10 Galaktische Abenteuer Box 4. divers

10 Galaktische Abenteuer Box 4 - divers


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      Mühsam hielten die beiden Männer sich zurück, nicht sofort übereinander herzufallen. Als es dann doch so aussah, als könnten sie der Versuchung nicht widerstehen, schaltete sich Captain Jorge Blunt ein, der bisher nur stumm gelauscht hatte.

      »Bitte! Meine Herren!«, sagte er scharf. In seinen Augen funkelte wilde Entschlossenheit, wenn er auch äußerlich gefasst wirkte. »Wenn Sie freundlicherweise Ihren Disput zu den Akten legen könnten, damit Ihre volle Aufmerksamkeit der gegenwärtigen Situation gilt.«

      »Welche Situation?« Hellmar Kronen warf dem Maschinenführer rasch noch einen geringschätzigen Blick zu, bevor er durch die Panoramaverglasung der Brücke auf die See schaute, die von den Scheinwerfern aus der Finsternis gerissen wurde. »Ist doch alles ruhig, Captain.«

      Beinahe mitleidig schaute Jorge Blunt seinen 1. Maat an.

      »Mister Kronen«, sagte er in belehrendem Tonfall, »angesichts einer Fracht wie der unseren, ist es niemals ruhig.«

      Hellmar Kronen wurde blass. Magisch wurden seine Augen von den Containern angezogen, die sich tief unten auf Deck in langen Reihen aneinanderdrängten. Er konnte nicht viel erkennen, wusste aber nur zu genau, wovon der Captain sprach.

      »Was transportieren wir da eigentlich?« Der 1. Maat hatte die Frage schon so oft gestellt und keine befriedigende Antwort darauf erhalten, dass die erneute Wiederholung eine absurde Groteske darstellte. Dieses Mal jedoch schien sich Jorge Blunt überraschenderweise zu einer Erklärung hinreißen zu lassen.

      »Überlegen Sie doch mal, Kronen. Abgesehen von unserer normalen Fracht, stammen viele der Container aus dieser Erdölraffinerie in Midland.«

      »Das weiß ich.«

      »Dann wissen Sie sicherlich auch, dass diese Raffinerie schon seit Jahrzehnten stillgelegt ist.«

      »Sicher …«

      Captain Jorge Blunt schmunzelte.

      »Also überlegen Sie mal fleißig, welches Produkt einer außer Betrieb befindlichen Erdölraffinerie wir wohl an Bord haben könnten, Kronen.«

      »Was soll das heißen?«, wurden Hellmar Kronens Augen groß und rund. »Das kann jedes nur erdenkliche Produkt sein. Wie soll ich jemals das richtige herausfinden?«

      »Sehen Sie«, erwiderte der Captain, »genau das habe ich mir auch gedacht. Und seitdem mache ich mir keine Gedanken mehr über unsere Fracht, sondern nur über die Bezahlung. In dem sozialistischen Sumpf unserer verlogenen Gesellschaft ist Bares das einzige Mittel, das jeder kennt und versteht …«

      »Demnach wissen auch Sie nicht, was sich in den Containern befindet?«, hakte Kronen nach.

      »Deshalb sind Sie der 1. Maat«, lächelte Blunt, »weil Sie mit dieser überlegenen Kombinationsgabe gesegnet sind.«

      Till Tempest unterdrückte einen spontanen Lachanfall, was in einem prustenden Grunzen endete.

      »Amüsieren Sie sich über irgendetwas?«, fuhr Hellmar Kronen den Maschinenführer barsch an.

      »Hab mich verschluckt«, entgegnete Tempest und hatte Mühe, seine entgleisten Gesichtszüge einzurenken.

      »Schluss jetzt mit den Streitereien!«, brauste Jorge Blunt auf. »Im Moment haben wir andere Sorgen, als uns mit Kleinkinderquerelen zu beschäftigen!«

      Hellmar Kronen setzte eine interessierte, aber ratlose Miene auf.

      »Wovon reden Sie, Sir? Was bereitet Ihnen Sorgen …?«

      Der Captain ließ einige Sekunden verstreichen, in denen er in die Nacht vor dem Bug des Containerschiffes hinaussah auf die fast unbewegte See.

      »Es ist diese Ruhe«, war seine Stimme ein raues Flüstern. »Diese gottverdammte Ruhe …«

      »Die Ruhe vor dem Sturm«, fügte Till Tempest hinzu und bekam plötzlich einen verklärten Blick, der seine Augen wie Glasmurmeln erscheinen ließ.

      Die äußere Stille breitete sich nun auch auf der Brücke aus, bis sie vom Schrillen eines Funkempfängers brutal unterbrochen wurde.

      »Sicherheit an Captain!«, schnarrte es aus den Lautsprechern. »Wir haben bei den Containern die Leiche eines Menschen gefunden!«

      Sofort war Blunt am Mikrofon.

      »Was ist geschehen? Um wen handelt es sich!«

      »Das … lässt sich nicht genau sagen! Der oder die Tote ist grässlich verstümmelt. Es ist furchtbar, Sir! So etwas haben wir noch nicht gesehen …!« Deutlich war aus der Leitung vernehmbar, dass sich jemand erbrach.

      »Ich komme runter«, sprach der Captain tonlos ins Mikrofon. Und an Kronen und Tempest gerichtet fuhr er fort: »Es geht los, meine Herren …«

      Keine zwei Lidschläge darauf wurde der Rumpf der MS ›Commonwealth‹ von einem verheerenden Schlag erschüttert!

      *

      Blunt, Kronen und Tempest wurden von den Füßen gerissen, stießen hart gegen Konsolen und gingen aufstöhnend zu Boden.

      »Himmel!«, schrie der 1. Maat. »Wir sind auf Grund gelaufen!«

      »Verfluchter Unsinn!«, presste Captain Blunt hervor, über dessen Lippen ein breites Blutrinnsal lief. »Das ist ein Angriff …!«

      Zwischen Hellmar Kronen und Maschinenführer Till Tempest herrschte einvernehmliche Übereinstimmung, als sie sich ansahen und beide wussten, dass der Captain verrückt geworden war.

      Erneut schwang der Rumpf des Containerschiffes wie ein gigantischer Resonanzkörper, als ein weiterer Schlag erfolgte und durch die Brückenverglasung der sich aufbäumende und seitwärts wegkippende Bug der MS ›Commonwealth‹ sichtbar wurde.

      Jorge Blunt musste seine gesamte Körperkraft aufbringen, sich an der Steuerkonsole hochzuziehen, ohne quer durch den Brückenraum geschleudert zu werden. Kronen und Tempest schenkte er keine Sekunde seiner Aufmerksamkeit mehr, als sich seine Pupillen an einem Objekt festsaugten, das sich an der Außenwandung des Schiffes hochzog, sich darum schlang und immer größer zu werden schien.

      Der Atem stockte dem Captain, als er die wahren Ausmaße einer Kreatur zu erahnen begann, die mit ihrem titanischen Leib und einer Unzahl an Pseudopodien den 150.000-GRT**Gross Registered Tons = Bruttoregistertonnen bzw. Bruttoraumzahl-Frachter nicht nur zum Stillstand brachte, sondern ihn jederzeit versenken konnte. Diese Bestie der See hielt den Schiffsrumpf unerbittlich umklammert. Der Stahl ächzte bereits markerschütternd unter dem Zugriff der mächtigen Tentakel.

      Noch schien das Monstrum unschlüssig, was es mit seiner Beute zu tun gedachte. Doch Captain Jorge Blunt wusste, dass seine Zeit und die seiner Crew lediglich noch nach Minuten zählte. Oder weniger.

      Er stürzte zum Funkgerät, stellte eine Frequenz ein und wartete mit angespannten Nerven, dass an der Gegenstation abgenommen wurde.

      »Sie wissen doch, dass Sie diese Leitung nicht ohne Ortungsschutz benutzen dürfen«, meldete sich eine vorwurfsvolle, aber dennoch freundlich intonierte Stimme.

      »Keine Zeit für Verschlüsselungen!«, spie der Captain regelrecht ins Mikrofon. »Ihre Ladung ist extrem gefährdet! Ich rechne mit dem völligen Verlust! Da ist etwas schiefgegangen! Wir werden alle draufgehen …!«

      In der Leitung knackte es. Danach folgte ein Rauschen.

      »Dieser verfluchte Bastard!«, presste Jorge Blut zwischen den Zähnen hervor.

      »Von wem reden Sie, großer Gott?«, standen Hellmar Kronen die Haare zu Berge.

      Die Brücke vibrierte. Jeder hatte Mühe, festen Halt zu bewahren.

      »Vom Satan persönlich«, erwiderte der Captain nach einigen Momenten.

      Vom Wasser her ertönte ein grausiges Heulen. Die Meereskreatur drückte den Bug der ›Commonwealth‹ mühelos unter Wasser, sodass sich das Heck des Schiffes fast senkrecht aufrichtete. Tosend ergossen sich die Containerreihen in die


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