Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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errichteten sogar Versorgungsrouten durch den Dschungel, darunter den berühmten Ho-Chi-Minh-Pfad. Das amerikanische Militär reagierte mit Entlaubungs- und anderen chemischen Stoffen, die die Bäume, Büsche und Gräser abtöten konnten. Der bekannteste dieser Entlaubungsstoffe ist Agent Orange, das Dioxin enthält, eine besonders potente und außerordentlich stabile chemische Verbindung. Die Flugzeuge versprühten diese Chemikalien schnell und kostengünstig über 8 Prozent der Landesfläche Vietnams, vor allem in der Region des Mekongdeltas, damit die amerikanischen Soldat*innen nicht in Hinterhalte gerieten. Laut der vietnamesischen Regierung leiden heute mehr als 4 Millionen Menschen unter den Folgen des Dioxineinsatzes.

      Die Vereinigten Staaten verwendeten auch mechanische Mittel, um ihre Gegner*innen daran zu hindern, sich in den vietnamesischen Wäldern zu verstecken. Die Rome Plow-Bataillone, monströse Planierraupen, die mit zwei Tonnen schweren Klingen zum Abschneiden von Bäumen bestückt waren, konnten jedwede Vegetation in Rekordzeit niedermähen. Ab 1967 zerstörten die Rome Plow nach und nach 2 Prozent der südvietnamesischen Böden. Mittels der Entlaubungsstoffe und der mechanischen Werkzeuge verwüsteten die amerikanischen Streitkräfte ungefähr 22 000 Quadratkilometer Wald (eine Fläche von der Größe New Jerseys oder Israels), das heißt etwa 23 Prozent der Waldfläche Vietnams im Jahr 1973.

      Im Gegensatz zu den Konflikten im Süden Afrikas wurde Vietnam auch zum Schauplatz eines umfänglicheren Bombenkrieges als alle Luftbombardements des Zweiten Weltkrieges zusammengenommen. Die US Air Force warf zwischen 1965 und 1974 über 6 Millionen Tonnen Bomben über Vietnam ab. Dadurch entstanden mehr als 20 Millionen Bombenkrater – das ist mehr, als 4,5 Milliarden Jahre Meteoritenbombardement auf der Mondoberfläche hinterlassen haben. Einige dieser Krater dienen heute als Fischteiche. Aufgrund ihrer Feuerkraft und Technologie bewirkte die amerikanische Armee eine rapide Umweltveränderung in Vietnam. Natürlich verzichteten auch Nordvietnam und der Vietcong nicht auf das Niederbrennen von Dörfern und Ernten. Doch sie verfügten nicht über die technologischen Fähigkeiten der amerikanischen Truppen; außerdem hatten sie keinen Grund, die Wälder zu zerstören und zu vergiften.

      Den in Ovamboland und in Vietnam durchgeführten Militärkampagnen des Kalten Krieges war gemeinsam, dass es sich um asymmetrische Guerillakriege handelte und damit um Schauplätze systematischer Anstrengungen zur Zerstörung des Schutzraums, den die Wälder boten. Dasselbe lässt sich über den Griechischen Bürgerkrieg (1944–1949), den Algerischen Unabhängigkeitskrieg (1954–1962), den ersten Afghanistankrieg (1979–1989) und zahlreiche andere Konflikte sagen. Alle hatten dauerhafte Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere in den Bergregionen, wo es zu Bodenerosion kam und wo sich die Wälder nur langsam erholen.

      Die Kampagnen des Kalten Krieges illustrieren einige der anfangs dargelegten allgemeinen Prinzipien. Die Vorbereitung des Krieges in Form von Programmen zur Entwicklung der Atomwaffe beispielsweise hatten deutlich längerfristige Folgen für die Umwelt als jedes andere Erbe des Kalten Krieges, ob die Umwelt betreffend oder nicht. Die Guerillas und die Antiguerillastrategien, sei es in Vietnam, im südlichen Afrika, in Afghanistan oder anderswo, haben zu einer ernsten Umweltdegradation geführt, vielleicht tiefgreifender in den Auswirkungen waren, als jene der beiden Weltkriege mit ihrer konventionellen Kriegführung. Doch die Dauer dieser Umweltschäden und die Frage nach dem Wissen, welche davon repariert werden können, hängt vor allem von der Fähigkeit der Gesellschaften zur Wiederherstellung und Neunutzung des Landes in Friedenszeiten ab. Der Krieg wütete nach dem Ende des Kalten Krieges vielerorts weiter. Ein großer und lang dauernder Konflikt entbrannte im Kongo, andere Bürgerkriege brachen andernorts in Afrika, im ehemaligen Jugoslawien, im Nordkaukasus sowie in Afghanistan und in Syrien aus. Alle diese Konflikte, diese Dutzenden meist asymmetrischen kleineren Kriege, verursachen, wie die anderen Kriege auch, Kollateralschäden an Bauernhöfen, Wäldern, Vieh und Städten. Die Vereinigten Staaten haben zweimal, 1991 und 2003, den Irak angegriffen und einen langen Krieg in Afghanistan geführt, wobei sie sich vor allem auf die Schlagkraft ihrer Luftwaffe stützten, die enorme Schäden an der städtischen und ländlichen Umwelt verursacht hat.

      Diese und die zweifellos zukünftig auftretenden Konflikte haben ohne Frage dieselben hohen Kosten für die Umwelt wie die Konflikte der Vergangenheit. Erst seit Kurzem befassen sich Militärhistoriker*innen mit diesem Thema, da verständlicherweise die Priorität den menschlichen Kosten des Krieges gilt. Doch dank der Arbeit einer Handvoll Historiker*innen hat sich immer deutlicher gezeigt, dass die Auswirkungen der Konflikte über die menschliche Bevölkerung hinausgehen und sich auf die gesamte Biosphäre erstrecken.

      John R. McNeill ist Professor an der Georgetown University. Er ist einer der wichtigen Experten für Umweltgeschichte und Autor von Blue Planet. Die Geschichte der Umwelt im 20. Jahrhundert (Frankfurt am Main u. a. 2003) sowie Mosquito Empires. Ecology and War in the Greater Carribean 1620–1914 (Cambridge 2001).

       Literaturhinweise

      Zwei bemerkenswerte Sammelbände leisteten viel, um das Thema Krieg und Umwelt in der Geschichtswissenschaft zu etablieren: Charles Closmann (Hg.), War and the Environment Military Destruction in the Modern Age (College Station 2009), und Richard Tucker und Edmund Russell (Hg.), Natural Enemy, Natural Ally (Corvallis 2004).

      Über den Amerikanischen Bürgerkrieg gibt es ausgezeichnete Monografien, unter denen man die von Lisa Brady, War upon the Land. Military Strategy and the Transformation of Southern Landscapes during the American Civil War (Athens 2012), und die von Kathryn Meier, Nature’s Civil War (Chapel Hill 2014), heranziehen kann. Weitere Forschungsarbeiten sind im Gange.

      Zum Ersten Weltkrieg bietet eine Übersicht bislang nur das Buch von William Storey, The First World War. A Concise Global History (Lanham 2009), das den umweltbedingten Sachzwängen ebenso wie den Auswirkungen des Krieges auf die Umwelt außergewöhnlich viel Aufmerksamkeit schenkt, trotz all der verschiedenen Kriegsschauplätze. Tait Keller arbeitet zurzeit an einem neuen Buch zu diesem Thema.

      Unter den Spezialstudien sind zu nennen: Axel Bader, Wald und Krieg. Wie sich in Kriegs- und Krisenzeiten die Waldbewirtschaftung veränderte. Die deutsche Forstwirtschaft im Ersten Weltkrieg (Göttingen 2011), über das Notmanagement der Wälder in Deutschland während des Ersten Weltkrieges, welches sich 1916 zu einem regelrechten Krisenmanagement auswuchs; Christoph Nübel hingegen wählt in Durchhalten und Überleben an der Westfront. Raum und Körper im Ersten Weltkrieg (Paderborn 2014) einen kulturellen Ansatz zur Thematisierung der Umwelt an der Westfront im Ersten Weltkrieg, mit spezifischen Details über den Angriff eines bayerischen Regiments 1916; und Tait Keller bietet in Apostles of the Alps. Mountaineering and Nation Building in Germany and Austria, 1860–1939 (Chapel Hill 2016) eine unerschöpfliche Informationsquelle zum Ersten Weltkrieg. Über die »rote Zone« von Verdun existiert eine detaillierte Umweltstudie: Georges Parent, Trois Études sur la »zone rouge« de Verdun, une zone totalement sinistrée: I. L’herpétofaune. – II. La diversité floristique. – III. Les sites d’intérêt botanique et zoologique à protéger prioritairement (Luxemburg 2004).

      Über den Zweiten Weltkrieg verfügen wir bislang noch nicht über eine Gesamtstudie. Eine Einschätzung bestimmter Aspekte des Problems ist möglich über die Lektüre des Buchs von Franz-Josef Brüggemeier, Mark Cioc und Thomas Zeller (Hg.), How Green were the Nazis? Nature, Environment and Nation in the Third Reich (Athens 2005), das die Widersprüche zwischen der Naturromantik der Nationalsozialisten und ihrer Kriegführung untersucht; Micah Muscolino, The Ecology of War in China (Cambridge 2015), ist eine detaillierte Studie der Provinz Henan während des Krieges und danach, die außerdem interessante methodologische Neuerungen vorschlägt. Ein weiteres wichtiges Buch über den Pazifikkrieg ist das von Judith Bennett, Natives and Exotics. World War II and Environment in the Southern Pacific (Honolulu 2009). Während sich die folgenden beiden Bücher auch mit vielen anderen Dingen außer dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen, nähern sie sich ihm auf höchst unterschiedliche Weise: Chris Pearson, Mobilizing Nature. The Environmental


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