Wie ein Schmetterling im Käfig. Frauke Bielefeldt

Wie ein Schmetterling im Käfig - Frauke Bielefeldt


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die frische Luft tief eingeatmet. Das ist die dritte Aufgabe der Medizin für chronisch Kranke: Pflegen und Lindern. Das tun, was gut- und wohltut. Auch wenn es den Allgemeinzustand nicht unbedingt bessert.

      Welches Wohlbefinden ein normal gesunder Körper bereitet, merkt man nämlich erst, wenn es ausbleibt. Neben dem Ziel, gesünder zu werden, ist es deswegen ungemein wichtig, dass wir uns in unserem kranken Körper einigermaßen wohlfühlen können. Es passiert so leicht und unbemerkt, dass wir einen Hass auf ihn entwickeln, weil er uns so viele Schwierigkeiten bereitet. Wer wollte es einem verübeln, wenn man dem grollt, der uns vom Leben abschneidet und uns Schmerzen und Leid bereitet?

      Doch unser Körper ist nur der Symptomträger. Unser „Feind“ ist die Krankheit. Unser armer Leib trägt sie nur aus. Er braucht unsere volle Unterstützung. Schließlich ist er ein Teil von uns. Können wir unserem kranken Körper die Hand reichen und ihm ein geduldiger Freund sein? Nicht ein Sklaventreiber, der aus ihm noch das Letzte herauszuschlagen versucht? Es ist nicht leicht, ein gesundes Verhältnis zu einem kranken Körper zu entwickeln. Aber es geht. Und es hat wiederum positive Rückwirkungen auf unsere Seele, unser Selbstbild und unsere Selbstachtung.

      Wir können eine Menge tun, um unserem Körper zu signalisieren, dass wir ihn schätzen. Machen wir es uns bequem, mit einer guten Matratze zum Schlafen und einer gemütlichen Couch am Tag. Die guten alten Hausmittel bieten viele Möglichkeiten, mit deren Hilfe wir uns selbst wohltun können: Kräutertees, warme Milch mit Honig, eine Wärmflasche. Selbst in einer kleinen Duschwanne lassen sich angenehme Sitzbäder nehmen, wenn man keine Badewanne im Haus hat. Wellnessprodukte bieten zusätzlich einen schier unerschöpflichen Markt. Vielleicht finden Sie ein paar Produkte, die Ihnen Erleichterung bringen.

      Vielleicht können Sie andere mit einbeziehen, zum Beispiel für eine angenehme Fußmassage oder ein paar Streicheleinheiten. Ich persönlich habe schon sehr von guter Physiotherapie profitiert. Vor allem Osteopathie lockert das Gewebe und bringt den Körperfluss in Gang. Davon werde ich nicht leistungsfähiger, aber es ist Gold wert, mich in meiner Haut einmal wieder wohlfühlen zu können.

      Das soll nicht in Arbeit ausarten. Vielleicht ist es für Sie schon die schöne Kleidung, die Sie einmal nur für sich anlegen. Oder umgekehrt der bequeme Jogginganzug, der Ihnen zu einem guten Körpergefühl verhilft. Es kommt nicht darauf an, dass Sie möglichst viel tun, sondern dass Sie sich jeden Tag wenigstens einmal das Gefühl vermitteln: Ja, ich mag meinen Körper!

      4. Einen gesunden Lebensstil entwickeln

      Ein allgemein gesunder Lebensstil bietet langfristig die beste Basis, um gesund zu werden. Es sind Binsenweisheiten, dass wir ausreichend Schlaf brauchen und uns gesund ernähren sollten, doch gerade diese grundlegenden Bedürfnisse geraten oft aus den Augen, wenn Kranke von ihren Symptomen auf Trab gehalten werden. Es müssen nicht immer die teuren Wellnessprodukte sein, die auf ihrer Verpackung Gesundheit und Vitalität versprechen.

      imageAusreichender Schlaf. Was für Sie „ausreichend“ bedeutet, können Sie nur selbst herausfinden. Ich komme mir oft albern vor, aber seit ich krank bin, brauche ich eigentlich zehn Stunden Schlaf, um einigermaßen gut durch den Tag zu kommen. Räumen Sie sich den Schlaf ein, den Sie brauchen, nicht der „normal“ ist.

      imageGesunde Ernährung. Auch die „richtige“ Ernährung kann für jeden sehr unterschiedlich ausfallen. Vielleicht lohnt es sich für Sie, mit verschiedenen Diäten zu experimentieren oder konsequent auf Zucker oder Milch zu verzichten und Vollkornprodukte vorzuziehen. Für mich persönlich habe ich herausgefunden, dass es ausreicht, wenn meine Ernährung natürlich und abwechslungsreich ist. Andere haben mit Umstieg auf eine bestimmte Kost erstaunliche Fortschritte erzielt. Jedenfalls sollte man nicht am falschen Ende Kraft sparen und sich von Fastfood und Chips ernähren.

      imageFrische Luft und Sonnenstrahlen. Es tut fast immer gut, einmal an die frische Luft zu gehen. Wenn Sie nicht laufen können, ist es Ihnen vielleicht möglich, vor der Tür, auf dem Balkon oder am geöffneten Fenster Sonne und Sauerstoff zu tanken. Ihren Augen tut es gut, wenn Sie Ihren Blick einmal in die Ferne schweifen lassen, Ihre Haut genießt die Sonnenstrahlen und Ihr Körper kann wieder Vitamin D bilden.

      imageViel trinken. Auch das ist eine Binsenweisheit, wird aber viel zu häufig vernachlässigt. So mancher Kopfschmerz und Kreislaufkollaps lässt sich vermeiden, wenn man genug trinkt. Studien bestätigen, wie erstaunlich wirksam schlichtes Wasser ist.19 Zwei bis drei Liter sollte man täglich zu sich nehmen. Über die Schädlichkeit von Kaffee und Schwarztee streiten sich Experten; Grüntee und Gewürztees sind auf jeden Fall eine gute Alternative.

      imageBewegung. Bei vielen Erkrankungen ist die Bewegung ein schmerzhafter Punkt. Wir würden uns ja gerne bewegen, wenn wir nur könnten. Vielleicht finden wir Arten von Bewegung, die wir trotz unserer Symptomatik ausführen können. Für mich sind das trotz meiner Erschöpfungsproblematik beispielsweise Dehn- und Streckbewegungen, um aus starren Positionen herauszukommen, oder ein paar Schritte vor dem Haus.

      imageZeitplanung. Je nach Krankheitsbild kann es sehr wichtig sein, seine Zeit vernünftig zu planen. Kraft soll für Wesentliches verwandt und Überbelastungen sollen schon im Vorfeld vermieden werden. Die Planung sollte keinen Stress ausüben (dann ist sie vielleicht zu detailliert), sondern Struktur schaffen. Gibt es Tageszeiten, zu denen Sie manche Dinge besonders gut machen können? Ist genügend Zeit für Ruhepausen vorgesehen? Welche Dinge sollten rechtzeitig angegangen werden, damit kein Stress entsteht?

      5. Aktivitätsnischen entdecken

      Kaum etwas schmerzt am Kranksein so sehr wie der Verlust an Aktivitäten. Doch so schwer es einen auch getroffen hat, es ist möglich, seine ganz persönlichen Nischen zu entdecken. Vielleicht beschränkt sich Ihr Aktionsradius aufs Radiohören – dann können Sie doch wenigstens Ihren geistigen Horizont erweitern. Damit man nicht in eine Abwärtsspirale hineingerät, in der man auch geistig-mental einrostet, weil einem die Anregung fehlt. Wir brauchen Bereiche, in denen es nicht um Krankheit geht.

      Begrenzen wir also die Macht der Krankheit. Richten wir unseren Blick auch auf andere Dinge, erleben wir etwas, nehmen wir uns ab und zu Ferien von unserem kranken Körper. Solange wir uns ihm danach wieder zuwenden, hat das nichts mit Verdrängen zu tun, sondern mit einem ausgewogenen Lebensstil. Wir brauchen eine Balance zwischen unserem Kranksein und den anderen Seiten, die uns genauso ausmachen.

      Vielleicht mag es kompliziert für uns sein, diese Nischen zu finden. Unternehmungen werden schwierig, wenn man immer erst alle Eventualitäten durchgehen muss, um abschätzen zu können, ob sie machbar sind. Urlaub wird zum Problem, wenn die Wege weit sind, Essenszeiten einen einschränken und ein striktes Programm einem nicht die nötigen Rückzugsmöglichkeiten lässt. Unbeständiges Wetter und laute Umgebung, die einem den Schlaf raubt, können die Erholung zum Fiasko machen. Für viele ist schon die Anreise eine unüberwindbare Hürde.

      Vielleicht kommen Sie fast nur noch für Arztbesuche aus dem Haus – dann können Sie vielleicht im Anschluss noch kurz in einem Café sitzen oder auf der Fahrt einen Schlenker machen, um sich an einem schönen Ort auf eine Bank zu setzen. Vielleicht können Sie sich kaum noch bewegen, aber mithilfe eines Rollstuhls ein bisschen durch die Natur oder eine interessante Innenstadt geschoben werden und dabei ein paar Fotos zur Erinnerung machen. Vielleicht schaffen Sie es auch ab und zu in ein Solebad o. Ä., wenn Ihnen das guttut. Oder es gibt ein Thema, das Sie immer interessiert hat und das Sie nun per Internet weiter verfolgen.

      Vielleicht fallen Sie zehnmal auf die Nase, bevor Sie eine Aktivitätsnische gefunden haben. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Es ist frustrierend,


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