Walk by FAITH. Felicitas Brandt

Walk by FAITH - Felicitas Brandt


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war mein zweitliebster Funko Pop“, schluchzte die Fee. „Er hat ihn getötet.“ Tränen fielen auf den mit Kaffee besudelten Rock.

      „Hey, komm erst mal hoch, ja? So bequem sind die Bürgersteige selbst hier am Nabel der Welt nicht.“ Behutsam zog ich sie auf die Beine und versuchte gleichzeitig, meine Bluse zu richten, die in ungebetene Höhen rutschte. Dann kramte ich ein Taschentuch aus meiner geliehenen Designer-Handtasche und reichte es der Fee. Die putzte sich geräuschvoll die Nase. Noch immer liefen Tränen über ihre Wangen und ich fühlte eine fiese Hilflosigkeit vom Boden aufsteigen und in meine Glieder kriechen. „Kann ich … ähm, kann ich dich irgendwo hinbringen?“

      „Zu Jayden. Kannst du mich zu Jayden bringen?“, schniefte die Fee. „Bitte.“

      „Ähm, klar … ich weiß nur nicht wirklich, wo das ist.“

      „Planetenweg. Vor dem Friedhof. Ich sag dir, wo wir lang müssen.“

      Friedhof. Da wollte ich heute eigentlich nicht unbedingt hin, aber gut. Ich legte einen Arm um die weinende Fee und bugsierte sie vorsichtig durch die mittägliche Menschenmenge, die sich zielstrebig von A nach B bewegte. Zum Glück war es nicht weit, denn obwohl die Fee praktisch nichts wog, fiel mir das Laufen auf diesen Absätzen mit ihr an meiner Seite noch schwerer.

      „Ich bin Tori“, stellte die Fee sich nach ein paar Schritten vor. „Viktoria, aber Tori reicht vollkommen.“

      „Valerie. Und Val reicht ebenfalls“, erwiderte ich und hoffte gleichzeitig, dass Tori es dabei belassen würde. Leider tat sie es nicht.

      „Valerie?“, hakte Tori nach. „Irgendwoher kenne ich den Namen.“ Bitte nicht, bitte, bitte, bitte nicht! Tori schnipste mit den Fingern und strahlte mich an. „Ich hab’s! Es gab da doch diesen Song!“

      „Ja“, nickte ich gequält. Bitte sing es nicht, bitte!

      „Du meinst, du bist nach einem Lied benannt?“ Tori wandte mir ihr mit Wimperntusche verschmiertes Gesicht zu und ich konnte ganz genau sehen, wie die Liedzeilen hinter ihrer Stirn auftauchten. „Hey, das ist doch total cool. Ich will auch nach einem Lied benannt sein.“

      „Tori, das Lied ist von 2006.“

      „Oh, stimmt.“ Tori verzog enttäuscht das Gesicht. „Schade, das wäre eine coole Story gewesen. Ich wäre gerne nach einem Lied benannt worden.“

      „Damit die Leute immer, wenn sie deinen Namen zum ersten Mal hören, anfangen den Song zu singen? Glaub mir, das willst du nicht.“

      „Hm, das kann ich verstehen. Aber der Name ist trotzdem cool. Und jetzt, wo wir quasi Freundinnen sind, hätte ich da noch eine Frage: Hast du Hunger oder ist das ein bedrohliches Werwolfknurren, was du da von dir gibst?“

      Und ich hatte so gehofft, sie würde es nicht hören! „Äh nein, ich habe Hunger, sorry“, nuschelte ich verlegen. „Tante Fiona hatte heute Morgen nur matschigen Haferbrei, der war nicht wirklich mein Fall.“

      „Mhm mhm“, machte sie nur und kramte in ihrer Tasche herum, bis sie ein kleines Päckchen Kekse fand, die wir schweigend teilten.

      Irgendwann wies Tori nach links. Die Straße, in die wir abbogen, war weniger belebt. Ich erhaschte einen Blick auf ein Reisebüro, in dem jedoch kein Licht brannte. Außerdem war da noch ein kleiner Bäcker, dessen Ladenfenster einen breiten Riss aufwies. Ein Stück von uns entfernt bewegte sich eine schwarz gekleidete Gestalt auf dem Bürgersteig und fegte irgendetwas Buntes zusammen. Konfetti? Das Gesicht konnte ich nicht sehen, nur eine dichte schwarze Haarmähne – und überhaupt sehr viel Schwarz. Und es war eindeutig ein Kerl.

      Oh bitte, lass das nicht Jayden sein, flehte ich noch, dann waren wir auch schon so nahe, dass er das Klackern meiner Schuhe hören konnte und sich umdrehte. Mein Herz machte einen Satz. Er war mindestens 1,80 m groß und hatte ein schmales Gesicht mit hervorstehenden, hohen Wangenknochen. Sein Kinn war kantig und glatt rasiert, die Lippen voll. Seine Haare waren bei näherem Hinsehen gar nicht ganz schwarz, sondern mit einem Hauch Braun darin. Wie Kaffee mit einem winzigen Schuss Milch. Um sein linkes Handgelenk schlangen sich mehrere Bänder, einige bunt, geflochten wie Freundschaftsbänder, andere aus Leder. Aus dem Kragen seines schwarzen Kapuzenpullis ragte ein Kopfhörer.

      „Tori?“

      Oh, na toll, war ja klar. Warum konnte Jayden keine schrumpelige alte Oma mit Gehstock und drittem Gebiss sein? Was war das überhaupt für ein Name? Jayden … klang irgendwie … fremd. Aber schön. Himmel, der Kerl sah aus wie Jamie Fraser, nur … anders. Dunkler. Mehr Darth Vader als Anakin Skywalker.

      Mit einem Klappern fiel der Besen zu Boden, schon stand er vor uns. „Tori, was ist passiert?“

      „Ritsch ist ein Arsch“, schluchzte die Diamant-Fee, ohne mich loszulassen.

      „Hat er dir was getan?“ Jaydens Gesicht wurde so finster, als wäre von jetzt auf gleich ein Sturm aufgezogen. Wut blitzte aus seinen Augen und ich machte unwillkürlich einen halben Schritt zurück. Tori geriet kurz ins Wanken. Der Blick des Darth Jamie Fraser huschte zu mir. Seine Augen wirkten nachtschwarz und gerade jetzt so voller Kälte, dass ich das Gefühl hatte, unter seinem Blick zu erfrieren.

      Tori, die von alldem nichts mitzubekommen schien, schnaubte. „Nein, er ist einfach nur ein Arsch.“

      Für einen winzigen Moment zuckte ein Lächeln über seine Lippen. Die Kälte verschwand, als wäre sie nichts weiter gewesen als ein Nebelfetzen, der jetzt vom Wind davongetragen wurde. „Das ist eine mir sehr wohl bekannte Tatsache.“

      „Ja ja, du hast es wieder mal gewusst. Hack ruhig darauf rum.“ Tori zog die Nase hoch. Wieder flossen Tränen und zogen feine Linien aus Mascara über ihr Gesicht.

      Jayden berührte sanft ihre Wange. „Tori, der Typ ist fast 30, hängt immer noch in den ersten Semestern Medizin fest und hat eine Wohnung, die seine Mami ihm bezahlt – über einem Dönerladen, weil er das für praktisch hält.“

      „Es ist wirklich praktisch, wenn man Hung… – warte mal!“ Tori zog misstrauisch die Augenbrauen hoch. „Woher weißt du, wo er wohnt?“

      Vielleicht war es Einbildung, aber ich glaubte zu sehen, wie Jaydens Ohren rot wurden. „Ähm …“

      „Jayden Theodor Sebastian, hast du mich etwa gestalkt?“ Tori machte sich von mir los, stemmte die Hände in die Hüften und reckte sich, was angesichts ihrer 1,60 m eher süß als beängstigend wirkte.

      Ihr Gegenüber hob kapitulierend die Hände. „Es war ein Zufall, okay? Und was soll bitte das ‚Theodor‘?“

      Tori schnaubte. „Es dient der Unterstützung meiner Rede. Und was für ein Zufall könnte dich wohl –“

      „Zu einer Dönerbude führen? Hm, lass mich nachdenken.“ Er grinste verschmitzt und der Zorn wich langsam aus seinen Augen. Ich kam mir seltsam vor, wie ein Zuschauer bei einem Theaterstück. Irgendwie Teil des Ganzen, aber dann doch wieder furchtbar fremd und störend. Jayden schenkte Tori ein Lächeln. „Kleines, ich wollte doch bloß auf dich aufpassen. Der Typ ist nicht gut für dich.“

      „Nein“, schniefte die Fee und ihre Schultern sackten nach unten. „Ist er nicht. Und dann hat mich grad auch noch so ein Anzugträger umgerannt und meinte, ich sehe aus wie ein Emo. Und auf meinem Rock ist Kaffee. Es ist mein Lieblingsrock. Jedenfalls heute.“ Als sie wieder zu weinen begann, nahm Jayden sie in die Arme und barg ihren Kopf an seiner Brust.

      „Soll ich ihn für dich kaltmachen?“

      „Das hat sie schon übernommen.“ Die Fee – Tori, verbesserte ich mich innerlich – wies in meine Richtung und Darth Frasers Blick traf mich erneut. Diesmal musterte er mich einmal von oben bis unten. Ich bemühte mich um eine ausdruckslose Miene und zog unwillkürlich den Bauch ein.

      „Sie übertreibt“, murmelte ich. „Ich habe nicht wirklich was gemacht.“

      „Du hast Kaffee über ihn geschüttet und ihn beleidigt“, verbesserte mich Tori


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