Knochenfeuer. Jenny Pieper

Knochenfeuer - Jenny Pieper


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wenn das entsprechende Zeichen heute auf seiner Kleidung fehlte, war er der Anführer der Goldmagier. Hatte er den Angriff auf Grünfrey befehligt oder sogar begleitet?

      Warum half er mir, wenn er doch für all das Böse stand? Wenn er vermutlich so viele getötet und gefangen hatte?

      »Wie haben mich die Goldmagier gefunden?«, fragte ich. »Wie haben sie Grünfrey entdeckt und die Magie der Sonne durchbrochen?«

      Jadens Miene bliebt unergründlich. »Ein Informant der Eisen­dynastie hat uns die Kunde überbracht.«

      Das war unmöglich. Wie sollte eine Information von mir aus dem Dorf gelangt sein? Niemand hatte das Dorf verlassen. Die Bewohner entfernten sich nie weit, nur für die regelmäßigen Arbeiten am Bergpfad. »Wo soll er die Information aufgeschnappt haben?«

      »In Blomdeck, der Handelsstadt im Westen.«

      Mein Körper versteifte sich. Ich wusste nicht, was schlimmer war. Dass mich jemand aus dem Dorf verraten haben soll oder dass sich Informanten der Eisenmänner so weit entfernt der Grenze aufhielten. Bitter dachte ich an unsere Suche nach Grünfrey zurück. Kork hatte mit seinen Bedenken recht gehabt. Eisenmänner, oder zumindest ihre Verbündete, befanden sich im Gezeitenreich.

      »Aber …«, stotterte ich. Meine Gedanken überschlugen sich.

      »Er hatte die Information von einem Händler, der von Norden kam. Dieser hatte sie zu einem teuren Preis erworben.«

      Das war unmöglich! Der Händler brachte die Information aus dem Norden mit? Der Norden konnte über den Bergpass erreicht werden. Hatte jemand bei den Arbeiten am Berg das Dorf verlassen und mich verraten?

      Bilder meiner ehemaligen Nachbarn und Freunde zogen an mir vorbei. Wer konnte es gewesen sein? Wer hatte mir das angetan?

      Ich schluckte. Für Gold hatte der Verräter mich verkauft. Jetzt war das Dorf zerstört, meine Familie tot und ich eine Gefangene. Und Saki? Er irrte vermutlich durch das Gezeitenreich und trauerte um seine Familie.

      Tränen schossen mir in die Augen und ich presste die Hände dagegen. Grünfrey war meine Heimat gewesen. Dort hatte ich mich sicher gefühlt.

      »Kindra«, flüsterte Jaden. In seiner Stimme schwang eine Spur Mitleid, als ertrüge er es nicht, mich leiden zu sehen.

      Fahrig rieb ich mir die Augen trocken und betrachtete den Prinzen. Seine kalte Mimik passte nicht zu der Emotion in seiner Stimme.

      »Wart Ihr dabei?«, presste ich hervor.

      »Nein.«

      Während ich mich fester in die Decke wickelte, versuchte ich das Gefühl des Verrats zu vertreiben. Doch es nistete sich ein und lag wie ein Stein in meiner Brust. »Wie habt Ihr die Kraft der Sonne durchbrochen?«

      »Wie schon? Wir sind Goldmagier«, antwortete Jaden.

      Ich musterte ihn und wartete darauf, dass er weitersprach. Als er sich nicht rührte, kräuselte ich die Stirn. »Was bedeutet das?«, hakte ich nach, als ob seine Antwort alles erklären würde.

      Jadens Blick bohrte sich in meine Augen und einen kurzen Moment huschte Überraschung über sein Gesicht. »Du hast keine Ahnung, zu was wir imstande sind«, stellte er fest.

      Mein Schweigen war Antwort genug. Die Goldmagier zogen ihre Kraft aus den Goldkindern. Mehr wusste ich nicht. Ich war mein Leben lang vor Männern geflohen, die ich nur aus Legenden kannte.

      Jaden drehte die Handfläche nach oben und entzündete ein kleines Feuer, das über seiner Haut schwebte. Es erlosch so schnell, wie es aufgetaucht war. Als Nächstes hob er beide Hände in meine Richtung und plötzlich bewegte sich die Decke, wickelte sich von meinen Schultern und blieb schlaff um meine Hüften liegen.

      Als hätte ich mich verbrannt, sprang ich auf und warf die Decke von mir. Mein Herz hämmerte, als ich in Jadens dunkle Augen sah.

      »Wir erschaffen und wir beherrschen.«

      Mein Mund war schlagartig trocken. Welche Kräfte schlummerten in Jaden, von denen ich nichts ahnte?

      »Bitte setz dich wieder. Ich wollte dich nicht erschrecken.« Er deutete auf den Sessel, doch ich blieb stehen.

      »Wie mächtig seid Ihr?« Meine Stimme zitterte.

      »Sehr«, antwortete er. Sein Gesicht wirkte wie eine Maske, die mir nicht verriet, ob ihn diese Macht stolz machte. »Der fähigste Magier seit Jahrhunderten, wie mein Vater mich nennt.«

      War er deshalb der Anführer? Weil keiner an seine Stärke herankam? »Aber was ist mit dem König?«

      Jaden schnaubte. »Mein Vater zieht es vor, die Kraft körperlich aufzunehmen.«

      »Wie meint Ihr das?«

      Er verschränkte die Finger und bettete die Hände in seinem Schoß. Bildete ich es mir ein oder zitterten sie? »Mein Vater bevorzugt Operationen, bei denen die Mittel in die Knochen oder Muskulatur verabreicht werden, während wir anderen die Tränke einnehmen.«

      »Diese Tränke …«, sagte ich, doch ich konnte den Satz nicht zu Ende führen. Mir wurde schlecht.

      »Die stellt der Medi nach der Ernte her.«

      Schwankend sank ich zurück auf den Sessel. »Aus uns Gold­kindern«, presste ich hervor.

      Der Prinz brummte zustimmend, seine Fassade bröckelte und ich konnte sehen, wie er mit sich rang. War das ein Punkt, an dem ich ihm Emotionen entlocken konnte? Sorgte er sich um die Goldkinder? Weil sie ihm zu seiner Macht verhalfen, oder steckte mehr dahinter?

      Ich zog die Knie an die Brust und drückte mich tiefer in den Sessel. Das war zu viel. Jaden war der fähigste Goldmagier. Er war zwar nicht dabei gewesen, aber die Goldmagier hatten Grünfrey zerstört, weil einer meiner Nachbarn mich für Gold verraten hatte.

      Ein stiller Schluchzer schüttelte mich und ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Sie rollten über meine Wangen und eine traf auf meine Lippen. Der salzige Geschmack erinnerte mich an die vielen Tage, die ich um meine Heimat und meine Familie trauerte.

      »Kindra«, hauchte Jaden.

      Doch ich wusste nicht, was ich erwidern sollte und legte meine Stirn auf die Knie. Der Schmerz überrannte mich. Seit meiner Ankunft hatte ich mich nicht so einsam gefühlt.

      Einige Herzschläge lang saß ich so da, und als ich aufblickte, hatte ich nicht damit gerechnet, dass Jaden geblieben war. Er saß im Sessel gegenüber und sah mitgenommen aus. Die Vielzahl der Emotionen auf seinem Gesicht überraschte mich.

      Ich schluckte und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, doch meine Gemächer wirkten plötzlich erdrückend. Während ich keuchte, wurde mir wieder bewusst, dass ich nicht die Einzige war. Täglich führte mich Jaden aus meinem Zimmer und über den Gang, an den sich weitere Zimmer aneinander reihten. Wie viele Gold­kinder hielten sie hier gefangen? Meinesgleichen, die so nah waren. »Ich würde die anderen Goldkinder gern kennenlernen.«

      Jaden zuckte zusammen, als ich nach der Stille das Wort an ihn richtete. Er kämpfte die kalte Maske wieder zurück auf sein Gesicht. »Das geht nicht«, antwortete er schließlich.

      Ich lehnte mich nach vorn. »Bitte«, flüsterte ich und fixierte seine dunklen Augen. »Ich kenne niemanden, der so ist wie ich.«

      Langsam schüttelte Jaden den Kopf. »Sie sind nicht wie du«, setzte er an und seine Fassade bröckelte. »Nicht mehr.« Er fuhr sich durch die Haare und sackte etwas in sich zusammen. Seine Energie schien ihn zu verlassen, als wäre ein Punkt erreicht, den er nicht mehr ertragen konnte. Als würde ihm die Macht über seine Beherrschung entgleiten.

      Leise sagte er: »Die meisten sind so schwach, dass sie kaum reden können. Sie liegen in einem speziellen Bett mit einer Auffangschale für den Speichel.« Er brach ab. Schüttelte den Kopf und wich meinem Blick aus. »Die anderen, die körperlich länger durchgehalten haben, sind verrückt geworden.«

      Meine


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