Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt

Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl - Jan Quenstedt


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der Diakonie Deutschland dargestellt wird.4 Laut Aussage des Videos sei der Grund für diakonisches Handeln die NächstenliebeNächstenliebe, die den Menschen durch das Evangelium aufgetragen sei. Deswegen unterstütze die Diakonie Menschen in allen LebenslagenLebenslage, um die Ursachen von Notlagen zu beheben und Orientierung und Wege für und in die Zukunft zu eröffnen – „Diakonie“ sei in diesem Sinne Kletterhilfe.5 Ziel von Diakonie und „Diakonie“ sei es, gleiche Chancen für alle zu eröffnen – dieses Ziel werde von allen, die in und mit der Diakonie arbeiten, gelebt, so die Selbstaussage.6 Im Sinne eines Imagevideos ist der Verzicht auf theoretische Reflexionen und Grundlagen verständlich und nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund kann der Film ein weites Spektrum diakonischer HandlungsvollzügeHandlungsvollzüge präsentieren, die den Menschen als Ganzes in den Blick nehmen und sich nicht auf einen bestimmten Handlungsvollzug beschränken bzw. engführen lassen.

      Kritisch zu hinterfragen bleibt der Bezug auf die vom Evangelium herkommende NächstenliebeNächstenliebe als alleiniges Kriterium und MotivationMotivation für diakonisches Handeln. Vor dem Hintergrund der bereits dargestellten biblischen Belege und deren Kontexten erscheint diese Fokussierung zumindest als eine Verkürzung. Auch die Rede von der Unterstützungsleistung der Diakonie in allen LebenslagenLebenslage im Gegensatz zur Hilfe bei der Behebung von Notlagen stellt sich als ein Spannungsverhältnis dar. Diese Spannung verbindet sich auch mit einer letzten Anfrage: Wenn sich die Diakonie auf Menschen fokussiert, die am Rande der Gesellschaft stehen, welche Rolle kommt dann nichtmarginalisierten Personengruppen im Raum der Diakonie zu?

      1.3.1.2 Das Leitbild

      Das Ziel des Leitbildes ist bereits durch seinen Namen vorgegeben: Es will „Orientierung geben, Profil zeigen, Wege in die Zukunft weisen. Wir in der Diakonie sagen damit, wer wir sind, was wir tun und warum wir es tun.“1 Das Leitbild stellt dabei sowohl eine Zustandsbeschreibung als auch ein Perspektivpapier dar. Es beschreibt, „wie Diakonie ist, und mehr noch, wie sie sein kann.“2 Damit ergibt sich aus dem Leitbild eine Gestaltungsaufgabe, deren Umsetzung zu evaluieren ist. Nach dieser Einleitung entfaltet das Leitbild in acht Punkten seinen Inhalt. Dabei können bereits die acht Punkte selbst ohne ihre Entfaltung als Leitbild gelesen und verstanden werden. Sie werden im Folgenden kurz genannt und diskutiert:

      1 „Wir orientieren unser Handeln an der Bibel.“ Als individueller Auftrag in der NachfolgeNachfolge Jesu wird die Wahrnehmung des einzelnen Menschen benannt. Dazu befähige die Passion Jesu, während seine AuferstehungAuferstehung den GlaubenGlaube an die Überwindung des Todes ermögliche. In dieser HoffnungHoffnung, die getragen werde vom Heiligen GeistHeiliger Geist, könnten Krisen im Leben bewältigt werden.3 Dieser erste Punkt hält fest, dass sich der GlaubeGlaube in Taten bzw. Früchten äußere und der diakonisch Handelnde das weiter gebe, was er von Gott empfangen habe.

      2 „Wir achten die WürdeWürde jedes Menschen.“ Der zweite Punkt setzt mit einem nicht kenntlich gemachten Rekurs auf Gen 1,27Gen 1,27 ein, der als Begründung der Annahme des Menschen durch Gott herangezogen wird. Zugleich besitze der Mensch WürdeWürde, „weil Gott in Jesus Christus den Menschen auch in seinem tiefsten Scheitern angenommen hat.“4 Diese, auch im Handeln Jesu begründete WürdeWürde verpflichte – so das Leitbild – die Diakonie zum diakonischen Handeln. Dazu gehöre auch, dass Gott dem Menschen zutraue, „solidarisch zu handeln, das RechtRecht der Schwachen und Fremden zu achten und jedem GerechtigkeitGerechtigkeit zukommen zu lassen.“5

      3 „Wir leisten Hilfe und verschaffen Gehör.“ Der dritte Punkt formuliert in großer Breite und Offenheit Aufgaben und Arbeitsfelder der Diakonie. Ein biblischer Bezug lässt sich im Festhalten „an der Verheißung von Frieden und GerechtigkeitGerechtigkeit“6 feststellen. Darüber hinaus formuliert der Artikel den Gedanken der wechselseitigen AnteilgabeAnteilgabe und -nahmeAnteilnahme, wie auch den Gedanken, dass in der Diakonie tätige Menschen ebenfalls der ZuwendungZuwendung bedürfen. In diesem Wechselspiel von Geben und Empfangen werde Gemeinschaft erlebbar.7

      4 „Wir sind aus einer lebendigen Tradition innovativ.“ Der vierte Punkt hält fest, dass die Wurzeln der „Diakonie“ im „GlaubenGlaube Israels und der frühen Christenheit“8 zu finden seien.

      5 „Wir sind eine DienstgemeinschaftDienstgemeinschaft von Frauen und Männern im Haupt- und EhrenamtEhrenamt.“ Hier wird festgehalten, dass diakonische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Dienst am Nächsten bzw. an der Nächsten bereitstünden und sie in einer DienstgemeinschaftDienstgemeinschaft9 miteinander verbunden seien, die sich u.a. dazu verpflichte, theologisch begründete Entscheidungen zu treffen.10

      6 „Wir sind dort, wo uns Menschen brauchen.“ Die Diakonie ist in die evangelische Kirche eingebunden, sie versteht sich als kirchliches Werk. Das Handeln der Diakonie sei als VerkündigungVerkündigung der MenschenfreundlichkeitMenschenfreundlichkeit Gottes zu verstehen.11

      7 „Wir sind Kirche.“ Artikel sieben beschreibt eingehend die Verbindung zur evangelischen Kirche, wie sie in Artikel sechs schon einmal formuliert wurde. So wird „Diakonie“ als „Wesens-Wesensäußerung und LebensäußerungLebensäußerung der evangelischen Kirchen“12 verstanden, die vom Gemeindegottesdienst aus ihren Anfang nehme. Somit wird der GottesdienstGottesdienst als Quellgrund von „Diakonie“ charakterisiert. Gemäß 1Kor 13,131Kor 13,13 wird „Diakonie“ folgendermaßen konkretisiert: „Sie [d.h. die „Diakonie“, JQ] ist gelebter GlaubeGlaube, präsente LiebeLiebe, wirksame HoffnungHoffnung.“13 Diakonisches Handeln veranschauliche mithin das Evangelium und werbe für den GlaubenGlaube.14 Der Gedanke, dass „Diakonie Christsein in der Öffentlichkeit“15 sei, verweise auf das KronenkreuzKronenkreuz, das als sichtbares Zeichen diakonischen Handelns und diakonischer Mitarbeit beschrieben wird. Zuletzt sieht es die Diakonie als ihre Aufgabe und ihren Auftrag an, „die im Evangelium von Jesus Christus bezeugte LiebeLiebe Gottes der Welt mitzuteilen.“16

      8 „Wir setzen uns ein für das Leben in der Einen Welt.“ Der letzte Artikel rekurriert auf den sog. Konziliaren Prozess17 und damit implizit auf biblische Inhalte und Zusammenhänge: „GerechtigkeitGerechtigkeit für die Armen, Bewahrung des Friedens und der Schöpfung sind Bausteine für eine gemeinsame Welt.“18

      Positiv anzumerken ist, dass das Leitbild seiner Intention entsprechend für die Leserinnen und Leser leicht zugänglich und verständlich ist. Weil es weitgehend auf wissenschaftlich-theologische Reflexionen verzichtet, ist es auch für theologische Laien bzw. für nicht mit der christlichen Tradition vertraute Personen einfach zu erschließen.

      Darüber hinaus ist festzuhalten, dass das Leitbild ohne expliziten Bezug auf konkrete biblische Aussagen und Texte auskommt. Das ist kritisch wahrzunehmen, weil das Leitbild als eine Aufgabe von Diakonie festhält: „Wir orientieren unser Handeln an der Bibel.“ Wie kann aber diese Orientierung gelingen, wenn vom Leitbild keine biblischen Orientierungspunkte genannt werden? Der korrekte Umgang mit dem Leitbild würde in dieser Hinsicht ein fundiertes exegetisches und bibelkundliches Hintergrundwissen voraussetzen. Vor diesem Hintergrund könnten sich Hürden bei der Lektüre und beim Verständnis des Leitbildes für diejenigen Menschen ergeben, die diese Voraussetzung nicht erfüllen.

      1.3.1.3 Die Präambel der Satzung

      Im Folgenden soll auf die Präambel der Satzung der Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.1 eingegangen werden. Neben dem juristischen Kontext der Satzung bietet die Präambel theologische Begründungen für das diakonische Handeln. Im Vergleich zum oben dargestellten Leitbild fällt ein anderer Sprachduktus auf, der den Kontext der Ausführungen verdeutlicht: Die Präambel bildet die Einleitung juristisch bindender Aussagen und verfolgt im Gegensatz zu einem Leitbild eine andere Zielsetzung, die u. a. in der Normierung verschiedener HandlungsvollzügeHandlungsvollzüge besteht.

      Die Präambel setzt mit folgender Feststellung ein: „In Jesus Christus hat Gott seine LiebeLiebe zur Welt erwiesen. Die Kirche hat den Auftrag, diese LiebeLiebe allen Menschen durch Wort und Tat zu bezeugen.“2 Ohne es explizit zu erwähnen, wird damit zunächst das Zeugnis der Evangelien zur Begründung von „Diakonie“ angeführt. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang u.a. an den Missionsbefehl Mt 28,19f.Mt 28,19f. oder auch an eine Ableitung aus der BergpredigtBergpredigt (Mt 5–7Mt 5–7).


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