Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
von Hentschel stellt zum gegenwärtigen Zeitpunkt die umfangreichste und aktuellste Veröffentlichung zum Themenfeld des DiakoniebegriffsDiakoniebegriff im Neuen Testament dar.1 Dem Aufbau der Monographie entsprechend, erfolgt die Darstellung anhand von sechs Punkten bzw. Abschnitten.
3.3.1 Darstellung
3.3.1.1 Zum Bedeutungsspektrum von διακονέω κτλ.
Als Einstieg in die Thematik skizziert Hentschel das Vorkommen der Wortgruppe im Neuen Testament in unterschiedlichsten Kontexten, die in der Regel „Aufträge und Aufgaben in den Bereichen GemeindeleitungGemeindeleitung, Organisation und VerkündigungVerkündigung“1 beträfen. Angesichts der skizzierten Fülle an Verwendungs- und Bedeutungsmöglichkeiten stelle sich die Frage, „ob sich Kriterien für eine dem Lexem διακονέω κτλ. angemessene Bedeutungsbestimmung finden lassen.“2
Hentschel skizziert eine Auswahl an Forschungspositionen, wobei ihr Interesse dabei auf dem Verständnis des Lexems und möglicher Auswirkungen dieses Verständnisses auf die Trias von NachfolgeNachfolge, GemeindeordnungGemeindeordnung und kirchlicher ÄmterAmt liegt. Auch Auswirkungen auf die Bestimmung von Geschlechterrollen werden von Hentschel in den Blick genommen. Da die vorliegende Studie ihrerseits eine Auswahl an Forschungspositionen darbietet, soll an dieser Stelle die Darstellung auf die Nennung der bei Hentschel dargestellten Positionen beschränkt bleiben. Hentschel setzt sich unter der Überschrift „Eine profane und eine christliche Bedeutung von διακονέω κτλ“ mit den entsprechenden Ausführungen von H. W. Beyer3, A. Weiser und E. Schweitzer auseinander. Als zweiten Unterpunkt stellt Hentschel die Positionen von L. Schottroff und E. Schüssler Fiorenza dar, mit denen Ergebnisse der feministischen Exegese vorgestellt werden. Letztlich sei Diakonia auch als BeauftragungBeauftragung zu verstehen, wie D. Georgi und J. N. Collins4 deutlich zeigen würden. Der dargestellte exemplarische Einblick in die gegenwärtige Forschungslage zeige, wie schwierig eine adäquate Begriffsdefinition des Lexems διακονέω und seiner Derivate sei.5
Um das BedeutungsspektrumBedeutungsspektrum des Lexems in ihrer Studie möglichst genau abzugrenzen, schließt Hentschel eine Reflexion über Semantik, und damit Überlegungen „Zur Bedeutung von Worten“6 an. Dieses Nachdenken sei gleichsam als Prolegomenon für die semantische Analyse des Lexems in profangriechischen und jüdisch-hellenistischen Schriften zu verstehen. Es habe zum Ziel, „das Bedeutungspotential oder Bedeutungsspektrum von διακονέω und seinen Derivaten zu untersuchen.“7 Erreicht werden soll dieses Ziel durch die Untersuchung der Verwendungskontexte des Lexems – deswegen sei zunächst nach der konkreten Textbedeutung zu fragen. Eine Erweiterung erfährt diese Methodik durch die Einbeziehung der Perspektive der Geschlechterdifferenz. Ihrer Untersuchung legt Hentschel dabei ein heuristisches Bedeutungsspektrum zugrunde, das den Ergebnissen von Collins entspricht und ggf. eine Kritik bzw. Erweiterung erfahren kann.8
Hentschel kommt zu dem Schluss, dass Collins grundsätzlich zuzustimmen sei, das Charakteristikum des Lexems aber im Verständnis als „BeauftragungBeauftragung“ zu sehen sei. Konkret ergebe sich „durch die BeauftragungBeauftragung eine Beziehungskonstellation zwischen Auftraggeber, Beauftragtem und Adressaten der BeauftragungBeauftragung, bei der ein DiakonosDiakonos mit der Ausführung seines Auftrages in der Regel doch – zwischen Auftraggeber und Adressaten – vermittelnd tätig ist.“9 Mit dieser BeauftragungBeauftragung sei ein gewisses Maß der Partizipation der ausführenden Person an der AutoritätAutorität der Auftraggeber verbunden.10 Grundsätzlich sei nicht davon auszugehen, dass das Lexem niedere Arbeiten bzw. den TischdienstTischdienst bezeichne, wie es Beyer herausgestellt hat. Auch ein Statusgefälle zwischen den Akteuren sei nicht zwangsläufig damit verbunden. Zugleich sei auch nicht ausgeschlossen, dass auch karitative Tätigkeiten unter dieser Wortgruppe subsumiert werden könnten. Hentschel legt aus diesem Grund einen Fokus auf die Betrachtung der impliziten und expliziten Beziehungskonstellationen. Ferner werde bereits aus diesen knappen Punkten deutlich, dass das Lexem als ein „schillernder Begriff“ zu verstehen sei, „dessen konkrete Verwendung und Textbedeutung jeweils einer sorgfältigen Untersuchung“11 bedürfe.
3.3.1.2 διακονέω κτλ. bei Paulus
Das zweite Kapitel in Hentschels Monographie widmet sich der Untersuchung der Bedeutung des Lexems in der paulinischen Briefliteratur. Auch hier sei davon auszugehen, dass sich das BedeutungsspektrumBedeutungsspektrum aus einer engen Korrelation von situativem und literarischem Kontext heraus ergebe.1 Verdeutlicht wird diese Vermutung anhand der durchgeführten Untersuchung der Belegstellen im genannten Textcorpus, die Hentschel zu dem Schluss führt, dass PaulusPaulus διακονέω und seine Derivate im Rahmen des üblichen antiken BedeutungsspektrumsBedeutungsspektrum verwende und damit „die Ausführung von Aufgaben unterschiedlicher Art, die auf eine BeauftragungBeauftragung zurückgeführt werden und häufig eine VermittlungVermittlung- bzw. Botentätigkeit beinhalten“2, bezeichne. Mit dieser Feststellung ist ein Widerspruch zu Beyer gegeben, der die christliche Entwicklung der Begriffsverwendung abgehoben von der in der jüdischen bzw. hellenistischen Welt sieht.3
Interessant erscheint der Umstand, dass laut Hentschel die mit dem Lexem bezeichneten Tätigkeiten von PaulusPaulus nicht als Dienste verstanden werden. Vielmehr handele es sich um „offizielle BeauftragungenBeauftragung, denen in Bezug auf die Adressaten durchaus eine besondere AutoritätAutorität eigen ist,“4 und die als delegierte AutoritätAutorität zu verstehen sei. Zu diesen BeauftragungenBeauftragung gehörten verschiedene mehr oder minder angesehene Aufgaben innerhalb der Gemeinde. Diese Einsicht gewinnt sie aus ihrer Lektüre von 1Kor 12,51Kor 12,5. Im speziellen Fall werden die Aufgaben bzw. BeauftragungenBeauftragung als GnadengabenGnade bezeichnet, deren Ursprung im freien Willen Gottes gründe.5 Somit bleibe den Empfängerinnen und Empfängern der GabenGaben einerseits ein autonomer Umgang mit ihnen verwehrt, andererseits auch ein elitäres Statusdenken, das einige Gaben höher bewerte als andere.6 „Ausgehend von einem weiten Verständnis von διακονία im Sinne von BeauftragungenBeauftragung ergibt sich ein sinnvoller Bezug zwischen unterschiedlichen BeauftragungenBeauftragung und dem einem κύριος als Auftraggeber, ohne dass durch den Kontext eine inhaltliche Bestimmung des Auftrages gegeben wird.“7 Deutlich werde, dass den Gaben ein Auftrags- und Verpflichtungscharakter eigen sei, der seinen Ausdruck in der VerantwortungVerantwortung der beauftragten Person gegenüber ihrem bzw. seinem Herrn finde. Deswegen eigne sich die Begrifflichkeit zur Bezeichnung von Formen der Mitarbeit innerhalb der christlichen Gemeinde, weil sie „auch das zugehörige Beziehungsgefüge zwischen Auftraggeber, Beauftragtem und Adressaten beleuchte […]“8 und anschaulich werde, dass Gott der Herr der Gemeinde sei, während es dennoch FunktionsträgerFunktionsträger innerhalb der Gemeinde gäbe, die AutoritätAutorität und Weisungsbefugnis besäßen. Damit werde zugleich die Unterscheidung einsichtig, dass zwar nicht alle Gemeindeglieder zur Diakonia berufen seien, jedoch jegliche Form der innergemeindlichen Mitarbeit als „[…] Diakoniai – als wichtige und verpflichtende BeauftragungenBeauftragung – verstanden werden [kann] (1Kor 12,51Kor 12,5). In diesem Rahmen, und nur in diesem Sinn können auch karitative Tätigkeiten als Diakoniai, als Aufträge und nicht als Dienst bezeichnet werden.“9 Diese Differenzierung zwischen Auftrag und Dienst ergebe sich u.a. aus der skizzierten Lesart von 1Kor 12,51Kor 12,5 und trage der in dieser Perikope eruierten Verankerung der BeauftragungenBeauftragung im freien Willen Gottes Rechnung. Mit der Nichtverwendung des Lexems zur Bezeichnung des TischdienstsTischdienst bei Paulus sei auch deutlich, dass damit kein niedriger Status der handelnden Person bezeichnet werde und nicht auf eine demütige Gesinnung des aktiven Subjekts zu schließen sei: „Dies entspricht der profangriechisch üblichen Wortverwendung, die nicht auf den Status oder die Gesinnung der Subjekte, sondern auf den Auftrag zielt.“10 Und Hentschel führt weiter aus: „Ansonsten verwendet Paulus das Lexem nicht für im heutigen Wortsinn diakonische, d.h. karitative Aufgaben. […] Die vom BedeutungsspektrumBedeutungsspektrum her mögliche, in der Antike belegte Verwendung des Lexems für die Aufwartung bei Tisch oder die Ausführung von Aufträgen im Haushalt konnte bei Paulus nicht nachgewiesen werden.“11
In Entsprechung dazu diene PaulusPaulus der Begriff „DiakonosDiakonos“ als Bezeichnung seiner missionarisch Mitarbeitenden und als Selbstbezeichnung seiner Tätigkeit bzw. seiner Rolle „als von Gott beauftragter