Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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Russell, War and Nature. Fighting Humans and Insects with Chemicals from World War I to Silent Spring (Cambridge u. a. 2001). Für einen historiografischen Überblick möchte ich schließlich noch auf Martin Gutmann, »The Nature of Total War. Grapsing the Global Environmental Dimensions of World War II«, in: History Compass, Nr. 13, 2015, S. 251–261 (DOI: 10.1111 / hic3.12236), verweisen.

      Ein guter Startpunkt für den Vietnamkrieg ist das Buch von David Biggs, Quagmire. Nation-Building and Nature in the Mekong Delta (Seattle 2010).

       Querverweise

      Die Zeit der Bürgersoldat*innen78

      Technologie ist nichts ohne Strategie132

      Guerilla und Aufstandsbekämpfung236

      Der Bombenkrieg, vom Boden aus betrachtet568

      Aus Ruinen767

      1Maclyn P. Burg / Thomas J. Pressley (Hg.), The Great War at Home and Abroad, Manhattan, Kan 1999, S. 81.

      2»Fighting a Gas Attack in the Trenches«, in: Popular Science Monthly 91, Nr. 4 / 1917, S. 580.

      Michael Neiberg

       Technologie ist nichts ohne Strategie1

      Technologischer Vorsprung verschafft einer Armee Überlegenheit. Doch er allein bringt keinen Sieg. Alles hängt von der Art des Gebrauchs ab, den Armeeführung und Staat davon machen.

      Eine Geschichte von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt berichtet von einem amerikanischen Offizier, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen Indianerhäuptling gefragt habe, was er von der modernen Artillerie der US-Armee halte. Dieser habe geantwortet, er finde das schon sehr beeindruckend, doch keiner seiner Krieger sei so dumm, auf seinem Pferd still davor sitzen zu bleiben. In dieser Fabel steckt die einfache, aber entscheidende Idee, dass der bloße Besitz einer Technologie für sich genommen nicht so wichtig ist wie der Gebrauch, den eine Gesellschaft davon macht, sowie die Art und Weise, wie die Gegenseite darauf reagiert. In der Geschichte haben sich nur wenige Soldat*innen nicht von überlegener tödlicher Technologie in gegnerischer Hand beeindrucken lassen. Ausnahmen bilden der »Geistertanz«, jene Sioux-Bewegung der 1880er Jahre, und der Boxeraufstand in China, die beide auf einem religiös-chiliastischen System beruhten, das seinen Anhänger*innen spirituelle Unantastbarkeit durch die Waffen des Westens versprach. In beiden Fällen handelte es sich um Versuche, die Technologie des Gegners mit immateriellen Mitteln zu kontern.

      Im Krieg versucht jeder, überlegene Waffensysteme des gegnerischen Lagers zu umgehen, auch wenn es vorkommt, dass eine Minderheit den extremen Weg der Sioux oder Boxer einschlägt. Der preußische Philosoph Carl von Clausewitz, der in einer Zeit relativer Stabilität der technologischen Entwicklung schrieb, fasst den Krieg als Konfrontation zweier Willen. Die Technologie spielt kaum eine Rolle in seiner detaillierten Analyse der napoleonischen Zeit. In dieser Epoche verfügte jedes Lager über einen technologischen Vorteil, den das gegnerische Lager nicht erlangen oder ausgleichen konnte. In den Augen von Clausewitz lag der Schlüssel zum Sieg weniger in der Technologie selbst als in ihrer Verwendung durch die Heerführer und Staaten im Rahmen eines strategischen Gesamtplans.

      Nichtsdestotrotz ist die Frage der technologischen Überlegenheit von Bedeutung, insbesondere in symmetrischen Auseinandersetzungen zwischen Armeen, die dieselbe Doktrin, dieselbe Philosophie und dieselbe Art, Feldzüge durchzuführen, teilen. In diesen Fällen kann ein technologischer Zugewinn die Balance kippen lassen. Denken wir an die Atombombe, mit der die Vereinigten Staaten im Zweiten Weltkrieg den Konflikt mit Japan beendeten, an die schweren Langstreckenbomber B-29 Superfortress, die die beiden Atombomben abwarfen, oder auch an die »Turingbomben«, mit deren Hilfe die Briten die Geheimkommunikation der Deutschen entschlüsselten.

      Allerdings unterscheiden Technologiehistoriker zwischen Veränderungen, die infolge einer technologischen Entwicklung eintreten, und solchen, die aus einer technologischen Revolution resultieren. Erstere beruhen auf allmählichen Verbesserungen, die an bestehenden Technologien vorgenommen werden. So bescheiden diese Veränderungen manchmal erscheinen, ihre Folgen können beachtlich sein. Die Kombination des amerikanischen Jagdflugzeugs P-51 Mustang mit dem britischen Merlin-Motor von Rolls-Royce zum Typ P-51-D während des Zweiten Weltkrieges bietet ein gutes Beispiel. Es entstand dadurch ein dynamisches Fluggerät mit einer Geschwindigkeit und einem Aktionsradius, die es ermöglichten, die alliierten Bomber von ihren Stützpunkten im Vereinten Königreich bis zu den Zielen in Deutschland zu begleiten. Es ließe sich auch die Entwicklung und Kombination des Radars und der Luftnavigationssysteme im Laufe des Krieges anführen. Hierbei handelt es sich um Verbesserungen und mithin nicht um radikale Veränderungen.

      Revolutionäre Veränderungen hingegen beschreiben die Entwicklung völlig neuartiger Technologien. Die Atombombe ist der bekannteste Fall, ebenso dazu gehört die Ersetzung der Propellerflugzeuge durch Düsenflugzeuge ab dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Solche Revolutionen bringen Risiken mit sich und sind äußerst kostspielig. Die Dreadnought-Schlachtschiffe, die Großbritannien 1906 vom Stapel laufen ließ, machten die anderen im Gebrauch befindlichen Kriegsschiffe obsolet. Daraus entstand ein regelrechter Rüstungswettlauf um die neue Technologie. 1914 waren weltweit neunzig dieser Schiffe einsatzfähig oder im Bau. Sie revolutionierten nicht nur die Schiffstechnologie, sondern auch die globale Strategie, da sie mit Öl statt mit Kohle fuhren. Dies bedeutete einen unvorhergesehenen Vorteil für die Vereinigten Staaten, die während der zwei Weltkriege Zugang zu gleichsam unbegrenzten Ölreserven hatten – im Unterschied zu Deutschland, dem nichts dergleichen zur Verfügung stand.

       Stahl und fossile Brennstoffe

      Das Ende des 19. Jahrhunderts erlebte mit der zweiten industriellen Revolution, die sich im Wesentlichen in den Vereinigten Staaten und Westeuropa vollzog, den Anfang großer Veränderungen. Zunächst einmal verschaffte die Verwendung der Kohle und anderer fossiler Brennstoffe den Industriellen eine größere materielle Macht als zur Zeit der ersten industriellen Revolution, die auf Wind- und Wasserkraft sowie Muskelkraft von Tieren beruht hatte. Nun konnte man Waffensysteme, die bis dahin in Handwerksbetrieben hergestellt worden waren, in Massenproduktion fertigen. Zweitens erlaubte Bessemers Verfahren zur Stahlherstellung (1856 von Henry Bessemer patentiert) die Massenproduktion eines zugleich formbaren und festen Materials, das sich aus diesem Grund ideal für die Rüstungsindustrie eignete. Für alle in Gebrauch befindlichen Waffen, von Bajonetten bis zu Schiffsrümpfen, ersetzte der Stahl das leichter zerbrechliche Eisen, die teurere Bronze und das weichere Holz. 1910 waren die Vereinigten Staaten und Deutschland die weltgrößten Stahlproduzenten mit zusammengenommen größerem Output als der ganze Rest der Welt. Die Deutschen bewiesen allerdings größere Zielstrebigkeit bei der Bemühung, diese Produktionskapazität für ihre Streitmacht zunutze zu machen; bald verschafften sich jedoch auch die Vereinigten Staaten militärische Vorteile daraus.

      Dank der Verwendung austauschbarer Teile, einer amerikanischen Erfindung, war es schließlich möglich, verschiedene Varianten derselben Technologie mit genauen Spezifikationen herzustellen und auf diese Weise Reparatur und Distribution effizienter zu gestalten. Das amerikanische Massenfertigungssystem, wie es bezeichnet worden ist, erlaubte die Serienproduktion von Gewehren, die größere Reichweite und Präzision hatten, weniger kosteten und besser handhabbar waren als die alten Musketen mit glattem Lauf. Diese neuen Gewehre, deren Munition, die Minié-Geschosse, ebenfalls in Massenproduktion gefertigt wurde, erhöhten die Schlagkraft der Infanterie und der Kavallerie. Die Artillerie optierte ebenfalls für gezogene Läufe und ersetzte die Bronze durch Stahl, was ihr eine größere Zerstörungskraft verschaffte.


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