Neue Technologien in der Pflege. Группа авторов

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Entwicklung ist allerdings das Design von Technologien, die in erster Linie bewegungsfördernd sind. Generell gibt es eine Vielzahl von Studien, die in mehreren neueren Metaanalysen bzw. systematischen Überblicksarbeiten zusammengefasst sind, die die Evidenz der Wirkung von Bewegung ausreichend gesichert belegen. Es liegen vielfältige Studienergebnisse vor, die aufzeigen, dass der Demenzverlauf und viele der damit einhergehenden Symptomatiken durch ein entsprechendes körperliches Training/spezifische Trainingsprogramme positiv beeinflusst werden können (Radzey 2019).

      Dem gegenüber steht jedoch die Tatsache, dass im Alltag von Demenzbetroffenen Bewegungsarmut eher die Regel ist. Menschen mit Demenz verbringen den größten Teil des Tages ortsgebunden, in der Regel sitzend. Dies gilt insbesondere für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen, bei denen häufig körperliche Aktivität nur am Morgen beim Aufstehen festgestellt werden konnte. Hier ist ein Perspektivenwechsel dringend notwendig (van Alphen et al. 2016).

      Mit dem Ansatz der zur Bewegungsförderung entwickelten technischen Lösungen, den sogenannten Exergames, versucht man hier neue Impulse und Ansätze zu etablieren. Bei dem Begriff Exergames handelt es sich um ein Kunstwort, das sich aus den Begriffen Exercise (Übung) und Game (Spiel) zusammensetzt. Exergaming ist ein neuer Weg, um Bewegungsübungen entweder in einer virtuellen Welt oder einer Spielumgebung auszuführen. Ziel ist es, neben der Bewegung auch Anregungen für eine kognitive Stimulation zu bieten (van Santen et al. 2018). Wichtige technische Elemente für die Ausübung dieser Spielform sind Bewegungssensoren oder 3D-Bilderkennungsverfahren, die Bewegungen erfassen können.

      In einer ersten Überblickarbeit zu den Effekten von Exergames im Kontext von Demenz wurden drei Studien einbezogen. Die Auswertung zeigte bei zwei von ihnen leicht signifikante physische, kognitive und emotionale Effekte bei den Studienteilnehmern. Generell gilt aber auch hier, dass die Studien insbesondere aufgrund der geringen Fallzahlen wenig aussagekräftig sind (van Santen et al. 2018).

      Eine umfassendere systematische Überblicksarbeit und Metaanalyse, die sich mit Exergames im Kontext neurologischer Behinderungen u. a. auch der Alzheimererkrankung befasste, kommt trotz der auch hier vorliegenden methodischen Einschränkungen zu der Folgerung, dass Exergames ein hochflexibles Werkzeug in der Rehabilitation von Menschen mit neurologischen Beeinträchtigungen darstellen und in die Behandlungsprozesse der Betroffenen einbezogen werden sollten (Mura et al. 2018)

      In der Praxis finden entsprechende digitale Bewegungsprogramme schon seit längerer Zeit eine immer umfangreichere Anwendung. Im Folgenden werden einige Bespiele beschrieben.

      Beispielprodukte in der Kategorie »Training, das Spaß macht«

      Silver Fit (https://silverfit.com/en/)

      Silver Fit ist ein interaktives physiotherapeutisches Konzept, das in den Niederlanden für ältere Menschen insbesondere zum rehabilitativen Training z. B. von Schlaganfallpatienten sowie zur Sturzprophylaxe entwickelt wurde. Das System koppelt über eine 3D-Kameratechnologie Bewegung und Bild. Es gibt verschiedene Trainingsprogramme für unterschiedliche Zielgruppen. Speziell für Menschen mit Demenz wurde das Programm SilverFit Alois entwickelt. Neben der Bewegungsförderung soll das System den Nutzerinnen und Nutzern aber auch Spaß vermitteln, kognitiv stimulieren und die soziale Interaktion beispielsweise mit Angehörigen fördern. Ziel ist es in erster Linie freudige Momente zu gestalten und damit die Lebensqualität zu verbessern. Neben Bewegungsübungen bietet das System die Möglichkeit auch mit persönlichen Erinnerungen zu arbeiten oder zu entspannen z. B. mit Hilfe eines virtuellen Aquariums.

      MemoMoto (https://www.memomoto.de)

      MemoMoto bietet eine Kombination aus Bewegungsförderung und Erinnerungspflege. Der erste MemoMoto wurde im Jahr 2009 in den Niederlanden von einem Expertenteam entwickelt und ist speziell für Menschen mit Demenz konzipiert. Grundidee ist, dass die Person mit Demenz ein Bewegungsgerät wie beispielsweise ein stationär installiertes Fahrrad oder ein Laufband nutzt. Dieses Gerät ist verknüpft mit einem Bildschirm, einem Computer und einem Bewegungssensor. Dieser überträgt die Bewegung auf den Computer, der wiederum auf dem Bildschirm eine für den Nutzer bekannte Route (Straße, Waldweg etc.) abspielt. In der Regel handelt es sich um Routen aus der Region. Diese aufgenommenen Streckenbilder laufen, sobald die Person sich bewegt. Die Geschwindigkeit der Streckenaufnahmen variiert in Abhängigkeit der Bewegung des Nutzers. Damit wird der visuelle Eindruck vermittelt, dass sich die Person durch eine vertraute Umgebung bewegt. Es wird erhofft, dass die Routen durch bekannte Umgebungen die Person zu Bewegung animieren und auch für eine Stimulation der Kognition durch das Auslösen von Erinnerungen sorgen. Im Idealfall wird die Person während der Ausführung der Bewegungsübung therapeutisch begleitet und kann sich über das Erlebte austauschen.

      memoreBox (https://www.retrobrain.de/)

      Die memoreBox der Firma Retro Brain R&D GmbH ist eine in Deutschland entwickelte gestengesteuerte Spielebox, die an den Fernseher angeschlossen werden kann. Sie bietet den Teilnehmenden therapeutische Videospiele in Verbindung mit leichten Körperbewegungen. Die Teilnehmenden können kegeln, Motorrad fahren und die Rolle eines Briefträgers übernehmen, der Post in Häuser verteilt. Die Spiele sind so konzipiert, dass sie leicht durchzuführen sind, aber auch Spaß machen. Die memoreBox befindet sich aktuell in der Modellerprobung. Die Evaluationsstudie wird von der Barmer Krankenkasse finanziert. Zwischen 2016 und 2018 erfolgte eine erste Testung in zwei Pflegeeinrichtungen in Hamburg und Berlin. In eine aktuell laufende zweite Testphase sind bundesweit 100 Einrichtungen einbezogen. Bisherige Ergebnisse können zwar nur Tendenzen aufzeigen, diese scheinen jedoch positiv zu sein. Bislang konnten positive Effekte für die Stand- und Gangsicherheit, eine Verbesserung der Motorik, Ausdauer und Koordinationsfähigkeit sowie die Stärkung der sozialen Bindungen und der Kommunikation beobachtet und partiell nachgewiesen werden (GKV 2019).

      1.6 Erinnerungspflege: neue Möglichkeiten und Zugangswege durch die Nutzung digitaler Medien

      Erinnerungspflege (im Englischen oft als »reminiscence« bezeichnet) stellt von jeher einen zentralen Stützpfeiler einer person-zentrierten Begleitung von Menschen mit Demenz dar. Bei der Erinnerungspflege geht es darum, auf der Basis von biografischem Wissen sowie des Erlebens des Bewohners im Alltag bewusst Situationen zu gestalten, in denen angenehme Erinnerungen geweckt werden. Diese können eine wichtige Rolle dabei spielen, die Selbstvergewisserung und Identität der Person im Hier und Jetzt zu stärken. Wenn sich das eigene gelebte Leben nicht mehr ohne weiteres vergegenwärtigen lässt, beginnt die Gewissheit darüber zu bröckeln, wer man »im Erkennen und Fühlen« (Kitwood 2000) ist. Sich die eigene Vergangenheit zu vergegenwärtigen und Ereignisse oder Erfahrungen ins Bewusstsein zurückbringen zu können, die die eigene lebensgeschichtliche Entfaltung ausmachen, hilft dabei, sich selbst zu bestätigen und als vom unmittelbaren sozialen Umfeld angenommen und wertgeschätzt zu erfahren. Damit ist im Kern das Konzept von Erinnerungspflege markiert, die versucht, durch gezielte Interventionen im Alltag die Ich-Identität zu stärken und letztlich das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz zu fördern.

      Bislang wurden in der Erinnerungspflege vor allem konventionelle Medien (wie Fotos u. a.) verwendet. Inzwischen spielen aber auch neue interaktive Medien eine immer wichtigere Rolle dabei, Menschen mit Demenz und ihre Erinnerungen anzusprechen. Mit den neuen, digitalen Medien bieten sich innovative Einsatz- und Anwendungsmöglichkeiten, welche das Potenzial beinhalten, Erinnerungspflege im Rahmen einer Medienkultur und -gesellschaft angemessen zu modifizieren und neu zu formen. Generell eröffnen die neuen Medien andere Möglichkeiten in Bezug auf den Zugang zu Inhalten und die Umsetzung von Erinnerungspflege im Alltag. Ob zu Hause oder im Pflegeheim: das klassische Erinnerungsalbum wird ergänzt, erweitert, wenn nicht ersetzt durch neue Formen und Möglichkeiten, die auch den Zugriff auf bislang nicht nutzbare Erinnerungsmaterialien erlauben. Die technischen Lösungen erlauben es, neben persönlichen Erinnerungsmaterialien auf den breiten Fundus medialer Artefakte/Materialien zurückzugreifen, die im Erleben der heute alten Menschen eine wichtige Rolle gespielt haben. Damit bieten die neuen Medien


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