CGM- und Insulinpumpenfibel. Ulrike Thurm
abgegeben, um 10:30 Uhr ein kombinierter Bolus (siehe Kap. 5.3). Die rote Linie symbolisiert den vermuteten Insulinspiegel im Blut (siehe auch Kap. Praxistipps in 1.8 und 5.7).
Die Insulinempfindlichkeit ändert sich im Tagesverlauf. Die meisten Menschen benötigen nachts und mittags relativ wenig, in den frühen Morgenstunden und am späten Nachmittag dagegen mehr Insulin (Dawn- und Dusk-Phänomen). Auch der nahrungsabhängige Insulinbedarf ist abhängig von der Tageszeit. Körperliche Aktivität erhöht die Insulinempfindlichkeit. Zur Vermeidung von Unterzuckerungen muss daher im Zusammenhang mit Sport die Insulinversorgung reduziert werden.
Bei der Insulinpumpentherapie wird der basale Insulinbedarf (Basalrate) vom mahlzeitenabhängigen Insulinbedarf (Bolus) getrennt, um dem Vorbild des Stoffwechselgesunden so nah wie möglich zu kommen (Abb. 8):
Basalrate: In der Insulinpumpe kommt ausschließlich schnell wirkendes Insulin zum Einsatz (in der Regel kurzwirksames Analoginsulin). Der basale Insulinbedarf wird in Form einer individuell programmierten Basalrate kontinuierlich abgegeben. Die Basalrate ersetzt das Verzögerungsinsulin der ICT und wird vom Diabetiker in Absprache mit seinem Diabetesteam in die Pumpe einprogrammiert. Die tageszeitlichen Schwankungen der Insulinempfindlichkeit können durch ein entsprechend programmiertes Basalratenprofil optimal berücksichtigt werden.
Auf Zustände mit vorübergehend erhöhter (z. B. Bewegung) oder verringerter Insulinempfindlichkeit (z. B. Infekt) wird mit einer vorübergehenden Absenkung oder Erhöhung der Basalrate reagiert. Ändert sich der Insulinbedarf über einen längeren Zeitraum, z. B. durch Gewichtsreduktion oder andere Faktoren, muss die Basalrate erneut ausgetestet und ggf. umprogrammiert werden.
Bolus: Die für eine Mahlzeit oder zur Blutzuckerkorrektur notwendigen Insulineinheiten werden zusätzlich als Bolus über die Pumpe abgegeben. Die aktuellen Insulinpumpenmodelle verfügen über verschiedene Bolusformen (sofort/verzögert/kombiniert), um das Insulin-Wirkprofil der Nahrungszusammensetzung anzupassen. Teilautomatische Bolusrechner unterstützen den Diabetiker bei der Kalkulation der nötigen Bolushöhe und berücksichtigen Faktoren wie den aktuellen Blutzucker, die BE-Menge, die tageszeitliche Insulinempfindlichkeit und die von den zurückliegenden Bolusgaben noch wirksame Insulinmenge.
1.3 Wie funktioniert eine Insulinpumpe?
Konventionelle Insulinpumpen und Insulinkatheter sind in Deutschland seit den 80er-Jahren in Gebrauch und damit sehr gut bewährt. Seit dem Jahr 2010 sind auch sogenannte „Patch-Pumpen“ erhältlich, die ohne Insulinkatheter auskommen.
Prinzip der konventionellen Insulinpumpe
Das Funktionsprinzip einer Insulinpumpe ist einfach (Abb. 9): Der eingebaute Computer steuert einen elektrischen Motor, der mit enormer Präzision den Stopfen der Insulinampulle nach vorne schiebt. Über einen angeschlossenen Insulinkatheter wird das Insulin ins Unterhautfettgewebe gepumpt. Der Insulinkatheter besteht aus einem flexiblen Plastikschlauch, der in einer dünnen Stahlnadel oder einer Kunststoffkanüle (Teflon) endet. Der Katheter wird vom Diabetiker selbst gewechselt und mit einem Pflaster meist an der vorderen oder seitlichen Bauchwand befestigt.
Prinzip der Patch-Pumpe
Im Unterschied zur konventionellen Insulinpumpe kommt eine Patch-Pumpe ohne Insulinkatheter-Schlauch aus. Das System besteht aus zwei Komponenten: der eigentlichen Insulinpumpe, die mit einem Pflaster (engl. „patch“) direkt auf die Haut geklebt wird, und einem Steuergerät in Form eines Minicomputers, der drahtlos mit der Insulinpumpe kommuniziert (Abb. 10).
Wie sich schon aus dieser groben Funktionsbeschreibung ergibt, ist die Insulinpumpe lediglich ein Infusionsgerät, das vom Diabetiker selbst nach seinen individuellen Bedürfnissen programmiert und bedient wird. Eine traditionelle Insulinpumpe hält den Blutzucker nicht selbsttätig im Normbereich. Blutzuckermessungen und entsprechende Insulinanpassungen müssen vom Pumpenträger weiterhin eigenständig vorgenommen werden.
Abb. 9
1.4 Vor- und Nachteile der Insulinpumpentherapie
Viele Wege führen nach Rom … In der Diabetologie führen viele Wege zu einer befriedigenden oder sogar guten Stoffwechselkontrolle.
Bereits in den 1930er-Jahren vertrat Elliot P. Joslin die These, jeder Diabetiker müsse so gut geschult werden, dass er selbst sein bester Diabetologe sei. In Anlehnung an diesen Leitgedanken, der sich leider bis heute noch nicht in allen Diabetes-Zentren durchgesetzt hat, müssen die Diabetiker auch aktiv an der Auswahl ihrer individuellen Therapieform beteiligt werden. Nur gut informierte und geschulte Diabetiker können von der Pumpentherapie optimal profitieren.
Abb. 10
Die folgenden Pro- und Contra-Argumente sollen dem Diabetiker helfen, die für ihn persönlich besser geeignete Therapieform auszuwählen. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
+In großen Studien wurde beim Umstieg von der ICT auf die Insulinpumpentherapie eine HbA1c-Verbesserung um durchschnittlich ca. 0,6 Prozent erreicht, bei stark erhöhten Ausgangswerten auch um deutlich mehr. Entscheidend ist, dass die Diabetiker sorgfältig ausgewählt werden (siehe Kap. 1.6), in spezialisierten Zentren eine umfassende Schulung durchlaufen und ambulant weiter betreut werden.
+Mit der Insulinpumpe ist ein gleichmäßigerer Blutzuckerverlauf mit weniger hypo- und hyperglykämischen Entgleisungen zu erreichen. Insbesondere Diabetiker, die bisher trotz hoher Motivation mit allen anderen Therapieformen extrem schwankende Blutzuckerverläufe hatten, können mit der Insulinpumpe meist eine stabilere Stoffwechsellage erzielen.
+Aufgrund der besseren Stoffwechselkontrolle haben Pumpenträger weniger Unterzuckerungen. Das liegt vor allem daran, dass die basale Insulinversorgung wesentlich bedarfsorientierter erfolgt als bei der Injektion von Basalinsulin, insbesondere nachts.
+Der Insulinverbrauch ist durch die natürlichere Abgabeform deutlich geringer als bei der ICT (bis minus 30 Prozent).
+Bei der ICT befindet sich der Insulinvorrat unter der Haut (Injektion von Basalinsulin ein- bis dreimal pro Tag). Insulinpumpen werden dagegen ausschließlich mit schnell wirkendem Insulin befüllt, der Insulinvorrat befindet sich in der Pumpe. Daher ist das Unterzuckerungsrisiko geringer und das Leben wird flexibler. Es besteht kein Zwang mehr, zu bestimmten Zeiten Basalinsulin zu injizieren oder zu essen.
+Körperliche Aktivität kann dank der kleineren subkutanen Insulindepots spontaner erfolgen als bei der ICT.
+Durch die verschiedenen Bolusformen kann die Abgabe des