Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt

Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl - Jan Quenstedt


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Paulus unter Verwendung damit gerade die Art und Weise seiner Missionstätigkeit, seine – evangeliumsgemäße – Vermittlerrolle zwischen Auftraggeber und Adressaten erläutern kann.“13 Da davon auszugehen sei, dass für die VerkündigungVerkündigung des Evangeliums eine gewisse Bildung sowie eine zuverlässige Ausführung des Auftrags notwendig seien, sei es nachvollziehbar, dass sich aus dem entsprechend beauftragten und begabten Personenkreis innerhalb der Gemeinde über einen längeren Zeitraum amtsähnliche Strukturen herausbilden würden. Dabei sei das Lexem besonders gut für die Bezeichnung der Evangeliumsverkündigung geeignet, „da sowohl der Inhalt der Aufgabe als auch der Bezug zum Auftraggeber ausgedrückt werden kann,“14 und der Dienst von Männern wie auch der von Frauen mit dem Lexem bezeichnet werden könne.

      3.3.1.3 διακονέω κτλ. im Lukasevangelium

      Nach Hentschel biete sich im Lukasevangelium ein im Vergleich zur paulinischen Literatur verändertes Bild in Bezug auf Gebrauch und Bedeutung des Lexems.1 Erneut erkennt Hentschel ein breites Spektrum an Bedeutungsnuancen.2 Jedoch komme – in Erweiterung zur Verwendung in den ProtopaulinenProtopaulinen – bei Lukas auch der TischdienstTischdienst in den Blick, der zunächst von Frauen für Jesus verrichtet werde (vgl. Lk 4,39Lk 4,39; Lk 10,40Lk 10,40). Dieser könne im weiteren Sinne als materielle Unterstützung verstanden werden; ein darüber hinausgehendes Verständnis als beauftragte Zeuginnen sei im Anschluss an Lk 8,2f.Lk 8,2f. jedoch auszuschließen.3 Somit könne beispielsweise die Erzählung von Maria und Martha (Lk 10,38–42Lk 10,38–42) als Kritik an einem gemeindeleitenden Engagement von Frauen gelesen werden, weil der Gebrauch des Lexems in der Apostelgeschichte zeige, dass auch Funktionen der GemeindeleitungGemeindeleitung unter dieser Begrifflichkeit subsumiert werden können: „Unter dieser Voraussetzung könnte die kurze Erzählung [von Maria und Martha, JQ] als eine paradigmatische Szene gelesen werden, die transparent ist für eine Gemeindesituation und dabei indirekt die aktive Mitarbeit von Frauen in GemeindeleitungGemeindeleitung und VerkündigungVerkündigung kritisiert.“4 Die Begrifflichkeit des TischdienstsTischdienst besitze so eine gewisse Transparenz für Aufgaben und Arbeiten innerhalb der Gemeinde. Für Hentschel führt diese Erkenntnis zur der These, „dass es für Lukas einen entscheidenden Unterschied macht, ob die Subjekte der mit διακονέω κτλ verbundenen Tätigkeiten Männer oder Frauen sind.“5

      Alle weiteren Belegstellen des Lexems bei Lukas könnten, obgleich sie wiederum die Aufwartung bei Tisch beschreiben würden, als Gemeindeleiterparänese verstanden werden, die „allerdings nun metaphorisch zur Belehrung der Adressaten im Hinblick auf deren umfassende Verpflichtung interpretiert wird.“6 Hentschel vermutet, dass zur Entstehungszeit des Evangeliums das Lexem und seine Derivate gebräuchlich gewesen seien zur Bezeichnung verschiedenster gemeindeleitender Funktionen.7

      Die Besonderheit des Lukasevangeliums im Gebrauch des Lexems zur Bezeichnung des TischdienstsTischdienst ist nach Hentschel mit der Vorliebe des Lukas für die Darstellung von Mahlszenen zu erklären, die das soziale Gefüge und Wertvorstellungen der christlichen Gemeinde transparent machen würden. „In diesem Rahmen kann die pflichtbewusste Ausführung des TischdienstsTischdienst für Verantwortliche in der Gemeinschaft zur Metapher für eine auf die eigene Rechenschaftspflicht bedachte Ausübung von gemeindeleitenden Aufgaben werden, wobei zwar nicht die hierarchischen Strukturen selbst in Frage gestellt, Machtmissbrauch und ein Streben nach EhreEhre jedoch kritisiert werden.“8

      3.3.1.4 διακονέω κτλ. in der Apostelgeschichte

      Die Untersuchung der Belegstellen innerhalb der Apostelgeschichte führe zu einem ähnlichen Befund wie im Lukasevangelium. Zunächst würden auch in der Apostelgeschichte organisatorische, die GemeindeleitungGemeindeleitung betreffende Aufgaben mit dem Lexem und seinen Derivaten bezeichnet werden. Damit verbunden sei für alle Aufgaben eine BeauftragungBeauftragung, die sowohl für eine VerkündigungstätigkeitVerkündigungstätigkeit als auch für Botengänge festzuhalten sei.1 Anhand von Apg 6,1–7Apg 6,1–7 werde darüber hinaus deutlich, dass auch karitative Tätigkeiten durch eine BeauftragungBeauftragung charakterisiert und entsprechend mit dem Lexem gekennzeichnet werden könnten. Jedoch sei damit weder ein „niedriges oder wohltätiges Dienstamt“ bezeichnet, noch könne die Perikope als „Einführung eines im modernen Sinne des Wortes diakonischen Amtes gedeutet werden.“2 Vielmehr illustriert die Perikope die Existenz verschiedener Leitungsgremien innerhalb der Gemeinde, für deren Nebeneinander das Aufkommen eines Konkurrenzgedankens bei den Adressatinnen und Adressaten durch die Schilderung von Arbeitsteilung und BeauftragungBeauftragung vermieden werden soll.3

      Sofern das Lexem zur Bezeichnung einer BeauftragungBeauftragung verwendet wird, ist damit die Frage nach Autoritäts- und AbhängigkeitsverhältnissenAbhängigkeitsverhältnis bezeichnet. Dabei komme je nach Kontext entweder die AutoritätAutorität der beauftragten Person gegenüber den Adressatinnen und Adressaten, oder aber die abhängige und zur Rechenschaft verpflichtende Position der beauftragten Person gegenüber ihrem bzw. seinem Auftraggeber in den Blick.4 Ferner wird auch in der Apostelgeschichte das Lexem in Bezug auf den TischdienstTischdienst gebraucht, der jedoch wiederum als Metapher für die GemeindeleitungGemeindeleitung transparent sei, die im genannten Corpus als „Diakonie“ bezeichnet werde. Prüfstein für die auftragsgemäße Ausführung der gemeindeleitenden Tätigkeit werde in dieser Lesart der Umgang mit materiellen GüternGüter und die Versorgung von bedürftigen Personen mit Lebensmitteln, der „die Treue und Zuverlässigkeit eines von Jesus beauftragten Jüngers bzw. des späteren GemeindeleitersGemeindeleitung gegenüber seinem Herrn und Auftraggeber zeigt.“5 Damit messe sich der Anspruch des designierten GemeindeleitersGemeindeleitung auf AutoritätAutorität an seiner pflichtgemäßen Ausführung von Aufträgen. Vor diesem Hintergrund seien die Ausführungen des Autors des Lukasevangeliums auch für seine Adressatinnen und Adressaten auf ihre gegenwärtige Situation applizierbar.

      Lukas verwende mit dem Lexem einen bereits im frühen Christentum bekannten Terminus für die GemeindeleitungGemeindeleitung, setzt diesen in Beziehung zum TischdienstTischdienst und belehre „spätere AmtsträgerAmtsträger, die sich möglicherweise sogar als Diakonoi bezeichnen, über ihr ‚Berufsethos‘ und ihre mit der BeauftragungBeauftragung auch verbundenen Pflichten […]“6 Dieser Gebrauch sei als Charakteristikum des Lukas festzuhalten, sodass Hentschel summierend festhält: „Der erzählerisch ausgedrückte Anspruch an christliche Gemeindeleiter und MissionareMissionar, die für VerkündigungVerkündigung und Gemeindegründung verantwortlich sind, sich auch für die Rolle und Aufgabe eines Tischdieners, eines διακονῶν, nicht zu schade zu sein, wird nach Lukas geradezu zum Ausweis und Prüfstein für die rechtmäßig beanspruchte AutoritätAutorität, Beauftragter Christi bzw. Beauftragter der Gemeinde zu sein.“7 Mit dieser BeauftragungBeauftragung sei sodann ein „Höchstmaß an Verbindlichkeit und Normativität“8 verbunden, dem eine Deutung als niedriges Dienstamt zweifelsohne widerspreche. Deswegen erscheine die Verwendung des Lexems bei Lukas sehr komplex: Auf der Erzählebene verwende es der Evangelist zur Beschreibung von Diensten bei Tisch. Auf der Metaebene hingegen sei dieser Gebrauch transparent für Gemeindeleiter als Orientierungshilfe in der Ausübung ihres Dienstes.

      Die ausschließliche Anwendung von Maskulina im o.g. Zitat macht bereits ein weiteres Ergebnis von Hentschels Untersuchung des lukanischen Doppelwerkes deutlich, nach dem das mit dem zu untersuchenden Lexem bezeichnete Handeln von Frauen ausschließlich auf ein Handeln im Rahmen von praktischen Tätigkeiten begrenzt sei. Dieses erfahre durchaus eine positive Würdigung, jedoch keine (metaphorische) Erweiterung in Bezug auf ein gemeindeleitendes Handeln von Frauen. Somit korreliere der Gebrauch mit dem allgemeinen antiken Rollenverständnis, stehe jedoch im Widerspruch zur paulinischen Praxis und Verwendung des Lexems.9

      3.3.1.5 Die weitere Entwicklung – ein Ausblick

      Im vorletzten Kapitel ihrer Monographie wendet sich Hentschel der deuteropaulinischen Literatur sowie nichtkanonischen Schriften zu. Als wichtigste Erkenntnis hält Hentschel fest, dass das Lexem in der spätneutestamentlichen Literatur häufig zur Bezeichnung des Vorgangs der Übermittlung der christlichen Botschaft gebraucht werde. So werde etwa in Kol 1,7Kol 1,7 aufgrund des Kontexts (vgl. Kol 1,5b-6Kol 1,5b-6) deutlich, dass die Aufgabe des DiakonosDiakonos


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