Tango mortale. Pavel Kohout

Tango mortale - Pavel Kohout


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      Den Ausdruck kannte er, aber ausgesprochen hörte er ihn zum ersten Mal. Auf jeden Fall klang das besser als Gigolo!

      »Ja ...«

      »Warum hast du dann bei mir keine Taxe ausgehandelt?«

      Er wollte nicht weiter lügen. »Es kam mir blöd vor ...«

      »Aha, und warum?«

      »Wahrscheinlich deshalb, weil Sie von draußen gekommen sind ...«

      »Du wolltest also alle guten Landsleute vor der entfremdeten Landsmännin repräsentieren? Oder hast du dich etwa geschämt? Das musst du nicht. Das ist ein normaler Beruf, und ich brauche ihn darüber hinaus oft, also zahle ich auch ohne Diskussionen und gut. Jetzt gehe ich raus rauchen, und du hol uns beiden mal einen Whisky, wenn sie einen Malt haben und dazu noch Irish.«

      »Hier wird während einer Milonga kein Alkohol ausgeschenkt.«

      »Das ist mir bekannt, lieber Leo, aber ich habe noch keine Bar kennengelernt, wo man mir für ein ordentliches Bakschisch nichts gegeben hätte!«

      »Wie viel soll ich geben?«

      »Ich kenne die hiesigen Preise nicht, deshalb hast du kein Limit, gib, was du für richtig hältst.«

      Sie zog ihre Zigarettenschachtel und das Feuerzeug aus der Tasche und zauberte dabei eine Banknote hervor.

      »Wie viel ist das?«

      »Ein Palacký, also eintausend.«

      »Reicht das?«

      »Auf jeden Fall!«

      »Schön. Den Rest kannst du behalten. Ich bin dort, wo wir uns getroffen haben.«

      Und fort war sie.

      Das Trio kehrte schon von der Toilette zurück, tankte an der Bar neue Flüssigkeit in Form von tschechischer Cola und begrüßte ihn so, wie er es erwartet hatte.

      »Komm her, Spacko, wo hast du den Zombie ausgegraben?«

      Das hatte Kája ausgedacht.

      »Wenn die dir auf dem Parkett abkratzt, dann sitzt du wegen Leichenschändung, Spacko!« Das war Mireks Beitrag. Lád’a war wie immer nichts eingefallen. Leo überging das und sprach den Barkeeper an.

      »Hast du hier irgendeinen zwölf Jahre alten Malt?«

      »Tullamore, aber da kostet das Glas zweihundertzwanzig.«

      »In Ordnung. Also zwei Mal, und gib mir nur fünfhundert wieder raus! Schon vorher.«

      »Das ist in Ordnung!« Großzügig tauschte er mit dem staunenden Barkeeper den Palacký gegen den Fünfhunderter mit Božena Němcová darauf ein und gab ihnen einen Rat: »Ihr Idioten, dann guckt euch doch einfach nur mal ihr Gefährt an.«

      Als er eine Weile später mit zwei Gläsern in der Hand zu ihnen nach oben kam, wurde er Zeuge, wie sie sie ansprach.

      »Meine Herren, haben Sie einen Wunsch?«

      Auf einen so strengen Ton waren sie nicht vorbereitet.

      »Wir ...?«, entgegnete Kája, völlig aus dem Konzept gebracht. »Ja. Oder gibt’s eine Frage?«

      Kája gelang es endlich zu sprechen.

      »Nein ...«

      »Wenn ihr mich ausspannen wollt, ich bin bis Mitternacht vergeben.«

      Sie zogen sich wieder ins Gebäude zurück, und als Leo an ihnen vorbei ging, hörte er ein wütendes Zischen: »Blöde Scherze heb dir für den ersten April auf, Spacko.«

      Er brachte ihr das Glas, und sie stieß sofort mit ihm an.

      »Also Cin-cin!« Sie sah, wie er sie anstarrte. »Ist irgendwas?« Wo um acht der weiße Geist des Rolls-Royce gefunkelt hatte, stand ein alter und recht abgewrackter Škoda Felicia.

      »Nein, nichts ...«

      Wieder durchschaute sie ihn: »Der Ghost wartet in der Hotelgarage, auf der Straße ruft er ja nur Zusammenrottungen von Neugierigen hervor.«

      Sie nahm wieder einen Schluck, stützte sich auf das steinerne Geländer, schaute zum pulsierenden Wehr hinüber, wie er es bisher nur in alten Filmen gesehen hatte.

      »Was machst du eigentlich?« Sie brachte ihn in Verlegenheit.

      »Also jetzt?«

      »Na, überhaupt.«

      »Ich bin ... ich war IT-Fachmann ...« Sie wunderte sich.

      »Auto-Fachmann?«

      »Nein, ei-ti, Informationstechnologe, Rechner und so.«

      »Aha. Und jetzt rechnest du nur noch mit Schritten, oder?«

      »Na ja ... momentan ...«

      »Du lebst vom Tango, nicht wahr? Was mir entgegenkommt, denn du weißt ja sicher, wo hier die nächste Milonga stattfindet.«

      »Gleich morgen ...«

      »Und wo?«

      »In der Lucerna-Bar, das ist Ecke Štěpánská und Wenz ...«

      »Leo, ich habe hier länger gelebt als du!«

      »Oh, pardon ...«

      »Keine Ursache. Und hast du morgen was vor?«

      »Nein.«

      »Jetzt doch. Die Lucerna-Bar.« Sie trank aus und reichte ihm das Glas, damit er es wegbrachte.

      »Aber noch hast du nicht sonderlich gut gebrüllt, Löwe!«

      »Wie meinst du das ...?«

      »Hast du den ›Sommernachtstraum‹ gesehen?«

      »Nein ...«

      »Das ist von Shakespeare. So ein schönes Lob wird dort ausgesprochen: Gut gebrüllt, Löwe!«

      »Und worin habe ich schlecht gebrüllt?«

      »Du hast getanzt, als würde es dir nicht sonderlich Spaß machen. Das darf ein Profi nicht.« Jetzt setzte er sich zur Wehr.

      »Ich wusste doch nicht gleich, was du kannst!«

      »Und jetzt weißt du es?«

      »Ich glaube, viel.«

      »Dann zeig, was du drauf hast!«

      Und so ließ er es im zweiten Drittel krachen, er wechselte zwischen Sacada und Gancio, die effektvollen Volcadas und das lange Planeo, und er musste bewundern, mit welcher Leichtigkeit sie sich ihm anpasste, eine Weile später waren sie ein Paar, das Tango hätte unterrichten können. Zuerst bemerkte dies die Truppe, die ironischen Blicke gingen in Erstaunen über. Allmählich bemerkten das auch die anderen Paare, kurz vor Mitternacht räumte man für sie sogar die Mitte des Parketts, und bei der nächsten Pause wurde herzlich applaudiert. »Jetzt hast du schon besser gebrüllt, Löwe!«, sagte sie zufrieden, »begleitest du mich zum Auto?« Das weiße Phantom hatte sich wieder in den Rolls-Royce der Klasse Ghost materialisiert, der Chauffeur stand vor dem Wagen und hielt den Pelzmantel bereit. Als sie ihn sich umlegen ließ, hielt sie weitere Banknoten in der Hand. Plötzlich hielt sie inne.

      »Hast du studiert?«

      »Was habe ich?«

      »Ob du studiert hast.«

      »Klar. Technik.«

      »Dann muss ich noch was drauflegen!« Das tat sie auch und fragte weiter.

      »Wie heißt du eigentlich?«

      »Na, Leo ...«

      »Das weiß ich. Und weiter?«

      »Nerad.«

      »In Ordnung. Also dann morgen um acht?«

      »Ja.«

      »Also dann ciao oder ahoj!« Der


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