Leo - Die Geschichte einer ungewöhnlichen Elfe. Eva Haring-Kappel

Leo - Die Geschichte einer ungewöhnlichen Elfe - Eva Haring-Kappel


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zu Ende war. Dass der Großvater uns besuchen kommen wollte, war mir daher gar nicht recht. Ich wusste nur nicht, wie ich ihn davon abhalten sollte.

      Irgendwann schlief ich doch ein und träumte lauter wirres Zeug. Ich weiß nur noch, es ging um ein großes schwarzes, zotteliges Tier, das sich ans Fußende meines Bettes gelegt hatte, und ich glaubte mich zu erinnern, dass es dort Wache hielt. Doch viel mehr wusste ich am nächsten Morgen nicht.

      *

      Kapitel 5

      Ich wachte schon sehr früh vom Signal meines Handys auf. Wendel hatte mir eine SMS geschickt. Er schrieb:

      Ich komm heute nicht. Anna ist langweilig, wenn wir

      den ganzen Tag im Wald sind. Mutter will, dass ich sie

      mitnehme. :-(

      Ich schrieb zurück:

      Bring sie einfach mit. Es ist schon alles egal. Opa will

      auch kommen und das Baumhaus sehen. :-((

      Wenig später trafen wir uns wieder bei uns auf dem Hof. Meine Oma freute sich, als sie Anna sah. Ich glaube, sie wünscht sich heimlich eine Enkelin. Wie ich darauf komme, weiß ich zwar nicht genau, aber ich denke, es ist so. Sie begann mit Wendels Schwester ein Gespräch, während ich die Gelegenheit nutzte und mit den anderen ein Stück zur Seite trat, außer Hörweite.

      „So, und was machen wir jetzt?“, flüsterte ich aufgeregt.

      „Warum hat der denn seine blöde Schwester mit?“, fragte Georg mit einem finsteren Blick auf Wendel.

      „Mein Opa will uns auch besuchen kommen“, murmelte ich.

      „Was ist denn jetzt los?!“, schimpfte Georg. „Sind denn alle verrückt geworden?“

      „Na, halten die Herren einen Kriegsrat ab?“ Das war der Großvater. Wir hatten ihn gar nicht kommen gehört. „Ich wollte euch nur sagen, den Besuch in eurem Baumhaus muss ich leider auf einen anderen Tag verschieben, mir ist nämlich etwas dazwischengekommen. Ich fahre heute in die Stadt wegen einer dringenden Besorgung. Passt schön auf euch auf und macht mir keine Dummheiten! Ich verlass mich auf euch.“ Er zwinkerte uns zu, dann ging er davon.

      „Hapü ... das ist ja gerade noch einmal gut gegangen!“, stöhnte ich.

      „Jetzt müssen wir nur noch mit deiner blöden Schwester fertig werden“, schimpfte Georg.

      „Ich bin nicht blöd!“, fauchte Anna, die plötzlich neben uns stand.

      „Na, Kinder“, sagte die Großmutter, die auch dazugekommen war. „Streitet euch nicht, sonst kann ich euch nicht in den Wald lassen. Der Gedanke, dass dort den ganzen Tag gestritten wird, ist für mich so furchtbar, dass ich euch dabehalten muss. Ihr könntet mir ja in der Küche helfen.“ Sie lächelte uns an.

      „Nein, wir vertragen uns!“, rief ich rasch und nahm Anna bei der Hand. „Komm, wir gehen.“

      Sie befreite sich sofort aus meinem Griff und schimpfte: „Spinnst du? Ich bin doch kein Baby!“

      „Da ist dein Rucksack, ich habe heute extra viel eingepackt. Bei der guten Waldluft entwickelt ihr ja alle scheinbar einen Riesenhunger“, lachte die Oma. „Passt schön auf, vor allem auf Anna.“

      Missmutig machten wir uns auf den Weg. Ich überlegte fieberhaft, wie ich Leo warnen konnte, aber selbst wenn mir das gelingen sollte, würden wir sie dann den ganzen Tag nicht sprechen können. Und was sollten wir mit Anna beim Baumhaus spielen? Es war zum Aus-der-Haut-Fahren.

      Anna schien von unseren Nöten nichts zu bemerken, sie plapperte ständig irgendeinen Blödsinn vor sich hin, wie schön das Wetter sei und wie schön die Vögel sängen und wie gespannt sie auf unser Baumhaus wäre. Georgs Miene verfinsterte sich mit jedem Meter, den wir zurücklegten, da hatte ich plötzlich eine gute Idee. Ich tat so, als würde ich über eine Wurzel stolpern, und warf mich der Länge nach hin. Dann blieb ich ein bisschen am Boden liegen, der Dramatik wegen. Sofort kamen alle zu mir gelaufen, allen voran Anna. Wendel hatte mir einmal erzählt, sie wolle später Ärztin werden und habe schon alle Haustiere kuriert. Vor allem Emmy, das alte, kranke Meerschwein, war nur dank ihrer Fürsorge noch am Leben, wie sie nicht müde wurde, uns immer wieder zu versichern.

      Ich richtete mich auf und hielt mir jammernd mein rechtes Bein. „Aua, aua, ich hoffe nur, ich habe mir nichts gebrochen.“ Georg und ich tauschten einen kurzen Blick und schon wusste er Bescheid. In dem allgemeinen Hin und Her um mein verletztes Bein bemerkte keiner, dass er sich in Richtung Baumhaus davonschlich.

      Zumindest Anna nicht, denn sie untersuchte mich genau und meinte dann: „Bist du sicher, dass dir da etwas wehtut?“

      „Ja, ja, au, aua ... Und wie!“

      „Komisch, ich könnte schwören, mit deinem Bein ist alles in Ordnung. Ich schätze, außer ein paar blauen Flecken hast du nichts abbekommen.“

      Wendel half mir hoch und auf ihn gestützt humpelte ich nun im Schneckentempo in Richtung Waldlichtung. Anna war voller Misstrauen, sie verließ sich mehr auf ihre medizinischen Fähigkeiten als auf mein wehleidiges Getue. Und wie alle Mädchen hat sie die Gabe, sofort zu spüren, wenn etwas faul ist. Sie war nun auf der Hut und beobachtete uns genau. Aber ich war zu vertieft in meine Rolle und auch die anderen ließen sich nichts anmerken.

      „Wo ist denn Georg hin?“, wollte Anna plötzlich wissen.

      Wir taten erstaunt. „Ja, wo ist er denn? Georg! Georg!“, riefen wir theatralisch.

      „Sicher ist er schon vorausgelaufen“, meinte Wendel.

      „Also, ich glaube euch kein Wort mehr. Du kannst mit der Komödie aufhören, Felix, deinem Bein geht es gut, so viel weiß ich jedenfalls.“ Wir warfen uns besorgte Blicke zu. „Ihr verheimlicht mir etwas, aber ich werde schon noch herausfinden, was es ist. Verlasst euch drauf!“

      Da tauchte Georg plötzlich wieder auf.

      „Wo bist du gewesen?“, fauchte Anna ihn an.

      Georg spielte das Unschuldslamm. „Ich musste mal ... ähem ...“ Er räusperte sich auffällig. „... mein Geschäft machen ... groß ... wenn du es genau wissen willst.“ Brüllendes Gelächter folgte.

      Anna wurde rot, sagte aber nichts mehr.

      Als wir am Bachufer auf der Lichtung ankamen, war die Stimmung immer noch sehr frostig. Von Leo war nichts zu sehen, das war zumindest positiv. Vorsichtig hüpften wir über die Steine auf die andere Seite des Baches und nun waren wir doch sehr gespannt, wie Anna unser Baumhaus finden würde.

      Aber was war das? Selbst bei genauem Hinschauen war es fast nicht zu erkennen. Dort, wo gestern noch rohe Bretter gewesen waren, war nun alles grün, das ganze Baumhaus war über und über mit Moos und Pflanzen bedeckt.

      „Schöööön! Wie habt ihr das nur gemacht?“, rief Anna begeistert. Schon kletterte sie die Leiter hinauf und wir hörten von unten ihre Jubelrufe: „Toll, das ist ja wie Zauberei, das kann man gar nicht glauben, wenn man es nicht selbst gesehen hat!“

      Wir Jungen warfen uns irritierte Blicke zu, kletterten rasch die Leiter hinauf und starrten ungläubig hinein. Sogar im Inneren der Hütte war alles mit dichten, weichen Moospolstern bedeckt. An den Fenstern wuchsen Gräser herab, die wie zarte Vorhänge aussahen. Sogar der Felsen, der die Rückwand des Hauses bildete, war überzogen mit weichem dunkelgrünem Moos.

      Staunend blickten wir uns um.

      „Ist das super!“, rief Benni.

      Anna stutzte. „Ihr habt das auch noch nicht gesehen, oder?“

      „Doch, doch ... wir ... wir ... wir haben das ja gemacht“,


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