Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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die Guerilla- oder »irregulären« Kriege schwerwiegendere Folgen für die Umwelt haben als die konventionellen Kriege. Die Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts nach einem Krieg schließlich hängt mehr von den Bedingungen der Nachkriegszeit ab als von den Auswirkungen des Krieges selbst auf die Umwelt. Alle diese Prinzipien kennen Ausnahmen, die im Weiteren erläutert werden.

       Feldverpflegung für Millionen

      An den Kriegen der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen waren sehr viel größere Heere beteiligt, als jemals zuvor in Europa in die Schlacht gezogen waren. 1793 führte die Französische Republik die Wehrpflicht ein, um gegen Österreich und Preußen, dann gegen Piemont, Großbritannien und die Republik der Vereinigten Niederlande Krieg zu führen. Diese beispiellosen Ausmaße brachten die französische Armee bald zu einer Gesamtpersonalstärke von anderthalb Millionen Menschen, von denen die Hälfte zu dem einen oder anderen Zeitpunkt auf dem Schlachtfeld kämpfte. Mit dem Plan, in Russland einzufallen, versammelte Napoleon 1812 eine Streitmacht von ungefähr 650 000 Mann, zehn Mal so groß wie jede europäische Armee ein Jahrhundert zuvor (allerdings existieren Berichte, dass es im 17. und 18. Jahrhundert chinesische Armeen von mehr als 600 000 Personen gegeben habe). Einige Gegner Frankreichs nahmen sich das Land nach 1793 zum Vorbild und machten sich daran, ebenfalls Massenarmeen aus dem Boden zu stampfen.

      Die Napoleonischen Kriege führten zu gigantischen Auseinandersetzungen. Die wichtigsten Schlachten forderten Zehntausende Tote und Verwundete. Dennoch hatten selbst die Schlacht bei Borodino (1812) und die Völkerschlacht bei Leipzig (1813) mit ihren ungeheuren Armeen, ihren Tausenden von Pferden und ihren unzähligen Artilleriegeschützen lediglich bescheidene Auswirkungen auf die Umwelt. Diese Schlachten fanden wie der größte Teil der Schlachten der Napoleonischen Kriege auf landwirtschaftlichen Flächen, Feldern, in Wäldern, auf Straßen oder auch in Dörfern statt. Die Artillerie zerstörte die Gehölze und verwüstete gemeinsam mit den Pferdehufen die Felder. Doch einige Monate später wurden diese Felder von Neuem beackert und besät. Die Dörfer und Wälder brauchten länger, um sich zu erholen, einige Jahre für die Dörfer und einige Jahrzehnte für die Wälder. Nichtsdestotrotz hinterließen diese Schlachten keine langfristigen ökologischen Folgeschäden.

      Die Versorgung gigantischer Heere ist ein entsprechend bedeutsames Unterfangen. Jede in den Krieg ziehende Gesellschaft musste unerhörte Mengen an Rohstoffen zusammenführen: Eisen, Salpeter (für das Pulver), Leder oder auch Pferde und unverderbliche Lebensmittel. Die Gier der Armeen zwang dazu, Bergbau wie Ackerbau umzustellen. Wir verfügen nur über wenige Quellen zu diesen Themen, es macht aber den Anschein, dass der Bergbau stärker betroffen war als die Landwirtschaft, da die Bauern im Frieden genauso wie im Krieg an einer Maximierung der Produktion interessiert waren. Die Nachfrage des Militärs nach Metall hingegen zog vorübergehend eine starke Intensivierung des Bergbaus nach sich, so beispielsweise in China während der Song-Dynastie im 10. und 11. Jahrhundert: Im Norden des Landes entwickelte sich ein Eisen- und Kohleabbaukomplex, der im Umfang allen europäischen Bergbau vor 1700 übertraf. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts trieb die Nachfrage des Militärs den Bergbau in Russland an. 1800 kam es nicht selten vor, dass die Nachfrage nach Eisen, Leder und Zinn sowie nach Salpeter für die Feuerwaffen und das Pulver den Produktionsumfang überstieg, was auf (und unter) der Erde immer größere Narben hinterließ.

      Erze zu schmelzen erfordert selbstredend Brennstoff. Um zum Beispiel Eisen herzustellen, benötigt man entweder Holzkohle oder mit einigen Ende des 18. Jahrhunderts aufgekommenen technologischen Verbesserungen Steinkohle. Bis 1800 verschwanden ganze Wälder in der Umgebung von Erzminen, und selbst danach noch, wenn es Kohleknappheit gab.

      Die größten Auswirkungen auf die Umwelt sind beim Bauholz zu suchen, das für Kriegsschiffe benutzt wurde. Jedenfalls sind sie am besten dokumentiert. Zur Zeit der Napoleonischen Kriege erforderte ein 74-Kanonen-Schiff (das heißt ein mittelgroßes Militärschiff) enorme Mengen an Eichenholz für den Rumpf und den Rest der Konstruktion: Ungefähr 3000 ausgereifte (also mindestens hundertjährige) Bäume, was rund 15 Hektar Eichenwald entspricht. Außerdem benötigten die Kriegsschiffe ein »Spanten« genanntes Spezialholz, das nur an Eichen zu finden war, die beim Wachsen ausreichend Platz zur freien Entfaltung ihrer Äste gehabt hatten. Zudem waren Kiefern und Tannen für die Masten und Spieren erforderlich, die auch noch regelmäßig ausgetauscht werden mussten. Schließlich brauchte man in kleineren Mengen auch Ulmen und Buchen. Die Sicherung von ausreichend Bauholz war einer der Hauptgründe Colberts, den König 1669 das Dekret »zur Sache der Gewässer und Wälder« unterzeichnen zu lassen, was dennoch nicht verhinderte, dass Frankreich Ende des 18. Jahrhunderts beträchtliche Schwierigkeiten hatte, sich ausreichend Vorräte an hochwertigem Eichenholz zu sichern. Während der Napoleonischen Kriege durchkämmte die französische Marine das Land auf der Suche nach ausgereiften Eichen, bevor sie dazu überging, sie aus Italien und dem westlichen Balkan zu importieren. Die französische Flotte bestand in dieser Epoche aus 30 bis 80 Schiffen, während die British Royal Navy ihren Bestand immer bei 100 bis 110 Kriegsschiffen hielt. Der Bau und die Unterhaltung der großen Holzschiffe der napoleonischen Ära hatten beträchtliche Folgen für die Eichenwälder. Nachdem die ausgereiften Eichen in Westeuropa fast vollständig verschwunden waren, begannen die Regierungen mit Blick auf den zukünftigen Schiffsbau damit, Maßnahmen zum Schutz der Wälder zu ergreifen. Dabei handelt es sich um eines der ersten Beispiele für Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung einzig mit dem Ziel der Vorbereitung der nächsten Kriege. In den 1860er Jahren, als hölzerne Kriegsschiffe zunehmend gepanzerten Schlachtschiffen Platz machten, endete die Überbeanspruchung der europäischen Wälder durch militärische Nachfrage. Dennoch hatte das Vorhandensein oder Fehlen von Eichenwäldern langfristige agrarökologische Folgen. Wenn die Eichen fehlten, mussten die Schweine direkt gefüttert und im Schweinestall gehalten werden. Das war der Preis, wenn man die Schweinezucht nicht aufgeben wollte.

      Es muss betont werden, in welchem Maße die Napoleonischen Kriege durch Umwelterwägungen beeinflusst waren. Nach 1793 waren die Heere so riesig und die Technologien zur Konservierung und zum Transport von Lebensmitteln so primitiv, dass die Soldaten keine andere Wahl hatten, als direkt von dem zu leben, was das Land ihnen bot. Während die kleinen Heere in Regionen, die nur ein geringes Mehrprodukt abwarfen, überleben konnten, galt das für die napoleonischen Heere nicht mehr. Aufgrund ihrer Größe konnten sie nur in fruchtbaren und produktiven Regionen wie Frankreich, den Niederlanden, Norditalien oder auch Mitteleuropa effizient operieren. Als Napoleon hingegen 125 000 Mann in den Kampf nach Spanien und 650 000 nach Russland entsandte, produzierten diese Länder nicht genügend, um eine Armee von der Größe der Bevölkerung einer Großstadt zu ernähren. Die Truppen mussten sich daher auf den guten Willen der lokalen Bevölkerung verlassen und viel Geld, Zeit und Energie investieren, um sich alle Nahrungsmittel zu beschaffen, die sie bekommen konnten. Und selbst dann kam es vor, dass Soldaten verhungerten. Napoleon und seine Versorgungsoffiziere, die sich dieser Einschränkungen bewusst waren, verstanden nur zu gut, dass die in Norditalien und Mitteleuropa errungenen Siege in Spanien und Russland schwer zu wiederholen sein würden. Dennoch weigerte sich Napoleon, den Krieg auf die Länder zu beschränken, deren Reichtum ihn ohne Umschweife möglich machte.

       Umweltkrieg in China und in den Vereinigten Staaten

      Die Vereinigten Staaten und China erlebten beide Mitte des 19. Jahrhunderts einen Bürgerkrieg. Der Chinesische Bürgerkrieg, oft als Taiping-Aufstand bezeichnet, begann 1850 und endete 1864. Die Aufständischen gehörten armen Bevölkerungsschichten und nicht selten Minderheiten aus Südchina an. Mit dem charismatischen Anführer einer religiösen Bewegung an der Spitze gelang ihnen die Sezession, bevor dann fast alle chinesischen Provinzen des Reiches vom Fieber der Revolte erfasst wurden, wobei die Kämpfe in der reichsten Region Chinas, dem Unterlauf des Jangtse, besonders erbittert geführt wurden. Die Anführer des Taiping-Aufstandes befehligten bis zu 500 000 Menschen, während die Heere der Qing-Dynastie mehr als eine Million zählten. Die beiden Lager zogen im großen Stil Milizen hinzu, die oft wenig ausgebildet und wenig diszipliniert waren. Im Verlauf dieser gigantischen Militärkampagne wurden Dutzende Städte und Hunderte Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und systematisch Äcker zerstört, um den Gegner auszuhungern.

      In dieser Hinsicht


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