Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
dass er als ein „von Gott beauftragter VermittlerVermittler göttlicher Geheimnisoffenbarungen gekennzeichnet [sei], dessen Aufgabe es ist, diese für andere verständlich weiterzugeben (3,4).“2 Auch die Belege in den Pastoralbriefen würden ein entsprechendes Verständnis erkennen lassen.3 Besonders hervorzuheben sei, dass sich im 1. Timotheusbrief ein Schwerpunkt des Einsatzes in der gemeindeleitenden VerkündigungVerkündigung abzeichne. 1Tim 3,8–131Tim 3,8–13; 1Tim 4,61Tim 4,6 würden im Zusammenspiel mit 1Tim 1,121Tim 1,12 zeigen, dass die Lehre und VerkündigungVerkündigung ein Schwerpunkt der Aufgaben der DiakoneDiakon sei. Aus diesem Grund summiert Hentschel: „Unter der Diakonie ist im 1. Timotheusbrief die BeauftragungBeauftragung zur gemeindegründenden bzw. gemeindeleitenden VerkündigungstätigkeitVerkündigungstätigkeit zu verstehen, die unterschiedliche Formen der Weitergabe des Wortes ebenso wie die mit der Glaubensüberzeugung im Einklang stehende Lebensweise beinhaltet.“4 Auch die entsprechende Titulierung des OnesiphorosOnesiphoros in 2Tim 1,182Tim 1,18 lasse die Deutung als Ausübung einer VerkündigungstätigkeitVerkündigungstätigkeit im weitesten Sinne zu. Auftraggeber seien in diesen Kontexten Gott oder eine konkrete Gemeinde. Von dieser Tendenz ergibt sich die Entwicklung, dass sich „mit der Zeit διάκονοςδιάκονος und διακονία zu spezifisch geprägten Begriffen entwickelten, mit welchen umfassend eine gemeindegründende und gemeindeleitende VerkündigungVerkündigung ausgedrückt werden konnte.“5 Damit sei der Weg vorgezeichnet, der zur Verwendung des Lexems als Bezeichnung für konkrete ÄmterAmt in der Gemeinde führe. Die BeauftragungBeauftragung bzw. Einsetzung der mit diesem Lexem Bezeichneten könne nun auch durch die Gemeinde bzw. deren Autoritäten erfolgen – neben einer unmittelbaren Einsetzung durch Gott bzw. Christus. Somit seien die beauftragten Personen, deren Tätigkeit sich im Mit- und Nebeneinander mit den ebenfalls erwähnten EpiskopenEpiskopos vollziehe, zur Rechenschaft gegenüber der Gemeinde verpflichtet.6
Diese Tendenz sei für die deuteropaulinische Literatur ebenso festzuhalten wie für die nichtkanonischen Schriften, obgleich zu betonen sei, dass der Gebrauch des Lexems keinen Rückschluss auf ein niedriges bzw. untergeordnetes Dienstamt zulasse. Es stehe eine BeauftragungBeauftragung im Mittelpunkt der Verwendung, deren inhaltlicher Schwerpunkt in der Verkündigungs- bzw. Lehrtätigkeit zu finden sei.7 Zudem lasse sich, darüber hinaus u.a. auch in den Briefen des Ignatius, kein Bezug zwischen dem Lexem und der AbendmahlsfeierAbendmahl feststellen. Eine Nutzung wie sie sich im Lukasevangelium darstelle, sei ebenfalls nicht festzuhalten. Hentschel summiert aus diesem Grund, dass das AmtAmt des DiakonosDiakonos keine Wurzel in einem Abendmahlskontext habe.8 Zuletzt sei zu erwähnen, dass sich mit der zunehmenden Herausbildung einer OrganisationsformOrganisationsform die Tendenz verbinde, dass Frauen entsprechend dem VorbildVorbild der paganen Umwelt von Leitungsämtern in der Gemeinde ausgeschlossen würden.9
3.3.1.6 Zusammenfassung der Ergebnisse
In einem sechsten Kapitel bündelt Hentschel ihre Erkenntnisse und setzt sie in Beziehung zueinander. Als primäre Erkenntnis sei festzuhalten, dass der Gebrauch des Lexems innerhalb der neutestamentlichen Literatur sehr differenziert geschehe und die Bedeutung immer vom situativen und literarischen Kontext abhängig sei. In der Regel geschehe die Verwendung jedoch zur Bezeichnung einer BeauftragungBeauftragung, die ein BeziehungsgeschehenBeziehungsgeschehen zwischen der auftraggebenden und der beauftragten Person konstituiere. Deswegen seien damit sowohl eine Rechenschaftspflicht der bzw. des Beauftragten gegenüber der auftraggebenden Person als auch eine Teilhabe an ihrer bzw. seiner AutoritätAutorität verbunden. Demgemäß kennzeichne das Lexem maßgeblich eine Vermittlungsfunktion, die noch keine Aussage über den Status der beauftragten Person treffe.1 Aufgrund dieses Gebrauchs zur Bezeichnung einer konkreten BeauftragungBeauftragung könne das Lexem in unterschiedlichsten Kontexten verwendet werden – sowohl in öffentlichen als auch in privaten. Insgesamt „war der Begriff geeignet, unterschiedliche, durchaus wichtige Aufgaben im Rahmen der frühchristlichen Missionstätigkeit und der entstehenden Gemeinden zu bezeichnen und diese zugleich als BeauftragungBeauftragung im Namen Gottes oder auch der Gemeinde zu charakterisieren.“2 Nicht damit bezeichnet werde jedoch ein diakonisches Handeln im Sinne eines karitativen Handelns.
Im lukanischen Doppelwerk sei, durchaus als lukanische Besonderheit, eine Verwendung in Bezug auf den TischdienstTischdienst festzustellen, die metaphorisch für eine „pflichtgemäß ausgeübte Leitungsverantwortung in der christlichen Gemeinschaft“3 zu verstehen sei. Die Erledigung des TischdienstsTischdienst werde zum „Ausweis und Prüfstein für die rechtmäßig beanspruchte AutoritätAutorität und für die pflichtgemäße Amtsausübung.“4
Innerhalb der späten Briefliteratur des Neuen Testaments zeige sich, dass das Lexem häufig zur Übermittlung der christlichen Botschaft gebraucht und der Begriff zur Bezeichnung einer Leitungsfunktion herangezogen werde, in deren Verantwortungsbereich auch die VerkündigungVerkündigung zu sehen sei. Innerhalb der spätneutestamentlichen Schriften als auch in den Schriften der Apostolischen Väter werde zudem deutlich, dass das Lexem wiederum eine VerkündigungstätigkeitVerkündigungstätigkeit sowie BeauftragungenBeauftragung und Botengänge bezeichnen könne.5 Somit habe sich das Nomen διακονία nebst seiner Derivate „aufgrund seines BedeutungsspektrumsBedeutungsspektrum […] zur Bezeichnung für verschiedene Aufgaben, unter anderem auch für die VerkündigungstätigkeitVerkündigungstätigkeit, und für die sich entwickelnden ÄmterAmt in den frühchristlichen Gemeinden angeboten, da sie sowohl den Aspekt der BeauftragungBeauftragung und der damit verbundenen AutoritätAutorität als auch den Aspekt der Verpflichtung zum auftragsgemäßen Verhalten betonen.“6 Eine Verwendung zur Bezeichnung niedriger Dienstämter bzw. karitativer Aufgaben oder auch die Herkunft der Funktionen des DiakonosDiakonos aus einem Abendmahlskontext lasse sich auch in dieser Schriftengruppe nicht festhalten.7 Kurzum: „AutoritätAutorität, MachtMacht und EhreEhre werden im Neuen Testament nicht grundsätzlich geleugnet, sondern differenziert betrachtet.“8
3.3.2 Kritische Würdigung
Hentschel fokussiert ihre Untersuchung auf die inhaltliche und kontextuelle Füllung von διακονέω und seinen Derivaten. Sie zielt damit auf die Gewinnung und Darstellung des Bedeutungspotentials und BedeutungsspektrumsBedeutungsspektrum des Lexems ab. Basis ihrer Untersuchung ist das von Collins vorgeschlagene und auch in dieser Studie skizzierte BedeutungsspektrumBedeutungsspektrum, das in seiner Grundthese im Verlauf ihrer Untersuchung sowohl eine grundsätzliche Bestätigung als auch an einigen Stellen eine Korrektur erfährt, insofern Hentschel die „BeauftragungBeauftragung“ als wichtigsten Aspekt des Lexems sieht.1
Den Hauptuntersuchungsgegenstand der Studie bilden die Schriften des Neuen Testaments, exemplarisch eingeschränkt auf das Lukanische Doppelwerk, die Briefe des PaulusPaulus und die deuteropaulinische Literatur.2 Besonderes Augenmerk legt Hentschel außerdem auf die Rolle von Frauen im Kontext der Nutzung des Lexems. Zugleich ist aber kritisch zu hinterfragen, ob das Ausblenden dreier Evangelien gerechtfertigt ist und ob das BedeutungsspektrumBedeutungsspektrum des untersuchten Lexems dadurch unvollständig dargestellt wird.3
Nach Hentschel ist christliche „Diakonie“ als BeziehungsgeschehenBeziehungsgeschehen zu verstehen, das sich zwischen einer beauftragten Person und der jeweiligen Auftraggeberin bzw. dem jeweiligen Auftraggeber vollziehe. In dieser Lesart wäre nicht davon auszugehen, dass unter dem Begriff „Dienst“ Tätigkeiten oder Handlungen impliziert sind, mit denen ein geringes Ansehen und eine geringe WürdeWürde verbunden sind. Vielmehr sei von einer den Aufgaben und Tätigkeiten eigenen AutoritätAutorität und WürdeWürde auszugehen, die als abgeleitete AutoritätAutorität an der der auftraggebenden Person partizipiere. In dieser Perspektive kann hier eine Differenz zu Beyer festgehalten werden, der zunächst den Ursprung der „Diakonie“ im TischdienstTischdienst sieht und der ihr darüber hinaus das Moment der Niedrigkeit und das der Demut ins Stammbuch schreibt. Ihre Begründung erfährt bei Beyer diese Deutung durch das VorbildVorbild und Handeln Jesu Christi mit einem besonderen Fokus auf dessen demütige LebenshingabeLebenshingabe.
Demgegenüber wird in den Ausführungen Hentschels ersichtlich, dass ein Diakon bzw. ein mit Diakonia beauftragter Mensch an der AutoritätAutorität der auftraggebenden Person teilhat. Wenn mit dem Lexem die VerkündigungVerkündigung des Evangeliums bezeichnet wird, sei deutlich, dass die Verkündigerin bzw. der Verkündiger