Die Amazonas-Detektive - Verschwörung im Dschungel. Antonia Michaelis

Die Amazonas-Detektive - Verschwörung im Dschungel - Antonia  Michaelis


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      »Du glaubst doch nicht im Ernst, jemand hat Maria mitgenommen, nur weil sie mit uns geredet hat?«, flüsterte Pablo. »Nein. Das ist Unsinn. Dann hätte der Jemand auch gleich uns mitnehmen können.«

      »Vielleicht ist sie einfach nur … etwas eilig aufgebrochen«, sagte Ximena. »Weil sie vor etwas oder jemandem Angst hatte. Ich glaube, sie ist noch nicht lange weg. Ich bin eben erst aufgewacht und ich dachte, ich hätte noch die Stimmen von einer ganzen Menge kleiner Kinder gehört, die versucht haben, sich zu beeilen … Als ich richtig wach war, war niemand mehr da. Außer … denen da!«

      Sie nickte hinüber zum Rand des Platzes, wo neben einer schwarzen Kutsche zwei Männer standen und diskutierten. Gut angezogene Männer, Männer in schönen, schlichten hellen Anzügen und weißen Hemden. Sie mussten eben aus der Kutsche gestiegen sein. Kautschukbarone, die irgendwo außerhalb der Stadt auf riesigen Haciendas lebten und Tausende Sklaven zum Kautschuksammeln in den Wald schickten. Pablo rieb sich die Augen und wurde wirklich wach. Nein. Die Kutsche war ein historisches Ausstellungsstück und die Männer standen nur daneben, weil man sich dort gut anlehnen konnte.

      Sie sahen einmal kurz zu Pablo und Ximena hinüber, dann diskutierten sie weiter und einer zeigte zum Theater mit seinen verschnörkelten goldenen Verzierungen.

      »Wenn ich Pech habe, kennt einer von denen meinen Großvater«, sagte Ximena. »Und sie haben ihn längst angerufen, um ihm Bescheid zu geben, dass ich hier bin.«

      »Ist er so ein Leute-Kenner?«, fragte Pablo.

      »Die mit Geld, die kennen sich doch alle«, sagte Ximena. »Aber stimmt, eigentlich sagt er immer, er kann die anderen nicht leiden. Er geht nie zu irgendwelchen Partys oder Empfängen, er … He! Die gehen rein, guck! Ins Theater! Was wollen die da? Es ist keine Vorstellung um diese Zeit. Und Touristen sind sie auch nicht. Das ist … das ist komisch, findest du nicht?«

      »Ich wollte immer schon mal rein«, murmelte Pablo.

      »Na, dann los«, sagte Ximena.

      Die beiden Männer waren im schattigen Seiteneingang des Theaters verschwunden und drei Minuten später zwängten sich auch Pablo und Ximena durch die schwere Schwingtür. Drinnen war es kühl und ein Geruch nach Vergangenheit und Putzmittel lag über dem Raum. Die Bodenfliesen glänzten, man konnte sich darin spiegeln und alle Wände waren mit goldenem Stuck dekoriert.

      An der Theaterkasse saß eine rotmundige junge Dame hinter ihrem Glasfenster, lackierte ihre Nägel und wartete auf Menschen, die Karten für den Abend kaufen wollten.

      »Da!«, wisperte Ximena und zeigte die Treppe hinauf, die mit rotem Plüschteppich ausgelegt war. Tatsächlich, weiter oben unterhielt sich jemand.

      Sie duckten sich, huschten unter dem Glasfenster der Kartendame vorbei und die Stufen hinauf, lautlos wie zwei Mäuse.

      Oben kamen sie in einem leicht gekrümmten, sehr breiten Gang heraus. Natürlich, das Theater war rund und dieser Gang lief wohl einmal ganz darum herum. In dem Gang standen auf einem schwarzen Kasten vier alte Scheinwerfer, ein Ausstellungsstück für Touristen. Ximena zeigte nach rechts, wo lauter reich verzierte Türen nebeneinanderlagen.

      »Da geht es zu den Logen«, wisperte sie. »Wo die wichtigen Leute sitzen, wenn sie ins Theater gehen. Mein Großvater hat auch eine.«

      »Das heißt … du hast hier schon Stücke gesehen?«, flüsterte Pablo fasziniert. Ximena legte den Finger auf den Mund und nickte. »Ööööde«, wisperte sie. »Die Leute gehen sowieso nur hin, damit man sie sieht.« Dann lauschte sie und Pablo lauschte ebenfalls. Die Stimmen der Männer kamen aus einer der Logen. Sie schlichen bis zu der Tür dieser Loge, die nur angelehnt war. Dahinter bedeckte zusätzlich ein dunkelroter Vorhang die Türöffnung. Ximena schob ihn ganz vorsichtig ein Stück zur Seite. Und da saßen sie – die beiden Männer in ihren hellen Anzügen, da saßen sie bequem auf zwei gepolsterten Theaterstühlen und sahen auf den Saal und zur Bühne hinab, die jetzt hinter einem weiteren Vorhang verborgen lag.

      Die Welt, dachte Pablo, besteht aus Vorhängen, jeder verbirgt eine andere Wahrheit.

      imageDa war der Vorhang des Waldes, der die Stadt umgab und hinter dem seltsame Dinge geschahen und Menschen verschwanden.

      Da war der Vorhang von Ximenas Erinnerung, dem Lied der Frau, das sie träumte, die Frage, wo ihre Eltern geblieben waren.

      Und da war der Vorhang von Miguels Reise, von der er nie zurückgekommen war.

      Die Männer in der Loge lachten, gelöst und fröhlich.

      »Schauen Sie es sich an«, sagte der eine. »All dieser Prunk. Früher saßen die Kautschukbarone hier. Heute, ich sag es Ihnen, sind es die Energiebarone. Die Wasserbarone, wie klingt das?«

      Wieder Lachen. »Wie aus einem Kinderbuch«, sagte der zweite Mann. Er war ein bisschen größer als der erste und auch etwas schlanker. »Wenn wir das Ding durchhaben, werde ich also eine Loge hier haben?«, fragte er. »Aber natürlich«, antwortete der erste Mann, »versprochen ist versprochen.«

      »Und ich werde meine Frau ins Theater führen und meine drei Töchter, alle in extra geschneiderten Kleidern«, sagte der erste Mann und lachte schon wieder. Etwas stimmte nicht ganz mit seiner Stimme … Und dann hatte Pablo es. Der Mann hatte einen Akzent. Er sprach gutes Portugiesisch, aber Portugiesisch war nicht seine Muttersprache.

      »Sie spielen mit dem Gedanken hierherzuziehen?«, fragte der kleinere, breitere, der ohne Akzent.

      »Nicht permanent. Für ein paar Wochen hier und da – ein Ferienhaus, Sie verstehen. Ich habe da draußen eine Villa in Aussicht, historisch, aber sie muss noch restauriert werden. Schön für die Mädchen. All diese Natur. Und meine Frau liebt Blumen. Es gibt doch sicher eine Menge Blumen im Urwald.«

      image»Blumen, hm«, sagte der andere. »Ähm, eigentlich … eher Bäume. Sie blühen natürlich bisweilen, aber die Blüten sind ganz oben, sie verstehen, wo das Licht ist. Da kommt man schlecht hin … Aber das macht ja nichts!« Er lachte schon wieder. »Macht gar nichts! Man kann die Bäume ja beseitigen und Blumen pflanzen. Einen wunderschönen Blumengarten hinter Ihrer Villa, Blumen, so weit das Auge reicht, Sie werden genug Leute finden, die sich um die Blumen kümmern, die Indios sind zwar im Grunde alle dumm, aber wenn man sie mit ein wenig Strenge erzieht, können sie gute Arbeiter werden. Man darf nicht zu sanft mit ihnen umgehen.«

      imageEr seufzte. »Einen Teil des Geldes, das Sie mir freundlicherweise zur Verfügung stellen, werde ich dazu verwenden, das alte Theater ein wenig zu verbessern. Für unser Volk. Ich bin ein großzügiger Mensch.« Er räusperte sich. »Ich fände es zum Beispiel schön, wenn die Logen kleine Kühlschränke hätten, um Drinks bereitzustellen. Und es sollte hier oben eine Klimaanlage für die Logengäste geben. Mir ist ständig zu heiß. Aber man muss ja hingehen, nicht wahr, um gesehen zu werden, sonst vergessen die Menschen noch, wer ihr Bürgermeister ist!«

      image»Klimaanlage … warum nicht«, sagte der erste Mann. »Den Strom haben Sie dann ja.«

      Sie lachten beide wieder und dann sagte der rundlichere Mann plötzlich: »Was machen wir mit den Kindern? Den beiden da unten?«

      Pablo zuckte zusammen und fasste Ximena am Arm.

      »Sie versuchen, Dinge herauszufinden. Irgendwie ist es ja fast niedlich. Sie spielen Detektiv. Ein Glück, dass ich meine Informanten habe, die solche Dinge zuverlässig und rasch an mich weitermelden …«

      »Was wir mit ihnen machen sollen? Gar nichts«, sagte der dünne Mann. »Es sind Kinder! Sie werden wohl kaum das nächste Schiff zum Rio Demini nehmen und uns in die Suppe spucken.«

      »Sie


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