­len las­sen, aber denk im­mer dar­an: So wie du von an­de­ren be­han­delt wer­den möch­test, so ver­fah­re auch du mit ih­nen. Ach­te vor al­lem auf dich selbst«, er­klär­te er da­nach für ge­wöhn­lich. »So oft muss ich se­hen, wie Men­schen sich selbst ver­leug­nen, um Ide­a­le oder all­ge­mei­ne Mei­nun­gen an­de­rer nach­zu­ah­men. Oder sie sind von Selbst­zwei­feln be­fan­gen, so­dass sie sich dar­in ver­lie­ren, dar­un­ter lei­den und da­durch einen falschen Weg ein­schla­gen. Krank­heit, Elend und Trau­er re­sul­tie­ren dar­aus und zer­stö­ren das schö­ne, ur­sprüng­lich strah­len­de Ich des Lei­den­den. Du selbst, mit al­lem was da­zu­ge­hört, bist wich­tig, mei­ne Rao’ra, denn wer dir im­mer er­hal­ten bleibt, bist du dir selbst. So pfle­ge dein Ich, so wie du dei­ne Lieb­lings­blu­me müt­te­r­lich pflegst, und du wirst auf die glei­che, wun­der­schö­ne Wei­se er­b­lü­hen, wie sie es im­mer tut.«

      Ni­mue konn­te sich nicht jede Le­bens­weis­heit ih­res Opas auf An­hieb er­klä­ren. Es soll­ten je­doch noch Zei­ten auf sie zu­kom­men, in de­nen sie das eine oder an­de­re ver­ste­hen lern­te, ohne da­nach zu fra­gen.

      Ni­mue war mit ei­ner Grö­ße von etwa 1,64 Me­ter für ihr Al­ter sehr statt­lich ge­wach­sen und über­rag­te da­mit die meis­ten gleich­alt­ri­gen El­fen. Ihre Haut­fa­r­be war Hell­braun mit ei­nem leich­ten blau­en Schim­mer. Sie hat­te lan­ges, dun­kel­brau­nes Haar und trug schon als Kind oft jun­gen­haf­te Klei­dung. Die Schloss­be­woh­ner wa­ren sich ei­nig, dass ihre El­tern an der bur­schi­ko­sen Ent­wick­lung schuld sei­en, denn die­se hat­ten sich nach drei Mäd­chen einen Jun­gen ge­wünscht. Trotz­dem, das vier­te Kind wur­de er­neut ein Mäd­chen und so er­klär­te es sich von selbst, dass sie einen klei­nen Jun­gen dar­aus mach­ten. Dies ent­sprach je­doch nicht der Wahr­heit. Wenn ihre El­tern zu die­ser Ent­wick­lung einen Bei­trag leis­te­ten, dann nur der­art, dass sie ihr die Frei­heit ga­ben, so sein zu dür­fen, wie sie es woll­te, und sie lieb­te jede Art von Klei­dung. Sie zog Klei­der an, wenn es die Tra­di­ti­on ver­lang­te, wie zum Bei­spiel zum tra­di­ti­o­nel­len Abend­es­sen. An­sons­ten be­vor­zug­te sie Ho­sen, vor al­lem, wenn sie durch den Wald rann­te oder ritt. Sie ver­fin­gen sich nicht in den Äs­ten und er­leich­ter­ten da­mit jede Be­we­gung. An ih­rem gro­ßen Ge­burts­tag wür­de sie ganz be­stimmt ein Kleid tra­gen.

      Ni­mue freu­te sich schon sehr auf das Fest, da der Kö­nig die­sen ma­gi­schen 130s­ten Ge­burts­tag be­son­ders ehr­te. Seit Ta­gen konn­te sie vor Auf­re­gung nicht mehr schla­fen, denn in elf El­fen­ta­gen war es so weit. An die­sem Tag hat­te sie einen gro­ßen Wunsch frei und die­ser war be­reits in ih­ren Ge­dan­ken ma­ni­fes­tiert: die Er­laub­nis ih­res Ur­groß­va­ters, ih­res Groß­va­ters und ih­res Va­ters für eine Zeit bei ih­rer Cou­si­ne auf der Zau­be­r­in­sel zu le­ben und da­bei die Welt der Men­schen zu ent­de­cken. Sie hat­te vie­le tol­le Ge­schich­ten von ih­rer Cou­si­ne ge­hört und woll­te nun ein Teil da­von wer­den.

      Ihre El­tern, Ya­vi­ra und Hu­bert, fühl­ten schon lan­ge, dass ihre Toch­ter bald auf Rei­sen ge­hen wür­de. Ei­ner­seits freu­ten sie sich für Ni­mue und an­de­rer­seits stell­ten die Dun­kelel­fen eine Ge­fahr für Ni­mue dar. Au­ßer­halb des Schlos­ses war die­se nicht zu kon­trol­lie­ren, was die Welt ober­halb des Chiem­sees ge­fähr­lich für Ni­mue mach­te.

      Ach ja, der Name ih­res Va­ters war für El­fen na­tür­lich sehr un­ge­wöhn­lich. Oona wähl­te ihn we­gen ei­nes Men­schen, der Hu­bert hieß und ur­sprüng­lich auf der Frauen­in­sel leb­te. Als Ni­mu­es Groß­mut­ter mit Hu­bert schwan­ger war, hat­te sie gro­ße Pro­ble­me, das Kind zu ge­bä­ren. Sie schrie laut und dies war un­ge­wöhn­li­cher­wei­se auch für einen Men­schen am Ufer der Frauen­in­sel zu hö­ren. Er mach­te sich gro­ße Sor­gen, dass je­mand ge­ra­de er­trin­ken wür­de, und sprang ins Was­ser, um die­se sich in ver­meint­li­cher Not be­fin­den­de Per­son zu ret­ten. Nach­dem er tie­fer und tie­fer ge­taucht war, ver­lor er das Be­wusst­sein. Doch Schank­ti, die Me­di­zi­nel­fe, ret­te­te ihn. Durch die Hei­lung durch­flu­te­ten sei­nen Men­schen­kör­per et­li­che El­fen­stof­fe und so wur­de er ein Hal­bel­fe. Von die­sem Tag an leb­te er im Reich Shen­ja. Sein Name war Hu­bert. Das Be­son­de­re lag je­doch in dem Er­eig­nis, das wäh­rend sei­ner Hei­lung und so­mit Trans­for­ma­ti­on pas­sier­te. Es schien, als ob sei­ne Ver­wand­lung auch Ni­mu­es Groß­mut­ter heil­te, denn es ging ihr schlag­ar­tig bes­ser. Kurz dar­auf ge­bar sie einen ge­sun­den männ­li­chen El­fen. Alle glaub­ten, dass er Oona durch sei­ne selbst­lo­sen und warm­her­zi­gen Ener­gi­en ge­ret­tet hat­te, und so wur­de Ni­mu­es Va­ter nach ihm be­nannt.

      Ni­mue wur­de am sieb­ten Tag des drit­ten Ster­nen­mo­nats ge­bo­ren. Da der zwei­te Ster­nen­mo­nat in vol­lem Gan­ge war, lie­fen die Vor­be­rei­tun­gen für das Fest be­reits auf vol­len Tou­ren. Bei­na­he je­der Schloss­be­woh­ner hat­te eine oder meh­re­re Auf­ga­ben, denn die­se Fei­er soll­te et­was ganz Be­son­de­res wer­den. Zum einen, weil Ni­mue die Ur­en­ke­lin des Kö­nigs war. Zum an­de­ren, weil der Tag der Ua­ne­a­la-Ver­wand­lung einen be­son­de­ren Stel­len­wert im Le­ben ei­ner je­den Elfe hat­te. Er sym­bo­li­sier­te die Ent­wick­lung von ei­nem ver­spiel­ten Lamm in einen auf­ge­hen­den Schwan. Von die­sem Tag an wur­den El­fen nicht mehr als Kin­der an­ge­se­hen, son­dern als an­ge­hen­de Er­wach­se­ne. Da­nach rich­te­te sich ihr Fo­kus noch in­ten­si­ver auf das Ler­nen, je­doch nun nicht mehr aus­schließ­lich auf spie­le­ri­sche Art und Wei­se, son­dern deut­lich mehr zu­kunfts­o­ri­en­tiert. Zur Un­ter­stüt­zung dien­ten eine El­fen­schu­le und die Er­fah­run­gen der Vor­fah­ren, die stets von be­son­de­rer Be­deu­tung wa­ren. Da­bei lern­ten die jun­gen El­fen un­ter an­de­rem die Un­ter­schie­de zwi­schen ih­rem Ster­nen­ka­len­der und dem Men­schen­ka­len­der ken­nen. Auch die El­fen hat­ten Fei­er­ta­ge, an de­nen jede Elfe ihre Ar­beit nie­der­leg­te. Es wa­ren die ma­gi­schen Tage der El­fen, näm­lich je­weils der drit­te, sieb­te und 13te ei­nes Mo­nats. Die Zahl 13 war für die El­fen nicht nur eine ma­gi­sche Zahl, son­dern auch ihre Glücks­zahl.

      Trotz der Un­ter­schie­de war der Ster­nen­ka­len­der dem Men­schen­ka­len­der sehr ähn­lich, da auch die El­fen die Zeit über die Mond­pha­sen be­rech­ne­ten. Den­noch hat­ten sie 13 Ster­nen­mo­na­te. Neun Mo­na­te hat­ten 27 Tage, denn es hieß, dass sich je­weils am 27s­ten Tag Son­ne und Mond tref­fen, um ihre Be­stim­mung zu tei­len.

Sternenkalender

      Die El­fen des Rei­ches Shen­ja wur­den viel äl­ter als Men­schen und hat­ten so­mit einen ganz an­de­ren Über­blick über die Tier- und Pflan­zen­welt. Die Na­tur lehr­te sie über die Jahr­tau­sen­de hin­weg viel über das Le­ben selbst und vor al­lem über das Le­ben mit ihr. Das alte Wis­sen ih­rer Vor­fah­ren, die im Wald be­hei­ma­tet wa­ren, ver­bun­den mit ih­rer neu­en Le­bens­wei­se un­ter Was­ser, mach­ten sie zu sehr wei­sen und er­fah­re­nen Ge­schöp­fen. So wur­de die Na­tur, egal wel­cher Art, zum Le­bens­eli­xier ei­ner Elfe, ohne die sie nicht zu über­le­ben fä­hig ge­we­sen wäre.

      Ni­mue leb­te bis zu die­sem Tag bei­na­he aus­schließ­lich


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