Knochenfeuer. Jenny Pieper

Knochenfeuer - Jenny Pieper


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die meinen Speichel auffing?

      War das die Last, die auf ihm lag?

      Andere Leben zugunsten eines Lebens? Elend und Leid für Kraft?

      Heiß brannte meine Haut und ich presste meine Zähne fest aufeinander, bis mein Kiefer schmerzte. Mit ihm konnte ich kein Mitleid haben. Nicht mit dem Prinzen, einem Goldmagier, der sich diese grausamen Errungenschaften einverleibte.

      »Ihr seid Monster«, flüsterte ich aufgebracht und starrte den eisernen Prinzen mit zusammengekniffenen Augen an.

      Jaden spannte die Schultern an und seine Augen funkelten. »Wir tun nur, was nötig ist. Wir streben nach der Macht, die uns zusteht«, erwiderte er und es klang wie eine auswendig gelernte Floskel.

      Ich lachte höhnisch. »Ihr kümmert Euch nur um Euch selbst. Um das, was Ihr wollt. Das Leben anderer ist Euch egal!« Die letzten Worte spuckte ich ihm entgegen.

      Er erhob sich und unkontrolliert huschten Emotionen über sein Gesicht, die er nicht schnell genug wieder einfangen konnte. Er kam einen Schritt auf mich zu.

      »Die Goldmagier verrichten Gutes!«, presste er hervor. »Sie dienen nicht nur dem König, sondern auch unserem Volk.«

      »Sie vergreifen sich an wehrlosen Mädchen, um noch mehr Macht zu erlangen!«

      »Sie helfen!« Jadens Stimme wurde lauter. »Sie unterstützen das Volk durch ihre Magie beim Bau von Häusern. Sie helfen bei der Ernte oder vertreiben Banditen. Sie retten Leben!«

      »Aber zu welchem Preis?« Meine Hände zitterten.

      »Halt den Mund«, zischte er und beugte sich zu mir. Die Hände stützte er auf die Armlehnen meines Sessels und ich wich instinktiv so weit zurück, wie es mir die Rückenlehne erlaubte.

      Sein Gesicht war dicht vor meinem und er kämpfte weiterhin um Beherrschung. »Du hast doch keine Ahnung«, hauchte er.

      Hin- und hergerissen zwischen Wut und Neugier zitterte ich stärker. Mein Körper bebte. Aber ich konnte hier nicht aufhören. »Ihr seht in uns Goldkindern keine Menschen! Nur eine Quelle der Macht.«

      »Das ist nicht wahr.« Ein Glitzern in seinen Augen erschien und keine Beherrschung der Welt hätte diesen Ausdruck unterdrücken können. So viel Schmerz konnte kein Mensch verbergen. So viel Leid konnte kein Einzelner mit sich herumtragen.

      Oder doch?

      »Ihr seid ekelhaft«, hauchte ich und kitzelte das Funkeln stärker hervor. »Mörder.«

      Seine Stimme wurde mit jedem Wort brüchiger. »Hör auf, Kindra. Du hast keine Ahnung.«

      »Dir geht es um dich und deine Macht«, meinte ich und zwang ein bitteres Lächeln auf meine Lippen, duzte ihn sogar, um ihn weiter zu reizen.

      Er schüttelte den Kopf und wich zurück.

      Ich folgte ihm und ließ seinen Blick nicht los. »Wir sind dir egal.«

      »Seid ihr nicht.«

       Sind wir nicht?

      »Sind wir doch«, widersprach ich ihm trotzig wie ein kleines Kind. Mit den Händen griff ich seinen Kragen und starrte ihm fest in sein Gesicht. »Falls nicht, beweise es mir.«

      Er sackte in sich zusammen. Seine Blicke verloren sich im Zimmer, während das Glitzern in seinen Augen sie beinahe wie Sterne strahlen ließ. »Sie war mir nicht egal.«

      Mit offenem Mund starrte ich ihn an, aber kein Ton kam heraus. Sie? Dieselbe sie, von der die Wache in meiner ersten Nacht in der Zelle gesprochen hatte?

      Jaden erhob sich und drehte das Gesicht von mir weg. Müde ließ er sich in den Sessel mir gegenüber fallen, das Gesicht vor mir verborgen.

      In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Er wirkte verletzlich und menschlich. »Wer?«, fragte ich.

      Als mich der Prinz schließlich ansah, blendete der Schmerz in seinen Augen mich beinahe. Er wirkte gequält, als er mehrmals Luft holte. »Unwichtig. Sie hat sich verändert.«

      »Warum sprichst du offen mit mir? Wo ist deine Überheblichkeit abgeblieben?«

      »Ich bin der Spiele überdrüssig.« Sein Blick verharrte auf mir und ein kleines Lächeln zuckte in seinem Mundwinkel. »Du erinnerst mich an sie.«

      »Weil ich ein Goldkind bin?«

      Ein kurzes brummendes Lachen entfuhr seiner Brust und brachte seine Fassade zum Einstürzen. »Weil sie nie genug Fragen stellen konnte. Weil sie stur war und …«, er stockte, »… bildschön.«

      Ich schluckte. Seine Offenheit bewegte mich mehr, als ich für möglich gehalten hatte. Der Junge, der mich im Verlies besucht, der mir ein Fläschchen gegeben hatte, um meine Schmerzen zu lindern. In ihm steckte ein Herz, das gebrochen war.

      »Wie hieß sie?«

      »Ardra.« Er seufzte.

      »Hast du sie geliebt?«

      Einige Herzschläge lang sah er mir offen ins Gesicht, dann verlor sich sein Blick im Zimmer. Er richtete sich auf. »Und wenn schon. Es hatte keine Zukunft.«

      »Ardra«, wiederholte ich und er presste die Lippen fest aufeinander. »Wie seid ihr euch nähergekommen?«

      Langsam schüttelte er den Kopf. Sein Blick verschwand in die Vergangenheit. »Sie war stark. Nahm die Ernte mit Stolz und verbrachte mehr Zeit im Verlies als in ihren Gemächern.«

      Zitternd hielt ich den Atem an, während Jaden mich mit sich riss in eine längst vergangene Zeit, in ein Leben, das stärker war als seine eiserne Maske.

      »Meistens saß ich vor ihrer Zelle und leistete ihr Gesellschaft.« Er lehnte sich im Sessel zurück und sah zur Decke. »Wir redeten, bis die Nacht dem Morgen wich und ich beinahe meine Pflichten vergaß.« Er schwieg und sein Kinn sackte auf seine Brust.

      »Was ist passiert?«, hauchte ich.

      Er hob die Augen. »Sie hat sich an die Ernte verloren und war nicht mehr sie selbst.« Er zögerte. Dunkle Schatten lagen auf seinem Gesicht. »Sie wollte mich umbringen.«

      Eine kurze Welle von Mitleid schwappte über mich hinweg. Hätte es mir das Herz gebrochen, wenn Saki mich für das verurteilt hätte, was ich war? Ich schob den Gedanken beiseite. Das hier war anders. Jaden führte Ardra zur Ernte. Er gehörte zu den Feinden, und auch wenn es ihm scheinbar missfiel, er verhinderte es nicht. »Kannst du es ihr verdenken?«, fragte ich ihn.

      Gequält verzerrte er den Mund. »Nein«, antwortete er. »Aber wir haben unsere Gründe für das, was wir tun.« Er erhob sich und sah zu mir herab. »Letztendlich war es gut so und hat mich vor weiterem Leid bewahrt. Das mit uns hatte sowieso keine Zukunft.« Einige Schritte entfernte er sich Richtung Tür.

      »Du hast eine Wahl, Jaden. Warum hältst du an der Tradition der Ernte fest, wenn sie dir so offensichtlich missfällt?«

      Seine Schultern versteiften sich, aber er hielt nicht an. Als er die Tür öffnete, sah er kurz zu mir herüber. Seine Beherrschung war zurück, lag über seinen Zügen und ließ mich daran zweifeln, dass hinter dieser Fassade ein verletzlicher Junge steckte. Doch er war mehr als ein emotionsloser Prinz. Das hatten seine Worte bewiesen.

      Er fixierte mich einen endlos wirkenden Moment, ohne etwas zu sagen, dann verließ er meine Gemächer.

      9

      Saki

      Prüfung

      Nachdem mein Ziel klar war, trainierte ich härter. Und langsam wurden aus Tagen Wochen. Mein Körper zitterte nicht mehr unkontrolliert in der Kälte. Meine Finger und meine Haut waren nicht mehr blau, sondern


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