Neue Technologien in der Pflege. Группа авторов
erschlossen werden kann. Die bereits erwähnten Produkte memocare bzw. media4care bieten eine erste Auswahl entsprechender digitalisierter Medien auf dem Markt an.
Aufgrund der vorliegenden Studienlage wird Erinnerungspflege grundsätzlich als eine vielversprechende Intervention für Menschen mit Demenz gesehen, die das Potenzial hat, Stimmung, Kognition und Verhalten zu verbessern (Woods et al. 2018).
Eine Überblicksarbeit, die sich explizit mit den Effekten der technikgestützten Erinnerungspflege befasst, sieht die Vorteile im Zugang zu reichhaltigen und die Beteiligung fördernden multimedialen Erinnerungsmaterialien. Ebenso wird angeführt, dass diese Form der Begleitung soziale Interaktion befördert und es den Betroffenen leichter zu fallen scheint, Gespräche zu bestimmen. Dies kann vor allen Dingen durch die Anregung des emotionalen und musikalischen Gedächtnisses gelingen. Ebenso bieten technikgestützte Lösungen eine Reduzierung von Barrieren, so dass sie zum Teil (motorische) Einschränkungen kompensieren. Generell fehlt es jedoch noch an Wissen dazu, welche Arten von Medien besonders geeignet sind und wie diese aufbereitet werden sollten (Lazar et al. 2014).
Die umfangreichsten Erkenntnisse und Erfahrungen zur technikgestützten Erinnerungspflege gibt es aus dem Projekt CIRCA – Computer Interactive Reminiscence und Conversation Aid1. Die ersten Schritte mit CIRCA wurden bereits Anfang des Jahrtausends unternommen. Eine Forschergruppe um Gary Gowans an der Universität Dundee entwickelte CIRCA mit der Zielsetzung Kommunikation zwischen Pflegenden und Menschen mit Demenz zu verbessern. Erinnerungspflege/Reminiszenz schien hierfür das geeignete Potenzial zu haben. Es entstand die Idee durch die Bereitstellung digitaler Medien den Prozess zu vereinfachen und damit den Aufwand für die Pflegenden zu reduzieren. Das System ist einfach zu bedienen und hilft vielfältige Quellen zu kollektiven Gedächtnisinhalten einer Generation zu erschließen. Es gibt Filme, Fotos und Musik mit zeitgeschichtlicher Bedeutung, die vielen Älteren vertraut sind (Gowans et al 2004). CIRCA wurde von seinen Anfängen in allen Entwicklungsstufen bis heute wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse zeigen zum Beispiel, dass sich durch die Nutzung von CIRCA die Interaktion zwischen Pflegenden und Bewohnerinnen und Bewohnern deutlich verbessern lässt. Die Begegnung findet auf Augenhöhe statt, was bei den Bewohnerinnen und Bewohnern zu einer erlebten Verbesserung des Status und bei den Pflegenden zu einer Erhöhung der Arbeitszufriedenheit führt (Astell et al. 2010). In einer neueren Evaluationsstudie zur Nutzung von CIRCA in Gruppensitzungen zeigte sich bei den Teilnehmenden sowohl Verbesserungen in der Kognition als auch in der Lebensqualität (Astell et al. 2018).
Die im Rahmen der Testung von CIRCA gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse bestätigen sich auch in einem kürzlich in Deutschland abgeschlossenen Projekt zur digitalen Erinnerungspflege, auf das im Folgenden eingegangen werden soll.
1.7 Das Projekt InterMem: Neue Impulse für die Erinnerungspflege
Interactive Memories – Technikgestützte Biografiearbeit und Erinnerungspflege, kurz InterMem, heißt ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das im Rahmen des Förderschwerpunkts »Pflegeinnovationen für Menschen mit Demenz« vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zwischen Juni 2015 und September 2018 gefördert wurde (www.intermem.org). Daran beteiligt waren Universitäten, Hochschulen, mittelständische Unternehmen, Experten aus dem Bereich Wissenstransfer sowie zwei Pflegeeinrichtungen. Im Rahmen von InterMem wurde untersucht, wie sich – ausgehend vom person-zentrierten Ansatz im Umgang mit Menschen mit Demenz – digitale Medien und neue Interaktionstechnologien nutzen lassen, um neue Ansätze zur Biografiearbeit und Erinnerungspflege bei Demenz zu entwickeln.
Ein gemeinsamer Nenner des Verbundprojekts war seine von den beteiligten Akteuren ins Zentrum gestellte Nutzerzentrierung. Besonderes Kennzeichen von InterMem war die Erprobung und Entwicklung innovativer technikgestützter Lösungen in realen Kontexten und Situationen mit Hilfe einer sensiblen Einbindung der künftigen Nutzergruppen.
Vor dem Hintergrund der ermittelten Bedürfnisse und Anforderungen wurde ein sich ergänzendes Arrangement technischer Demonstratoren entwickelt, das unterschiedliche Facetten bzw. Elemente der Biografiearbeit und Erinnerungspflege unterstützte. Ziel war nicht die Entwicklung einer technischen Lösung, sondern vielmehr die Erkundung einer abgestimmten Palette modellhafter Umsetzungen einer den Bedingungen und Möglichkeiten der Zeit angepassten, technisch gestützten Erinnerungspflege.
So bietet beispielsweise die internetbasierte Plattform »CareShare« eine Chat- und Dokumentationsmöglichkeit, mit Hilfe derer Angehörige und Pflegende/Betreuende sich zu bewohnerbezogenen biografischen Themen austauschen und themenbezogene Bilder, Videos, Texte etc. in das System einstellen können, die eine hohe Bedeutsamkeit für den Bewohner/die Bewohnerin besitzen (sogenannte »Herzensöffner«).
Als weitere Demonstratoren wurden eine Reihe unterschiedlicher Ausgabemedien erprobt, die entweder gut in der Gruppe (z. B. eine interaktive Monitorwand) oder in Einzelinterventionen (z. B. ein dreidimensionales, pyramidenförmiges Objekt), u. a. auch bei bettlägerigen Menschen eingesetzt werden können. Alle Demonstratoren wurden in den Pflegeheimen erprobt. Im Fall der interaktiven Monitorwand fand dies über mehrere Monate statt. Im Rahmen der Evaluationssitzungen wurden bei den teilnehmenden Bewohnerinnen und Bewohnern insbesondere verbale oder nonverbale Reaktionen erfasst, die mit einer (mutmaßlichen) emotionalen Bedeutsamkeit assoziiert waren. Dokumentiert wurden außerdem Kompetenzen, die bei den Teilnehmenden während der Sitzungen beobachtet werden konnten – wie etwa Lesen, Kommentieren oder auch das Ausführen gezielter Handlungen (Kreutzner & Radzey 2019; Kienzler et al. 2018).
Im Zuge der kontinuierlichen Erprobungen fanden bemerkenswerte Entwicklungen mit Blick auf Interaktion, Kontakt und Beziehung zwischen den demenziell veränderten Bewohnerinnen und Bewohnern und den sie Begleitenden statt. Dies zeigte sich vor allem in einer Belebung der (nicht nur verbalen) Kommunikation und der Zunahme erkennbar positiver Momente auf Seiten der Teilnehmenden. In den Sitzungen war eine Vielzahl positiver Emotionen beobachtbar, die eng mit dem Erinnern an vergangene Ereignisse und Erlebnisse verknüpft waren und oft auch über einen längeren Zeitraum nachwirkten.
Neben diesen eher im Bereich des emotionalen Erlebens angesiedelten Wirkungen konnten Belege dafür gesammelt werden, dass die entwickelten technischen Lösungen durch die Ansprache mehrerer Sinne (Multimodalität) und eine hohe Qualität der Darstellung (Auflösung, Kontraste, Schriftgröße) vorhandene Kompetenzen der Bewohner stützten und deren Handlungsfähigkeit förderten. Hier erwies sich die Bestätigung vorhandener Kompetenzen als eine wichtige Dimension der Stärkung und Rückversicherung des Selbstwertes der teilnehmenden Person (z. B. funktionierende Erinnerung; erfolgreiches »Interagieren« mit der Wand etc.).
Das Projekt ging damit technisch und inhaltlich weit über den bisherigen Stand der Forschung und Praxis hinaus. Wesentlich war es, dass es mit Hilfe dieser Technologien gelang, auf vielfältige Weise, neue Aktivierungsimpulse zu setzen, die den Personen positive Anregung und Bestätigung im Hier und Jetzt und damit ein Stück Lebensqualität bieten konnten (Kreutzner & Radzey 2019; Pfändler & Radzey 2019; Kienzler & Bejan 2018).
1.8 Geplante Weiterentwicklungen: Das sogenannte »Recommendersystem«
Um die Auswahl und Verwaltung der medialen Inhalte für die Erinnerungspflege mit einer technischen Lösung zu unterstützen, entstand im Rahmen des Projekts die Idee eines sogenannten »Recommendersystems« (engl. to recommend = empfehlen) (Bejan et al. 2018). Dies soll einer Einrichtung ermöglichen, sämtliche als hilfreich erachtete und gesichert einsetzbare Materialien digital vorzuhalten. Dieser Materialfundus soll perspektivisch durch ein Archiv relevanter biografischer Details ergänzt werden, die für die Erinnerungspflege relevant sind und Aufschluss über Vorlieben, Interessen oder Lebensthemen der einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner geben. Die beiden Informationsquellen lassen sich verknüpfen und bewohnerbezogen abgleichen, so dass Empfehlungen für Erinnerungsinhalte abgeleitet werden können. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht somit eine stets aktuelle Grundlage zur digitalen Erstellung gezielter Erinnerungsaktivitäten zur Verfügung. Technisch soll das System als Software in der Einrichtung installierbar und dort mobil